Photovoltaik und Windkraft alleine können die Energiewende nicht stemmen. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie „Zukunft des deutschen Strommarktes“ von der Beratungsgesellschaft e-Eventure aus Berlin. Demnach können die Erneuerbaren Energien nach heutigem Stand auch bei einer bilanziellen Bedarfsdeckung in etwa 40 Prozent der Stunden keine sichere Stromversorgung gewährleisten. Ein Ausbau über diesen Punkt hinaus sei aber nicht sinnvoll, sagen die Autoren. Stattdessen rechne es sich volkswirtschaftlich mehr, in Flexibilitäten zu investieren.

Dabei geht die Analyse ohnehin schon von einem gewissen Grad an Flexibilisierung aus. 50 Prozent der Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen könnten um bis zu fünf Stunden verschoben werden, so eine Annahme. Eine weitere: 60 Prozent der Wärmepumpen könnten ihren Stromverbrauch um bis zu zwölf Stunden verschieben. Die Kapazität der Pumpspeicher bleibt mit nahezu 66 Millionen Kilowattstunden (kWh) annähernd gleich, die der Batteriespeicher steigt auf 200 Millionen kWh.

Das Elektroauto muss warten
Um Stromengpässe im Netz zu vermeiden, schlagen die Experten von Eventure vor, die Ladevorgänge stärker mit der Netzauslastung zu koordinieren und die Stromzufuhr notfalls zu drosseln. Foto: Mennekes
Das Elektroauto muss warten
Um Stromengpässe im Netz zu vermeiden, schlagen die Experten von Eventure vor, die Ladevorgänge stärker mit der Netzauslastung zu koordinieren und die Stromzufuhr notfalls zu drosseln. Foto: Mennekes

Zudem gehen die Berater von einer installierten Elektrolysekapazität von 70.000 MW aus. Des Weiteren liegen den Berechnungen abschaltbare Lasten mit einer Kapazität von 13.000 MW und Stromimporte von 25.000 MW zugrunde, mit denen Spitzen bei der Defizitlast gekappt werden können.

Nach Ansicht der Berater sind auch gängige Prognosen zu Stromimporten zu optimistisch – ihre eigene fällt entsprechend geringer aus. Das Argument: Die wichtigsten Importmärkte stehen ebenfalls vor einem Umbau in Richtung Erneuerbare Energien und werden daher ähnliche Lastprofile in der Erzeugung aufweisen, können also in Zukunft deutlich weniger beisteuern.

3.600 Stunden im Jahr zu wenig Strom

Doch auch unter Berücksichtigung dieser Annahmen werde es in 3.600 Stunden des Jahres zu einem Defizit kommen mit einer Gesamtmenge von 140 Milliarden kWh und einer Spitzenlast von 75.000 Megawatt (MW). Zum Vergleich: Ein normales Jahr hat 8.760 Stunden, in 41 Prozent aller Stunden träte so ein Defizit auf. Die Lücke von 140 Milliarden kWh müssten nach heutigem Stand der Technik flexible Gaskraftwerke decken, so die Ansicht der Berater. Nötig wären 75.000 MW an Kraftwerksleistung, die Kraftwerke kämen auf über 1.800 Betriebsstunden pro Jahr. Auf der anderen Seite würden in 1.600 Stunden des Jahres Solar- und Windkraftanlagen abgeregelt.

Heizen nur, wenn der Wind weht
Wärmepumpen sind große Stromverbraucher. Um das Netz zu entlasten, schlägt die Studie vor, 60 Prozent der elektrischen Heizsysteme mit bis zu zwölf Stunden Verspätung laufen zu lassen. Foto: Rotex
Heizen nur, wenn der Wind weht
Wärmepumpen sind große Stromverbraucher. Um das Netz zu entlasten, schlägt die Studie vor, 60 Prozent der elektrischen Heizsysteme mit bis zu zwölf Stunden Verspätung laufen zu lassen. Foto: Rotex

Ein Zubau der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten über den bilanziellen Bedarf hinaus sei jedoch keine Lösung, so die Autoren der Studie weiter. Selbst wenn man die Erzeugungskapazität um 50 Prozent erhöhe, reduziere sich die Anzahl der Defizitstunden lediglich auf 3.300 (38 Prozent) und die Strommenge um 95 Milliarden kWh. Auch die Anzahl der benötigten Erzeugungskapazitäten würde sich nicht nennenswert reduzieren, allerdings sinke ihr Einsatz auf ein Drittel, also 600 Betriebsstunden im Jahr.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Volkswirtschaftlich sinnvoller sei es, in flexible Kapazitäten, Langfristspeicher und die Flexibilisierung der Stromverbräuche zu investieren.

Engpassstunden werden teurer

In Zeiten von Engpässen werde der Preis über das heutige Niveau steigen, prognostizieren die Spezialisten von Eventure in ihrer Studie. 2022 kostete Strom in den 400 teuersten Stunden des Jahres durchschnittlich 606 Euro pro Megawattstunde. Das hohe Preisniveau sei aber durchaus sinnvoll, weil es innerhalb des Energy-only-Marktes Anreize für den Bau von Gaskraftwerken setze. Eingriffe in den Markt wie Preisdeckel oder das Aussetzen des Handels wirkten hier kontraproduktiv. Ohnehin steige durch die hohe Volatilität das Finanzierungsrisiko, die Investitionsbereitschaft dürfte entsprechend sinken. Um die notwendigen Investitionen dennoch anzureizen, empfehlen die Autoren, flexible Kapazitäten zu auktionieren und Prämien für die Investoren zu bezahlen, die die geringsten Zuschüsse einfordern.

Zieljahr der Analyse ist das Jahr 2040. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 den Strombedarf eines Jahres bilanziell aus Erneuerbaren Energien zu decken und bis spätestens 2038 das Stromsystem komplett zu dekarbonisieren.

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5 Kommentare

  1. Kai Neumann

    Da werden FDP Meme durch den Newsletter getrieben. Ineffizient Wasserstoff in Autos, Bahn und LKWs packen zu wollen schreibt der eine Beitrag, aber dann für Dunkelflauten keine Lösung zu haben der andere. Einzig richtig ist der Hinweis, dass Europa als Kupferplatte nur begrenzt Strom verteilen kann und dass erneuerbare Energien (wie Kernkraft auch) nicht nur die Kosten der laufenden Erzeugung bedeuten, sondern auch die der Pufferspeicher, Leitungen und zwangsläufig nicht ausgelasteten Elektrolyseure. Es gibt diverse Studien von Fraunhofer bis Consideo, die das für die Ministerien der Regierung ausgerechnet haben – es ginge, wenn wir Tempo beim Ausbau machten.

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    • Hans-Jürgen Gebker

      Genau das. Danke für den Kommentar. Der eine Artikel schürt Reichweitenangst (die keine Elektrofahrer hat), propagiert grünen Wasserstoff (den es auf absehbare Zeit nicht geben wird), dieser Artikel stellt die Erneuerbaren schwer in Frage (Überkapazitäten können nicht schädlich sein). In welche Richtung driftet Edison hier gerade ab?

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      • Franz W. Rother

        Wir driften nicht ab, lassen aber auch Experten mit anderen Ansichten zu Worte kommen. In dem Fall stellen wir eine Studie, die zumindest kritische Fragen stellt.

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  2. Stöbich

    Ganz koscher kommen mir die von e-Eventure aber nicht vor. Warum nicht Überkapazitäten schaffen und bei Zuviel Strom zBp. Wasserstoff produzieren, den die Industrie in grossen Mengen brauchen wird ?

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