Der Absatz von Elektroautos in Europa stockt, in Deutschland ist die Nachfrage nach den Stromern seit dem plötzlichen Wegfall des Umweltbonus massiv eingebrochen: Im ersten Halbjahr wurden nach den Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes lediglich 184.125 Vollstromer neu zugelassen – 16,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Und wenn die Stromer verkauft werden, dann oftmals mit schmerzhaften Verlusten.

Entwicklung des Wiederverkaufswerts (HV oder Händlerverkaufswert) von Fahrzeugen mit unterschiedlichen Antrieben im Vergleich zum Listenneuwagenpreis (LNP). Grafik: DAT
Der Autohandel hat darauf reagiert: Nach einer Umfrage des Fachmagazins »kfz-betrieb« und Vogel Research nehmen aktuell 68,7 Prozent und damit mehr als zwei Drittel der deutschen Autohändler keine gebrauchten „BEVs“ mehr in Zahlung. Für 51,1 Prozent der Befragten sind gebrauchte Elektroautos derzeit gar „so gut wie unverkäuflich.“ Um die Fahrzeuge überhaupt vom Hof zu bekommen, müssten satte Rabatte gewährt werden, im Schnitt in einer Höhe von 27 Prozent vom ursprünglich geplanten Verkaufspreis. Rabatte, die wiederum auf den Restwert drücken.
Schlüsselt man die Umfrageergebnisse weiter auf, geben im Juni 2024 exakt 80,2 Prozent der Händler an, beim Verkauf von gebrauchten Elektroautos rote Zahlen zu schreiben. 61,1 Prozent der Autohäuser geben an, „hohe Verluste“ zu machen . Immerhin 19,1 Prozent sprechen von „leichten Verlusten“.
Elektroautos als Ladenhüter
„Aus Sicht des Handels sind gebrauchte BEV daher keine allzu attraktive Ware. Gute Autos sind nur gute Autos, wenn sie sich gut verkaufen“, stellt die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) auf Anfrage fest. Allerdings lassen sich dabei nicht alle Stromer über einen Kamm scheren. Zwar wächst das Interesse allmählich wieder. Allerdings nur bei den „jungen“ BEVs, die nicht älter als ein Jahr sind. Das sind schlechte Nachrichten für die Besitzer von Leasing-Rückläufern, die oft zwei bis drei Jahre alt sind und bis zu 45.000 Kilometer auf dem Tacho haben.

Der Elektro-SUV mit 80 kWh-Akku ging 2019 als direktes Konkurrenzmodell zum Audi e-tron quattro an den Start – inzwischen ist die Produktion eingestellt. Anfangs kostete das Modell wenigstens 71.000 Euro, ab 2021 nur noch 66.068 Euro. Drei Jahre alte und topausgestattete Gebrauchtwagen mit 45.000 Kilometer Laufleistung werden heute zu Barpreisen um die 35.000 Euro gehandelt. Foto: Mercedes-Benz
„Insgesamt lassen aber vor allem die momentan noch hohen Preise und die „Angst“, eine veraltete Technologie zu erwerben, die Endverbraucher zögern“, heißt es im DAT-Report vom Juni und weiter: „Wenn in der Autobranche über Gebrauchtwagen gesprochen wird, dann blickt man zunehmend auch auf BEV. Als konkrete Kaufoption sind diese aus Sicht der Endverbraucher allerdings noch weniger attraktiv, was man auch an den geringen KBA-Stückzahlen sieht.“
„Opfer der Technologieentwicklung“
Für Philipp Seidel, Automobilexperte bei der Unternehmensberatung Arthur D. Little, ist das kein ungewöhnliches Phänomen: „Meines Erachtens sind die gebrauchten Elektrofahrzeuge der ersten Generationen gerade auf dem Gebrauchtmarkt die Opfer der schnellen Technologieentwicklung.“ Das seien die Gesetze des Marktes. „Vor kurzem waren gebrauchte Teslas noch so teuer wie neue, weil neue Fahrzeuge lange Lieferzeiten hatten. Aktuell haben wir wieder eher Überkapazitäten, also sinken die Gebrauchtwagen- und Restwerte. Das ist der normale Zyklus“, beruhigt Seidel. Auf lange Sicht zählt für Seidel die positive Entwicklung, dass die Kernkomponenten eines Elektroautos, wie etwa die Batterie, immer günstiger werden.

