Auswertung von Klimadaten

„Es ist ja unbestritten, dass das Wetter variabel ist. Nachts scheint keine Sonne, wir haben Situationen mit viel und mit wenig Wind“, sagt Fundels Kollege Frank Kaspar aus dem Geschäftsbereich Klima und Umwelt. Aber Dunkelflaute? Tatsächlich gibt es keine klare Definition im Sinne von Schwellenwerten für Windgeschwindigkeit oder Strahlungsmenge, ab denen die Situation kritisch wird.

„Dann wäre es ja einfach: Wir müssten nur auszählen, wie oft das eigentlich vorkommt“, sagt Kaspar. „Ich werde oft das gefragt: Wie oft passiert das denn? Weil es aber keine klare Definition gibt, ab wann es kritisch ist, ist es auch relativ sinnlos, die Angabe einer Anzahl zu ermitteln.“

Der DWD beobachtet seit vielen Jahrzehnten das Wetter und kann mit diesen Daten nun auch diesem Phänomen auf den Grund gehen: Satelliten liefern flächendeckende Daten für die bodennahe Strahlung. Beim Wind ist die Datensammlung komplizierter. Das liege auch daran, dass das Messnetz des DWD nicht unbedingt dafür ausgelegt gewesen sei, erzählt Kaspar: Die Masten seien unregelmäßig verteilt und meist nur zehn Meter hoch. Die Naben der Windräder befinden sich jedoch in rund 100 Metern Höhe, wo ganz andere Windverhältnisse herrschen als in Bodennähe.

Es gibt Daten aus mehreren Jahrzehnten

Mit Hilfe numerischer Wettervorhersagemodelle, in die die Beobachtungsdaten eingespeist worden seien, sei es aber möglich gewesen, die Windgeschwindigkeiten in 100 Meter Höhe für mehrere Jahrzehnte nachzuberechnen. „Inzwischen haben wir also Datensätze, die für beide Parameter den Wetterverlauf der letzten Jahrzehnte in guter Qualität realitätsnah abbilden“, sagt der Forscher.

Die Auswertung in der Fachzeitschrift Advances in Science and Research ergab, dass sich – unter der Annahme einer gleichmäßigen Anlagenverteilung – Sonnen- und Windenergie über das Jahr die Waage halten: Im Winter steht durchschnittlich mehr Wind zur Verfügung, im Sommer mehr Solarstrom. Beide Energieformen ergänzen sich im durchschnittlichen Jahresverlauf also gut.

Solaranlage im Winter 
Wenn Schnee auf den Solarpanelen liegt, können diese keinen Strom produzieren. Sind sie freigeräumt, reicht auch diffuses Licht durchaus zur Stromproduktion - in geringerem Umfang. Die Erträge sinken deshalb im Winter deutlich. Foto:Ecoflow
Solaranlage im Winter
Wenn Schnee auf den Solarpanelen liegt, können diese keinen Strom produzieren. Sind sie freigeräumt, reicht auch diffuses Licht durchaus zur Stromproduktion – in geringerem Umfang. Die Erträge sinken deshalb im Winter deutlich. Foto:Ecoflow

Das gilt für Deutschland und auch für ganz Europa. Wetterlagen mit wenig Wind und wenig Sonne kommen zweifellos vor. Die wichtige Frage ist, ob daraus ein Problem entsteht.

Kritische Wetterlagen seien in Deutschland eher im Winter zu erwarten, oft in Verbindung mit einem Hochdruckgebiet über Mitteleuropa, heißt es in einer Studie des DWD und der Goethe-Universität in Frankfurt im Fachmagazin Renewable Energy. Während dieses Wetterregimes sei das Potenzial an Erneuerbaren Energien allerdings in anderen Regionen im Norden und Südosten Europas überdurchschnittlich hoch, so dass Engpässe in Deutschland wohl ausgeglichen werden könnten. Standen in Deutschland die Windräder still, wehte es beispielsweise in Skandinavien ganz ordentlich.

Doch was, wenn das nicht der Fall ist?

Keine Stromausfälle wegen „Dunkelflaute

Windkraftanlagen (an Land und auf See) lieferten im vergangenen Jahr 25,1 Prozent der Nettostromerzeugung, Solarmodule 10,7 Prozent. Insgesamt lag der Anteil aller erneuerbaren Energien an der Nettostromerzeugung bei 49,6 Prozent. Und der Anteil wird steigen: Die Ampelkoalition will den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben.

„Wenn man zurückschaut auf die letzten Jahre, ist das Ergebnis eindeutig“, sagt Kaspar: „Es gab keine Stromausfälle wegen einer sogenannten Dunkelflaute. Das heißt, man muss das immer im Kontext betrachten, wie das aktuelle Energiesystem eigentlich aussieht.“

Die Frage ist also eher: Wo kommt in einer solchen Situation der Strom her? Bislang sorgten Gaskraftwerke dafür, die relativ schnell hochgefahren werden können. Dieser Engpass muss also anders ausgeglichen werden.

Das Netz muss ausgebaut werden

Dafür müssen in erster Linie die Netze ausgebaut und digitalisiert werden. Zudem müssen Speichersysteme eingerichtet werden, die Strom bereitstellen können, wenn zur Nacht über allen Gipfeln Ruh‘ ist. Schließlich kann es helfen, Erzeuger auszubauen, die nicht vom Wetter abhängig sind, wie Wasserkraft oder Geothermie. Da gibt es sicher noch viel Handlungsbedarf, aber ein Blackout aufgrund eines meteorologischen Phänomens ist eher unwahrscheinlich.

Und die Dunkelflaute?

„Manchmal werden in der Diskussion Dinge zugespitzt“, sagt Kaspar. „Ich hatte schon relativ frühzeitig den Eindruck, dass das Wort Dunkelflaute ein Versuch ist, ein scheinbares Problem sehr plakativ zu benennen.“

Artikel teilen

1 Kommentar

  1. Kai Neumann

    Sehr wichtiger Artikel, um gegen falsche Meme vorzugehen. Was gerade noch im Kontext von Mobilität fehlt sind die Hinweise, dass gerade E-Autos zur Lastverteilung eine große Rolle spielen werden und dass grüner Wasserstoff zur Rückverstromung bei Dunkelflaute etwaig in angepassten Gaskraftwerken eingesetzt werden kann und genau deshalb weder direkt noch als synthetischer Kraftstoff in Autos oder LKWs gehört: https://www.imodeler.de/a/ConsideoPaper-BEM-Dt.pdf

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert