Die Bundesregierung plant möglichst schnelle Vereinfachungen bei der Anmeldung und Installation von Balkonkraftwerken. Der entsprechende Gesetzesentwurf müsse nun fertiggestellt und „unverzüglich“ dem Bundestag zugeleitet werden, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Stefan Wenzel (Grüne), am 8. Mai 2023 in einer Anhörung des Petitionsausschusses des Bundestags. Er gehe davon aus, dass die Neuregelung „so schnell wie möglich kommt“.
„Die Entscheidung bei der Bundesregierung ist gefallen“, so Wenzel. „Wir wollen das. Wir wollen die Anmeldeverfahren vereinfachen, wir wollen den Schukostecker ganz normal nutzen, wir wollen die Privilegierung in Miethäusern und Eigentumsgemeinschaften.“ Ebenfalls wolle die Regierung die nutzbare Leistung der Balkonkraftwerke auf 800 Watt erhöhen und übergangsweise auch rückwärtsdrehende elektromechanische Ferrariszähler zulassen.
Photovoltaikstrategie vorgestellt
In seinen Erläuterungen verwies Wenzel auf die am 5. Mai 2023 vorgestellte Photovoltaik-Strategie des Ministeriums. In dem 45-seitigen Papier wird unter Punkt 3.4 als Zielbild formuliert: „Die Vorschriften für den Anschluss von Balkon-PV sind deutlich vereinfacht. Die Anlagen können einfach installiert, aufgebaut und in Betrieb genommen werden. Die Betreiber können die Anlage selbst anschließen und ohne die Hilfe von Fachkräften in Betrieb nehmen. Die Anmeldung ist einfach und schnell erledigt.“
Damit decken sich die Pläne der Bundesregierung im Wesentlichen mit den Zielen der Petition, mit der sich die Abgeordneten in der Anhörung befassten. Diese war von mehr als 100.000 Personen unterzeichnet worden, so dass das erforderliche Quorum von 50.000 Unterstützern um mehr als das Doppelte übertroffen wurde.
Stromerzeugung nicht der entscheidende Grund
Petent Andreas Schmitz, der einen Youtube-Kanal zum Thema Erneuerbare Energien betreibt, wurde in der Anhörung von Christian Ofenheusle unterstützt. Dieser veröffentlichte als Gründer der Agentur Empowersource bereits ein Photovoltaik-Fachbuch und ist in entsprechenden Normierungsgremien des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) aktiv.
In seinem Eingangsstatement nannte Schmitz vier Gründe für seine Petition. Beim Betrieb eines Balkonkraftwerks gehe es nicht vorrangig um die Stromerzeugung, sondern um andere wichtige Aspekte. So stelle die Nutzung einer solchen PV-Anlage eine „vertrauensbildende Maßnahme für die erneuerbaren Energien“ dar. Damit könne man „den härtesten Klimawandelleugner überzeugen“.
Für viele Mieter oder Eigentümer stelle der Betrieb einer solchen Anlage den Einstieg in die erneuerbaren Energien dar. Wegen der geringen Investitionskosten ließen sich Balkonkraftwerke auch ohne Kredite finanzieren. Darüber hinaus würden Betreiber beim Stromverbrauch achtsamer, da sie die Nutzung von Geräten in die Mittagsstunden legten und sich generell mehr mit ihrem Stromverbrauch beschäftigten.
Zu guter Letzt könnten die leichteren Verfahren dazu führen, dass mehr Betreiber ihre Anlagen auch tatsächlich anmeldeten. Selbst die Bundesregierung geht in ihrer Photovoltaikstrategie davon aus, dass dies derzeit nur bei der Hälfte der Geräte der Fall sei. Angeblich liegt dies allerdings auch daran, dass Nutzer damit einen Austausch von Zählern umgehen wollen, die bei Einspeisung rückwärts laufen.
Wer haftet bei Unfällen mit Balkonkraftwerken?
Die Abgeordneten des Petitionsausschusses standen den Forderungen von Schmitz und Ofenheusle meist positiv gegenüber. Kritische Nachfragen gab es unter anderem wegen der Forderung, ebenso wie beim Anschluss von Wallboxen das Miet- und Wohnungseigentumsrecht anzupassen. Das Klimaschutzministerium will dazu die Balkon-PV „in den Katalog privilegierter Maßnahmen aufnehmen. Damit hätten Wohnungseigentümer und Mieter einen Anspruch auf Zustimmung für den Betrieb ihrer Balkon-PV-Anlage“.
