Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt „Gearform“ am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (Iwu) in Chemnitz zielte da rauf ab, die Effizienz und Langlebigkeit von Zahnrädern durch ein neues Warmwalzverfahren zu steigern. Im Interview gibt Mike Lahl aus der Abteilung Massivumformung/Präzisionsverfahren Einblicke in die technologischen Vorteile dieser Methode, die speziell für die anspruchsvollen Bedingungen in Offshore-Windkraftanlagen von großer Bedeutung sind.

Zahnrad-Rekord
Mit einem Durchmesser von 500 Millimetern und einem Modul (Zahngröße) von 9,5 Millimetern ist das für das Projekt Gearform gefertigte Zahnrad das größte bisher umformtechnisch hergestellte Bauteil dieser Art. 

Herr Lahl, was passierte in dem Projekt Gearform?

Im Projekt Gearform ging es uns darum zu zeigen, dass es möglich und sinnvoll ist, großmodulige Zahnräder durch einen Fertigungsprozess der Warmmassivumformung herzustellen. Gemeinsam mit den Partnern EMA-TEC, Härterei Reese, Dreiling Maschinenbau und Flender haben wir eine Warmwalzanlage entwickelt und gebaut, mit der wir Großverzahnungen walzen können. Im Prozess ging es darum, eine Walzvorform auf 1.200 Grad zu erwärmen und die Verzahnung unter rotatorischer Bewegung in das Bauteil einzubringen. Gearform ist inzwischen abgeschlossen und wir haben den Machbarkeitsnachweis erbracht: Mit einem Durchmesser von 500 Millimetern und einer Zahngröße (Modul) von 9,5 Millimetern konnten wir das größte bisher umformtechnisch hergestellte Zahnrad realisieren. Die Projekteergebnisse zeigen, dass wir auch noch größere Module umsetzen könnten.

Welchen Vorteil hat das Warmwalzverfahren gegenüber dem bislang eingesetzten Wälzfräsen, auch mit Blick auf Betrieb und Wartung der Offshore-Anlagen?

Der erste Vorteil ist die Volumenkonstanz. Da beim Warmwalzen keine Späne entstehen, lassen sich immerhin 20 Prozent Material einsparen. Noch beeindruckender ist die Zeitersparnis: Sechseinhalb Minuten dauert der Walzprozess, etwa 60 Minuten würde das Wälzfräsen in Anspruch nehmen. Auf die Langlebigkeit eines Zahnrads wirkt sich das Warmwalzen besonders positiv aus. Beim Umformen wird der Faserverlauf des Materials nicht getrennt, sondern lediglich an die geometrische Außenkontur angepasst. Dabei geht es um eine Verdichtung des im Material enthaltenen Kristallgitters. Die plastische Verformung als Folge des Warmwalzprozesses bewirkt zudem eine deutlich höhere Versetzungsdichte im Kristallgitter des Metalls, wodurch dessen Festigkeit und Härte gesteigert werden.

Runde Sache
Für das Projekt Gearform fertigten die Projektpartner in Chemnitz eigens eine Warmwalzanlage. Fotos: Fraunhofer IWU
Runde Sache
Für das Projekt Gearform fertigten die Projektpartner in Chemnitz eigens eine Warmwalzanlage. Fotos: Fraunhofer IWU

Das klingt schon einmal gut.

Gleichzeitig führt eine Kornfeinung zu mehr Zähigkeit des Materials. Dadurch werden Festigkeit und Härte des Bauteils erhöht, sowohl am Zahnfuß als auch an der Zahnflanke. Deren Tragfähigkeit steigt, was besonders im Kontaktbereich mit anderen Zahnrädern wichtig ist. Höhere Festigkeiten sind übrigens grundsätzlich ein Vorteil von massivumgeformten Bauteilen. Gerade in für Wartungsarbeiten schwer zugänglichen Anlagen kann eine längere Lebensdauer der Bauteile die Wirtschaftlichkeit für den Betreiber deutlich verbessern.

Inwiefern?

Denken Sie an Offshore-Windkraftanlagen: Zahnradschäden dort zu beheben, ist sehr teuer. Stehen die Anlagen wegen defekter Getriebe still, ist eine Reparatur oft nur unter Einsatz von Spezialkränen möglich – hoher Wellengang, kräftige Winde und schlechte Sichtverhältnisse können Einsatzteams behindern und die Stillstandszeiten weiter verlängern. Und auch aus Konstruktionssicht spricht viel für das Warmwalzverfahren zur Herstellung von Zahnrädern. Diese können bei gleicher Dimensionierung größere Drehmomente (Belastungen) aushalten – oder für eine vergleichbare Belastbarkeit kleiner ausgelegt werden. Weniger Gewicht beziehungsweise Masse kann wiederum ein erheblicher Kostenvorteil sein.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Welche Hersteller aus der Windbranche waren an dem Projekt beteiligt?

Moventas – jetzt Flender – war einer unserer Projektpartner. Uns ging es darum, die komplette Prozesskette ausgehend vom Warmwalzprozess über die Wärmebehandlung und final zur Hartfeinbearbeitung umzusetzen und darüber hinaus möglichst viel Prozesswissen aufzubauen, das weitere Rückschlüsse zulässt, insbesondere zum Potenzial des Verfahrens, seiner Wirtschaftlich- und Skalierbarkeit.

Was sind die nächsten Schritte?

Nachdem der Machbarkeitsnachweis erbracht ist, ist es unser Ziel, in einem Nachfolgeprojekt Zahnräder mit verschiedenen Durchmessern und Modulen herzustellen, um den festigkeitssteigernden Effekt von massivumgeformten Bauteilen exakt zu quantifizieren. So könnten wir Windenergieanlagenherstellern noch bessere Konstruktions- bzw. Berechnungsgrundlagen zur Verfügung stellen.

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