Mehr als 1,6 Millionen Photovoltaik (PV)-Anlagen mit einer Nennleistung von 43 Gigawatt (GW) speisen aktuell in die deutschen Netze ein. Manche befinden sich auf Hausdächern, für manche wurden Solarparks aufgebaut. Aufgebaut wurden sie ersten Anlagen kurz nach der Jahrhundertwende. Ab dem kommenden Jahr müssen sich nun jedoch zahlreiche Besitzer auf die Suche nach neuen Einnahmequellen machen. Denn nach 20 Jahren fallen die Installationen der ersten Stunde aus der EEG-Förderung. Das bedeutet: Der Netzbetreiber muss den aus der Sonne gewonnen Strom nicht länger abnehmen – und der PV-Anlagen-Besitzer muss sich selber um einen Abnehmer kümmern und in die Direktvermarktung einsteigen. Vor allem für Besitzer von Kleinanlagen kann das ein steiniger und finanziell ernüchternder Weg sein.
Die einfachste – wenn auch wenig lukrative Lösung – ist der Eigenverbrauch. Gewinne werden dann mit der PV-Anlage zwar nicht mehr erzielt. Aber der teure Strombezug kann damit wenigstens verringert und die Unabhängigkeit vom Netzbetreiber erhöht werden. Dafür ist ein Zweirichtungszähler notwendig, der den Strom misst, der aus dem Netz und von der PV-Anlage kommt und den herkömmlichen Bezugszähler ersetzt. Bei einer wirtschaftlich abgeschriebenen Anlage fallen dann allerdings lediglich Ausgaben für den Anlagenbetrieb wie Wartung, Reparaturen oder Reinigung an.
Heimspeicher und Elektroauto im Paket
Soll möglichst der komplette Strom vom Dach genutzt werden, benötigt der Hausbesitzer einen Stromspeicher. Die werden immer günstiger, da die Preise für die Lithium-Ionen-Zellen auch aufgrund des wachsenden Bedarfs in der Autoindustrie in den vergangenen Jahren rapide gesunken sind. Die Kosten für einen kleinen Speicher mit sechs Kilowattstunden nutzbarer Speicherkapazität inklusive Leistungselektronik liegen aktuell zwischen 900 und 1.900 Euro pro Kilowattstunde (kWh) und werden von zahlreichen Bundesländern gefördert. Laut einer Studie der Bank of America sollen die Kosten für Speicher noch auf bis auf auf unter 250 Dollar je kWh im Jahr 2025 fallen.
Interessant ist die Eigennutzung des Stroms und die Speicherlösung vor allem für Besitzer von Elektroautos. Oder solche, die es werden wollen: Einige Anbieter haben nicht nur Stromspeicher im Angebot. Sonnen bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, Elektroautos im Rahmen eines Abos preisgünstig zu testen.
Aber es gibt noch andere Möglichkeiten.
Damit auch kleine PV-Anlagen über 2021 hinaus betrieben werden, hat die Große Koalition jetzt in einer EEG-Novelle – die allerdings noch verabschiedet werden muss – sie von der staatlichen Umlage befreit. Danach sind Solaranlagen mit einer Spitzenleistung unter 30 Kilowatt (kWp), die ab dem kommenden Jahr aus der Förderung fallen, von der EEG-Umlage befreit. Das war allerdings kein großer Wurf.: Die europäische Erneuerbaren-Richtlinie sieht dies bereits vor und es hätte bis Mitte 2021 ohnehin in deutsches Recht überführt werden müssen.
Für alle anderen PV-Analgen gilt die ermäßigte EEG-Umlage von etwa drei Cent pro Kilowattstunde (kWh). Laut der jetzigen Vereinbarung soll zudem bei den Ausschreibungen für die Dachanlage die Grenze bei 750 kWp liegen und Betreiber von bestehenden PV-Anlagen mit einer Leistung von bis sieben kW vom Zwangseinbau intelligenter Messsysteme verschont bleiben.
