Es ist ein Szenario, das nach Science-Fiction klingt, aber bald Wirklichkeit werden könnte: 36.000 Kilometer über der Erde schweben riesige, Quadratkilometer große Satelliten. Sie sind bestückt mit Solarmodulen, die Sonnenlicht einfangen und daraus elektrische Energie erzeugen. Diese wird in Mikrowellen gewandelt und dann zur Erde geschickt. Dort werden die Mikrowellen wieder zurück in Strom gewandelt und ins Netz gespeist.

Weltraumgestützte Solarenergie oder Space-based Solar Power (SBSP) soll das Energieproblem auf der Erde lösen. Verschiedene Initiativen arbeiten daran, auch die Europäische Raumfahrtagentur (European Space Agency, Esa). Dass es funktioniert, hat kürzlich das California Institute of Technology (Caltech) in einem Experiment gezeigt. Zum ersten Mal gelang es, Energie an Empfänger im Weltraum zu übertragen – und diese Energie aus dem All auf die Erde zu bringen, wie Caltech vergangene Woche mitteilte.

Der Vorteil von SBSP ist klar: Photovoltaikanlagen auf der Erde arbeiten nur am Tag und wenn die Sonne scheint, Windkrafträder stehen bei Flaute still. Ein Solarkraftwerk im geostationären Orbit hingegen, das also stets am selben Punkt über der Erde steht, könnte unabhängig von der Tageszeit und dem Wetter Energie liefern. Jederzeit und überall.

Das Konzept ist Jahrzehnte alt

Die Idee ist nicht neu: In der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre wurde das Konzept erstmals untersucht. Technisch sei es machbar, sagt Sanjay Vijendran, Leiter des Esa-Projekts Solaris 2. Allerdings sei die Größe der Satelliten eine Herausforderung: Um mit einem Kraftwerk auf der Erde zu konkurrieren, müsse ein Kraftwerk im All mehrere Hunderte Megawatt bis einige Gigawatt an Strom liefern.

Bei Solarenergie ist man durch die Energiemenge begrenzt, die die Sonne bietet“, sagt Vijendran. Das sind knapp 1,4 Kilowatt pro Quadratmeter. „Wenn man also Gigawatt braucht, dann braucht man Quadratkilometer an Sonnenkollektorfläche.“ Allerdings sei so ein Satellit kein komplexes Gebilde wie die Internationale Raumstation (International Space Station, ISS), die aus individuell angefertigten Modulen bestehe, sondern ein modulares, aus massenhaft produzierten Komponenten aufgebautes System.

Bisher wurde eine Umsetzung aus Kostengründen verworfen: Produktion und Transport waren zu teuer, die Sonnenkollektoren hätten von Astronauten montiert werden müssen. Über die Jahrzehnte wurde das Konzept immer mal wieder geprüft.

ESA hinkt hinterher

Aber nun hätten sich die Bedingungen geändert, sagt Vijendran: Die Kosten für Transporte in den Weltraum seien durch Raumfahrtunternehmen wie SpaceX stark gefallen. Weltraum-Hardware wie Satelliten werde inzwischen industriell gefertigt, und es seien Roboter denkbar, welche die riesigen Anlagen im All montieren könnten. „All diese Faktoren sind in den letzten paar Jahren zusammengekommen.“

Montage von Solarmodulen auf einem Hausdach Über die Plattform Selfmade Energy können Hausbesitzer ermitteln, wie viel Sonnenstrom sie mit PV-Modulen gewinnen können - und was die Anlage kostet. Solarenergie

Hinzu kommt, dass der fortschreitende Klimawandel neue Möglichkeiten für die Energieversorgung erforderlich macht. Entsprechend wird auf der ganzen Welt daran geforscht. Die Esa ist etwas hinterher, wie Vijendran zugibt: Sein Team erforscht mit einem überschaubaren Budget die Machbarkeit. In zwei Jahren soll eine Entscheidung fallen, ob die Europäer das Ergebnis praktisch umsetzen wollen.

Falls eine positive Entscheidung fällt, könnte die Esa laut Vijendran 2030 einen Demonstrator ins All schießen. Kommerziell nutzbar sein könnte die Technik zehn Jahre später.

