Mit einiger Verzögerung hat das Bundeswirtschaftsministerium nun die „Nationale Wasserstoffstrategie“ in die Ressortabstimmung gegeben. Wasserstoff soll ein zentraler Bestandteil der Dekarbonisierungsstrategie werden, heißt es in dem gut 20-seitigen Papier, das energate vorliegt. Teil dessen ist ein Aktionsprogramm, mit dem bis 2023 der Markthochlauf und Grundlagen für einen funktionierenden Heimatmarkt angestoßen werden soll. Es listet 35 Maßnahmen für die verschiedenen Sektoren, aber auch zum Thema Forschung sowie notwendigen Aktivitäten auf internationaler und EU-Ebene.

Was ist CO2-frei?

Die Gretchenfrage, nämlich was die Bundesregierung unter CO2-freien Wasserstoff versteht, beantwortet sie gleich am Beginn. Auf Dauer könne nur auf Basis von Erneuerbaren hergestellter Wasserstoff nachhaltig sein. Für den Markthochlauf der Wasserstofftechnologien werde aber „aus ökonomischen Gründen“ auch CO2-neutraler Wasserstoff eine Rolle spielen müssen. Dazu zählt die Bundesregierung solchen, bei dessen Produktion CO2 abgespalten und gespeichert wird („blau“), aber auch Varianten, die mit Pyrolyse über Erdgas gewonnen werden („türkis“).

Wärmemarkt außen vor

In der Strategie geht die Bundesregierung auch darauf ein, wo der CO2-freie Wasserstoff aus ihrer Sicht vorrangig eingesetzt werden sollte: „Viele Anwendungsbereiche, zum Beispiel im Verkehr oder in Industrieprozessen, werden sich auch langfristig nicht ausschließlich oder nur mit großem Aufwand direkt mit Strom versorgen lassen.“ Genannt werden etwa Chemieindustrie oder Raffinerien, wo sich grauer Wasserstoff ohne Anpassungen zumindest teilweise durch CO2-freien Wasserstoff ersetzen lasse. Auch „in der Luftfahrt, im Schwerlastverkehr und in der Seefahrt sind viele Routen und Anwendungen nicht rein direkt-elektrisch darstellbar“. Der Wärmemarkt spielt dagegen in dem Papier eine eher untergeordnete Rolle. Die Bundesregierung will diesen lediglich „fest im Blick behalten“.

E-Farm von GPJoule in Ostfriesland Statt den Windstrom nach Bayern weiterzuleiten, wandeln Landwirte in Nordfriesland ihn lieber im Windpark in Flüssig-Wasserstoff um und nutzen diesen als Treibstoff für ihre Autos und Busse. Energiewende

Neue Elektrolyseure

Um das Ziel von 20 Prozent CO2-freiem Wasserstoff bis 2030 zu erreichen, sollen aus Sicht der Bundesregierung Elektrolyseure im Umfang von mindestens 3.000 MW, besser aber 5.000 MW entstehen. Sie kündigt dazu eine Förderung für Industrieelektrolyseure an. Für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien sei eine starke inländische Wasserstoffproduktion und Wasserstoffverwendung – ein „Heimatmarkt“ – unverzichtbar, heißt es in der Strategie. Auch die erneuerbaren Energien sollen für die Wasserstoffproduktion wachsen. Die Offshore-Industrie könne hier einen besonderen Beitrag leisten, etwa über Flächen, die speziell für die Produktion von Wasserstoff auf See ausgewiesen werden. Mittel- und langfristig werde Deutschland Wasserstoff allerdings „in größeren Mengen importieren müssen“. Ein Teil der Strategie widmet sich daher dem Aufbau von internationalen Partnerschaften. Dabei hat die Bundesregierung auch die Exportchancen deutscher Technologieanbieter im Blick.

Regulatorischer Rahmen

Beim Thema Infrastruktur verweist das Papier auf die bestehenden Gasnetze, die perspektivisch auch für Wasserstoff genutzt werden sollen, zudem könnten Netze zum ausschließlichen Transport von Wasserstoff entstehen. Dazu will die Bundesregierung den regulatorischen Rahmen für die Gasinfrastruktur auf „Anpassungsbedarf“ überprüfen und weiterentwickeln. Vertreter der Gasbranche werben schon lange für eine eigene Regulierung für Wasserstoff. Dieser müsse als Energiegas grundsätzlich Teil der energiepolitischen Gesetzgebung werden, forderte etwa DVGW-Geschäftsführer Gerald Linke im Interview mit energate.

Auch die Verzahnung von Strom-, Wärme- und Gasinfrastrukturen will die Bundesregierung vorantreiben. „Es gilt die Planung und Finanzierung sowie den regulatorischen Rahmen so zu gestalten, dass die verschiedenen Infrastrukturen koordiniert, energiewendetauglich, bedarfsgerecht und kosteneffizient weiterentwickelt werden“, heißt es in der Strategie. Beim Thema Unbundling findet sich keine klare Aussage in dem Papier. Kooperationsmodelle von Betreibern von Elektrolyseuren mit Strom- und Gasnetzbetreibern will die Bundesregierung in zwei Modellprojekten testen. Dafür werde der Änderungsbedarf des regulatorischen Rahmens geprüft.

Energiepreisabgaben im Blick

Angehen will die Bundesregierung auch das Thema Abgaben und Umlagen auf den Energiepreisen, die als ein Hemmnis für den Hochlauf von Power-to-X-Anwendungen gelten. Über die im Klimapaket beschlossenen Maßnahmen hinaus, will sie noch im laufenden Jahr weitere Reformen der staatlich induzierten Preisbestandteile prüfen.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Für die Umsetzung der Strategie sieht das Papier einige neue politische Gremien vor. Dazu zählt ein Ausschuss der Staatssekretäre aus den relevanten Ministerien, der Wasserstoff-Aktivitäten begleiten soll. Dieser Ausschuss soll noch im laufenden Jahr ein weiteres Beratungsgremium, den „Nationalen Wasserstoffrat“ einberufen, der mit externen Experten besetzt wird. Eine Nationale Geschäftsstelle Wasserstoff wird den Rat unterstützen. Auch die Bundesländer sollen regelmäßig eingebunden werden.

Wann die Bundesregierung die Strategie verabschieden wird, ist noch unklar. Der Leiter der Energieabteilung im Bundeswirtschaftsministerium, Thorsten Herdan, hatte kürzlich betont, dass einige Bundesministerien ein großes Interesse am Thema Wasserstoff entwickelt hätten. Die Abstimmung könnte also dauern.

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