Der FDP-Abgeordnete und Vermieter Reginald Hanke äußerte Bedenken, was die Haftung bei Unfällen mit Balkonkraftwerken betrifft. So könnten Balkongeländer beispielsweise nicht für die Windlast der Panels ausgelegt sein. Schmitz verwies in seiner Antwort auf semifleible ETFE-Module, die nur wenige Kilogramm wögen: „Die kann ich mit einem Kabelbinder festmachen, das funktioniert ausgezeichnet.“
Haftpflichtversicherung als Voraussetzung?
Nach Angaben von Ofenheusle sollten Vermieter Angaben über die Belastbarkeit der Balkone machen. Wenn ein Balkon keine ETFE-Module aushalte, „dann hält er auch nicht aus, wenn sich jemand dagegen lehnt“. Das sei auch im Baurecht so vorgeschrieben. Mit Blick auf die Haftung sagte Ofenheusle, dass die Haftpflichtpolicen einen solchen Fall „meistens beinhalten“.
Vermieter gäben bereits Leitfäden für ihre Mieter heraus und machten darin den Abschluss einer Haftpflichtversicherung zur Voraussetzung für die Installation einer Balkon-PV-Anlage. „Das ist durchaus etwas, über das man nachdenken kann, um auch da das Risiko zu minimieren“, sagte Ofenheusle.
Mini-PV-Anlagen entlasten das Stromnetz
Entwarnung gab Schmitz in der Frage, ob der Betrieb von zu vielen Balkonkraftwerken zu einer Überlastung des Stromnetzes führen könne. Dagegen sprächen gleich mehrere Gründe. Zum einen sei die Leistung der Geräte mit bis zu 600 oder künftig 800 Watt zu gering, um das Netz zu überlasten. Zum anderen würde der Strom größtenteils direkt beim Betreiber verbraucht. Dies werde noch durch den Trend zu Batteriespeichern verstärkt. Darüber hinaus fließe überschüssiger Strom nicht durch die Leitungen durch ganz Deutschland, sondern werde direkt beim Nachbarn verbraucht. Daher dienten Balkonkraftwerke eher dazu, das Stromnetz zu entlasten.
Mit Blick auf den eingespeisten Strom forderte Ofenheusle den Abbau bürokratischer Hürden, damit die Energie ebenso wie bei größeren PV-Anlagen vom Stromversorger vergütet werden könne. Mit dem Wegfall der sogenannten 70-Prozent-Regelung sei bereits ein erster Schritt auf diesem Weg erfolgt. Diese Regelung besagte, dass PV-Anlagen die Einspeisung auf 70 Prozent der Nennleistung begrenzen mussten. Bislang verlangen Netzbetreiber bei der Anmeldung von Balkonkraftwerken meist einen expliziten Verzicht auf eine Einspeisevergütung.
Schukostecker reichen in Zukunft
Ob das geplante Gesetz tatsächlich so schnell kommt, wie vom Klimaschutzministerium erwünscht, ist jedoch offen. So ist für die Änderung des Miet- und Wohnungseigentumsrechts das FDP-geführte Justizministerium zuständig. Die entsprechende Änderung bei den Wallboxen dauerte Jahre. Die damalige Gesetzesänderung umfasste jedoch noch zahlreiche andere Punkte. In diesem Fall könnte es schneller gehen.
Für die Anpassung der technischen Vorschriften sind wiederum der VDE und die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) zuständig. Der VDE schlug bereits vor, übliche Schukostecker für den Anschluss von Balkonkraftwerken zuzulassen. Bei den bislang vorgeschriebenen Wieland-Steckern liegen die Kontakte nicht offen, so dass Stromschläge verhindert werden können. Allerdings liefern moderne Wechselrichter erst dann Strom, wenn sie sich mit dem Netz synchronisiert haben. Dazu muss der Schukostecker zunächst eingesteckt werden.
Unterstützung dürfte die Regierung bei ihren Plänen von der Unionsfraktion erhalten. Die Opposition will dazu am 11. Mai 2023 einen eigenen Antrag in den Bundestag einbringen.