Andere sind da schon weiter.

Sehr erfolgreiches Experiment bei Caltech

Das US-Militär etwa demonstrierte im vergangenen Jahr als Vorbereitung für SBSP eine Stromübertragung per Mikrowelle über eine Meile auf der Erde. Dabei geht es aber nicht darum, Strom ins Netz einzuspeisen. Das US-Verteidigungsministerium will Truppen im Einsatz versorgen, um sie von der Treibstoffversorgung vor Ort unabhängig zu machen.

Im zivilen Bereich ist Caltech mit der Forschung an SBSP offenbar weit vorne: Anfang des Jahres schoss das California Institute Of Technology einen Satelliten ins All, um mehrere wichtige Komponenten zu testen. Am vergangenen Donnerstag (1. Juni) verkündete Caltech dann erstmals eine erfolgreiche Energieübertragung.

Die Experimente hätten bestätigt, dass Maple erfolgreich Energie an Empfänger im Weltraum übertragen könne, sagte Forschungsleiter Ali Hajimiri. Und: „Wir waren auch in der Lage, das Array so zu programmieren, dass es seine Energie auf die Erde richtet“. Maple steht für Microwave Array for Power-transfer Low-orbit Experiment und besteht aus einem Array von flexiblen, leichten Mikrowellen-Energiesendern. Damit soll die Energie gezielt an einen bestimmten Punkt gesendet werden.

„Soweit wir wissen, hat noch niemand eine drahtlose Energieübertragung im Weltraum demonstriert, auch nicht mit teuren, starren Strukturen. Wir machen das mit flexiblen Leichtbaustrukturen und mit unseren eigenen integrierten Schaltungen. Das ist ein Novum“, sagte Hajimiri. Um zu zeigen, dass die Übertragung klappt, wurden LEDs genutzt. Sie wurden mit der Energie aus dem All zum Leuchten gebracht und die Forscher konnten auch zwischen ihnen hin- und herschalten.

Auch in China wird viel an SBSP geforscht, es wurde 2008 gar zur Schlüsseltechnologie erhoben. Im vergangenen Jahr wurde an der Xidian-Universität in Xi’an ein Empfänger gebaut: Es ist ein 75 Meter hoher Stahlturm, an dem vier Antennen aufgehängt sind. Bis 2025 soll ein Demonstrator ins All geschossen werden, bis zum Ende des Jahrzehnts ein Kraftwerk im Megawattbereich.

Jaxa kündigt einen Prototyp für 2025 an

Daneben arbeiten Südkorea, Großbritannien und Japan an dieser Technik. Die japanische Raumfahrtbehörde (Japan Aerospace Exploration Agency, Jaxa) kündigte kürzlich an, dass ein von ihr geführtes Konsortium 2025 ein Testsystem in den Orbit bringen wolle.

Ein K.-o.-Kriterium, warum SBSP nicht funktionieren sollten, sieht Vijendran nicht. Nicht einmal Probleme mit Reflexionen, wie sie etwa die Satelliten der Starlink-Konstellation verursachen, werde es mit den SBSP-Satelliten geben, sagt er. Ein solcher Satellit sei zwar sehr groß, aber viel weiter von der Erde entfernt. „Selbst wenn er also sein eigenes Licht ausstrahlen würde, würde er im schlimmsten Fall nur wie ein winziger Stern erscheinen.“

Konstruktionsbedingt sollte er aber gar kein Licht reflektieren. „Er ist dazu gedacht, Sonnenlicht zu absorbieren und in unsichtbare elektromagnetische Strahlung umzuwandeln“, sagt Vijendran. „Er wird kein Licht zur Erde reflektieren. Der Sinn der Sache ist ja, das Licht einzufangen. Er wird also dunkel sein.“

Allerdings gebe es noch eine Reihe von Problemen, die gelöst werden müssten – technische, aber auch wirtschaftliche, politische und soziale.

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1 Kommentar

  1. Detlev N.

    Auf einer geostationären Umlaufbahn gibt es natürlich auch Tag und Nacht.
    Für eine dauerhafte Sichtverbindung zu den 3 möglichen Librationspunkten müsste man nur die Erdrotation abschalten.

    Antworten

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