Mit Preissenkungen versuchte Nissan das elektrische Familienauto attraktiver zu machen – zum Preis sinkender Restwerte. Ein drei Jahre alter Leaf e+ mit 62 kWh-Akku (Basispreis 2022: 41.100 Euro) ist heute schon für unter 20.000 Euro zu haben. Sein Handicap: Zum Schnellladen braucht der Stromer eine Ladesäule mit CHAdeMO-Anschluss. Foto: Nissan
Das ändert nichts am Status quo. Wer einen gebrauchten Stromer sein Eigen nennt, hat in der Regel Schwierigkeiten, diesen an einen Händler zu verkaufen. Letztendlich ist das auch für die Autobauer keine wünschenswerte Situation. Jedes Auto, das vom Erstbesitzer länger als geplant gefahren wird, ist ein Neuwagen weniger, der verkauft wird. Fragt man bei den Autobauern nach, geben die deutschen Hersteller unisono an, dass der Händler ein freier Unternehmer sei, der an keine Weisungen seitens des Herstellers gebunden ist. Lediglich der Stellantis-Konzern reagierte nicht.
Hersteller steuern mit Schulungen dagegen
BMW unterstützt seine Händler: „Wir haben aber bereits eine Qualifizierungsoffensive im Gebrauchtwagenverkauf des Handels gestartet, mit Fokus auf BEVs, um unsere Händler für die ansteigende Anzahl von Rückläufern und deren Wiedervermarktung zu befähigen. Diese Trainings werden aktuell stark nachgefragt“, erklärt ein Sprecher. Auch Audi forciert aktuell die Schulungsmaßnahmen, um das Gebrauchtwagengeschäft anzukurbeln.

Der 300 kW starke Allradler war 2019 Audis erstes Serienfahrzeug mit Elektroantrieb. Der Startpreis betrug 79.900 Euro. Heute sind drei Jahre alte Modelle mit 25.000 Kilometer Laufleistung schon für 27.000 Euro zu bekommen. Foto: Audi
An der schwierigen Situation der Autohändler ändert das grundsätzlich allerdings nichts. Und wenn die Automobilhersteller die Händler im Regen stehen lassen, bricht das BEV-Gebrauchtwagengeschäft bald massiv ein. Mercedes ist von der Qualität seiner Produkte überzeugt und gibt deshalb auf ausgewählte Modelle inzwischen fünf Jahre Garantie. Bei Porsche greift man auf bewährte Verkaufsinstrumente wie die „Approved Garantie“ zurück. Ob das ausreicht, um die Wiederverkäufe bei Elektroautos anzukurbeln, wird sich zeigen.
VW setzt auf lange Haltedauer
Bei VW hat man die Zeichen der Zeit erkannt und versucht gegenzusteuern. „Über das Vehicle Lifetime Modell werden die Volkswagen Financial Services zukünftig E-Fahrzeuge möglichst lange im eigenen Portfolio halten, um Kunden ein attraktives Gebrauchtwagenleasing anzubieten“, lässt der niedersächsische Autobauer verlauten.

Seit November 2019 bietet Volkswagen den elektrischen Kompaktwagen als Alternative zum Golf an. Der Startpreis für die Pure-Version für Minimalisten mit 55 kWh-Akku für eine Reichweite von 350 Kilometer betrug 31.495 Euro. Drei Jahre alte Modelle in der Ausführung werden heute zu Preisen um die 18.000 Euro gehandelt. Foto: Volkswagen
Für Philipp Seidel gibt es keine Zweifel: „Gebrauchte EV werden nicht zum Elektroschrott. Ja, wir müssen damit rechnen, dass die E-Fahrzeuge der ersten Generation einen kürzeren Lebenszyklus haben werden als klassische, etablierte Verbrenner. Das waren erste Gehversuche der Hersteller in einem neuen Umfeld. Das ist aber kein Problem der E-Mobilität an sich, sondern ist der Einführung jeder neuen Technologie inhärent. Der Restwert wird nach unten schon durch den hohen Wert der Batterie begrenzt. Jetzt folgen andere Marktphasen, die anders geprägt sein werden. Wer sich als Autohändler und Vertragshändler der großen Marken der E-Mobilität verweigert, wird es schwer haben.“
Jeder, der sich über zu hohe Preise für E-Autos beklagt: Jetzt ist DIE Gelegenheit!