Anteil der Erneuerbaren wächst
Die Hoffnung der Bundesregierung ist, den Anteil von Ökostrom zu erhöhen, der bis 2030 auf 65 Prozent steigen soll. In diesem Jahr deckten regenerative Energien aus Wind und Sonne bereits etwa 46 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland ab. Das geht aus vorläufigen Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hervor. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist der Anteil damit um fast vier Prozentpunkte gestiegen. Allerdings hängt dies auch mit der Corona-Krise zusammen, die im Frühjahr den Stromverbrauch senkte.
Für Karsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), reichen die politischen Nachbesserungen nicht. Er kritisiert die Einigung als Sammlung „klimapolitisch vollkommen unzureichender und unausgegorener Formelkompromisse“. Eine große Marktbremse ist für Körnig, dass Solardächer ab einer Leistungsklasse von 300 kWp nur noch dann eine Marktprämie für jede ins öffentliche Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde Solarstrom erhalten, wenn diese zuvor erfolgreich an einer Auktion teilgenommen haben.
Zwar solle es für Betreiber bis zu einer Leistungsobergrenze von 750 kWp nun die Alternative geben, maximal 50 Prozent der Sonnenstromernte ohne Auktionsteilnahme vergütet zu bekommen. Für viele Betreiber mit geringen Stromverbräuchen käme dies aber einer Halbierung der Förderung gleich, so der BSW-Chef. Er fordert den Bundestag auf, den Gesetzesentwurf dringend nachzubessern, um erheblichen Schaden von der Solarwirtschaft abzuwenden.
„Sollten Nachbesserungen am Gesetzesentwurf ausbleiben, so werden nach EuPD-Prognosen bis zum Jahr 2030 3,37 Gigawatt Solarleistung vorzeitig stillgelegt“, so Körnig. Damit verbunden wäre ein Produktionsausfall von rund 26 Milliarden kWh Solarstrom, was einem Jahresstromverbrauch von rund zehn Millionen Durchschnittshaushalten entspreche. Kritik kommt auch vom Hamburger Ökostromanbieter LichtBlick. Ralf Schmidt Pleschka, Koordinator Energie- und Klimapolitik, kritisiert die EEG-Novelle als energiepolitischen Abgesang der Koalition. „Der Reform fehlen Vision und Mut. Was bleibt, ist ein Bürokratiemonster ohne Durchschlagskraft.“ Er beklagt, dass geförderter Ökostrom weiterhin nicht direkt an Endkunden verkauft werden darf und Maßnahmen, die den förderfreien Ausbau von Solaranlagen in Schwung bringen, fehlen. Die Hanseaten setzen sich dafür ein, den Ausbau der erneuerbaren Energie künftig aus den CO2-Einnahmen des Bundes zu finanzieren.
Was sind Power Purchase Agreements?
Eine Alternative zu der staatlichen Förderung sind Power Purchase Agreements – kurz PPA-Verträge. Sie gelten zurzeit als die vielversprechendste Lösung und sind bereits ein wirtschaftlich attraktives Geschäftsfeld als Alternative zur EEG-Umlage, da immer mehr Unternehmen auf diese Weise ihren grünen Fußabdruck verbessern. So hat Bosch hat gerade mit Vattenfall einen „grünes PPA“ abgeschlossen, über den der Autozulieferer aus Stuttgart zehn Megawatt (MW) aus dem Solarpark „Kogel-Leizen“ in Mecklenburg Vorpommern für zwölf Jahre bezieht. „Große Freiflächen-Photovoltaik lässt sich heutzutage ohne staatliche Förderung bauen und finanzieren, wenn hierfür langfristige Lieferverträge abgeschlossen werden können“, sagt Claus Wattendrup, der Chef der Geschäftseinheit „Solar & Batteries“ bei Vattenfall.
Diese Form der langfristigen Stromlieferverträge sind vor allem in Skandinavien und den USA weit verbreitet. In Deutschland sind sie dagegen noch Neuland, haben nach Ansicht von Burkhard Steinhausen vom Mannheimer Energieversorger MVV jedoch das Potenzial zum Megatrend. Standard sind PPA-Verträge noch längst nicht. Und aus Sicht von Bassam Darwisch, Manager Renewables Origination bei der Vattenfall Energy Trading, lohnen sie sich aufgrund des damit verbundenen Aufwands erst ab einer Größe von zehn MW. „Die Anlagen müssen an das Netz angebunden sein, wenn es sich um einen OFF-Side-PPA handelt, gleichzeitig müssen sie eine Steuerbox besitzen, mit der die Anlagen fernsteuerbar sind“, erklärt er. Für Altanlagen, die meist unter dieser Grenze liegen und von Privatpersonen betrieben werden, sieht Darwisch nur einen geringen Bedarf. Er vermutet: „Hier werden die meisten voraussichtlich weiter ins Netz einspeisen und vom Netzbetreiber eine Vergütung erhalten.“
Stadtwerke bieten sich als Abnehmer an
Einer der ersten Energieversorger, die den Markt für Post-EEG-Anlagen erkannte, sind die Stadtwerke Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Sie kaufen den Strom aus PV-Kleinanlagen, der aus der EEG-Förderung fällt und garantieren für drei Jahre Kleinanlagen bis 15 kWp 6 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh), für Anlagen zwischen 15 und 100 kWp 5 ct/kWh. Damit liegt der Ökostromanbieter aus dem Berchtesgadener Land immerhin über dem derzeitigen Marktwert von Solarstrom, der zwischen zwei und vier ct/kWh variiert. „Ü20-Anlagen sind Teil unserer Vision eines bürgergetragenen, dezentralen und gemeinschaftlichen Energiesystems“, erklärt EWS-Vorstand Alexander Sladek die dahinter stehende Motivation. Allerdings ist dieses Angebot auf 250 PV-Besitzer begrenzt und der Einbau eines Intelligenten Messsystems (IMSys) erforderlich.
Ähnlich agieren auch die Stadtwerke Tübingen (swt), die Anlagenbetreibern der ersten Stunde den gesamten erzeugten Solarstrom für bis zu sechs Cent pro kWh abkaufen. Im Gegenzug müssen diese jedoch auch den Ökostrom des Energieversorgers abnehmen, der mit dem Strom aus der PV-Anlage verrechnet wird. Viele Alternativen in der Direktvermarktung gibt es für kleine Anlagen derzeit nicht: Kaum jemand will den Strom haben. Denn um ihn nutzen zu können, müssen oft technische Voraussetzungen wie etwa die Fernsteuerbarkeit der Stromeinspeisung ermöglicht werden. Und es fallen Kosten für die Viertelstundenmessung und Bilanzierung der Ist-Einspeisung an.
„Eine Anbindung ist erst ab einer installierten Leistung von 100 kWp wirtschaftlich“, erklärt Jan Aengenvoort, Unternehmenssprecher der „next Kraftwerke“. Die Kölner verbinden dezentrale Anlagen zu einem virtuellen Kraftwerk. Auch PV-Anlagen gehören dazu. Notwendig ist eine Datenübertragung zwischen der PV-Anlage und dem virtuellen Kraftwerk, um Einspeiseprognosen mit der Live-Einspeisung zu vergleichen und im Tagesverlauf anzupassen.
Verbrauch des Stroms in der Community
Eine ähnlich pfiffige Lösung hat man sich auch bei Sonnen aus dem Allgäu für die Besitzer von PV-Altanlagen ausgedacht: Statt 100 Prozent des Stroms wie bisher ins Netz zu speisen, wird die Photovoltaik-Anlage hier im ersten Schritt zusammen mit einer Sonnen-Batterie auf Eigenverbrauch umgestellt. Ein großer Teil des selbst erzeugen Stroms fließt damit in den eigenen Haushalt, wodurch die bisherigen Stromkosten deutlich sinken. Der Teil des Stroms, der nicht selbst verbraucht werden kann, fließt in die Sonnen-Community und wird mit den Mitgliedern geteilt, die gerade Strom benötigen. Und was dann noch übrig bleibt, vermarktet die Energiegemeinschaft an der Strombörse. A
ls Gegenleistung erhält der Haushalt eine Freistrommenge, die seine Stromkosten zusätzlich zum Eigenverbrauch senkt. Das Besondere daran: Per intelligentem Management der Batterien kann Sonnen den Zeitpunkt der Einspeisung ins Stromnetz gezielt verschieben. Vorzugsweise dann, wenn der Börsenpreis am höchsten ist. Die sonnenCommunity kann für den Haushalt so Erträge am Markt erzielen, die dem Durchschnittspreis entsprechen oder sogar über diesem liegen.