Volkswagen hat sich einen Teil des Schatzes bereits gesichert, auch Renault und Stellantis hat bereits Liefervereinbarungen mit Vulcan Energy geschlossen. Der koreanische Batteriehersteller LG Energy Solution hat den Finger gehoben, ebenso Daimler. Sie alle sind an dem Lithium interessiert, dass das Rohstoffunternehmen aus Karlsruhe schon bald in großen Mengen aus der Tiefe des Oberrheingrabens holen will, ganz umweltverträglich, nachhaltige und klimaneutral – durch die Filterung aus bis zu 200 Grad heißem und zum Teil stark salzhaltigen Thermalwasser.

Bislang wird das Thermalwasser allein zur Stromerzeugung und Wärmeversorgung von Wohn- und Bürogebäuden genutzt. Das das warme Wasser Lithiumchlorid enthält, ist seit Jahrzehnten bekannt, weckt aber erst jetzt, im anbrechenden Zeitalter der Elektromobilität, das Interesse der Industrie: In einem Lithium-Ionen-Akku mit einer Speicherkapazität von 60 Kilowattstunden stecken bis zu neun Kilogramm Lithium. Und der weltweite Bedarf ist immens: Um allein die allein von der Autoindustrie geplanten E-Mobile zu versorgen, müssten nach Schätzungen der Deutschen Rohstoff-Agentur (DERA) im Jahr 2030 rund 400.000 Tonnen von dem begehrten Leichtmetall gewonnen werden – bergmännisch aus Hartgestein wie in Australien, durch Verdunstung von Lithium-haltiger Sole in Verdunstungsbecken wie in Bolivien oder Chile – oder durch die Gewinnung mithilfe von Geothermieanlagen.

Ambitionierte Ziele von Vulcan Energy

Auf 15,85 Millionen Tonnen Lithium schätzt eine Präsentation der börsennotierten Vulcan Energy für Investoren das Gesamtvorkommen allein im gesamten Oberrheintal – das wäre ein Vielfaches der heute schon verfügbaren weltweiten Reserven. Und schon im kommenden Jahr will das Unternehmen damit beginnen, die Vorkommen industriell auszubeuten – wenn alles glatt geht. „Wir wollen ab 2025 rund 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr fördern. Das genügt für die Herstellung von Batterien für etwa eine Million Elektrofahrzeuge pro Jahr“, rechnete Horst Kreuter, der Chef von Vulcan Energy, kürzlich auf einem Automobilkongress in Stuttgart vor.

Jede Menge Potenzial
Geothermiestandorte und geplante Batteriezellfertigungen in Deutschland. Die Karte zeigt die Lithiumgehalte und Fließraten der für die Rohstoffextraktion interessanten Geothermiestandorte sowie den prognostizierten Bedarf der Zellfertigungen. Der Bedarf wurde basierend auf den geplanten jährlichen Kapazitäten berechnet. Grafik: KIT

Doch inwiefern sich der Abbau wirklich lohnt, war bislang noch nicht ausreichend geklärt. Das holen jetzt zwei Studien des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nach. Ein Team des Instituts für angewandte Geowissenschaften (AGW) hat darin den Forschungsstand zusammengefasst, Technologien bewertet und die Rohstoffmärkte analysiert. Das Ergebnis: Ja, theoretisch könnten in ganz Deutschland – und nicht nur im Oberrheingraben zwischen Basel und Darmstadt – mithilfe von Geothermiekraftwerken jedes Jahr Tausende Tonnen Lithium gefördert werden. Aber nicht so schnell – und auch nur mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung und hoher Akzeptanz der Lithium-Förderung in den betroffenen Regionen.

Lithium aus Geothermie nur „eine Ergänzung“

Bei einer „optimistischen Abschätzung“ halten die Forscher eine „jährliche Produktion von ungefähr 2 600 bis 4 700 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent für möglich, wenn alle relevanten Geothermiestandorte mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden“, sagt Fabian Nitschke vom AGW, der an beiden Studien beteiligt war. Lithium sei in Deutschland in hohen Konzentrationen in tiefen geothermalen Fluiden vorhanden. Im Oberrheingraben liegen die Konzentrationen zwischen 160 und 190 Milligramm pro Liter. Im Norddeutschen Becken erreichen die Konzentrationen sogar bis zu 215 mg/l.

„Damit könnten wir etwa 2 bis 13 Prozent des Jahresbedarfs der geplanten Batteriefertigung in Deutschland decken.“ Durch den Zubau weiterer Geothermiekraftwerke sei eine Steigerung der Fördermengen denkbar – allerdings dauere es mindestens fünf Jahre, bis ein neu geplantes Kraftwerk in Betrieb gehe. „Angesichts des globalen prognostizierten Lithiumdefizits und der geplanten Batteriefertigung wird sich die Lage speziell für Deutschland rasch zuspitzen. Das Lithium aus der Geothermie kann mittelfristig also nur eine Ergänzung darstellen“, so Nitschke.

Bevölkerung muss mitziehen

Zudem gebe es noch eine Reihe von Unsicherheiten. So sei beispielsweise nicht klar, wie die lithiumhaltigen Tiefenwasser-Reservoirs auf eine stetige Förderung reagieren. Und die eingesetzten Technologie zur Förderung befänden sich noch in einem „frühen bis mittleren Entwicklungsstadium“ – Langzeittests stünden noch aus. Schäden durch Ablagerungen an Bohrlöchern, Bohreinheiten, aber auch der Energiebedarf könnten sich zudem schnell auf die Wirtschaftlichkeit der Verfahren auswirken. „Es ist nicht sicher, ob die gleichen Extraktionseffizienzen wie unter Laborbedingungen auch im Industriemaßstab erreicht werden können.“ Die Unsicherheiten in der Ressourcenbewertung bezüglich Größe und Nachhaltigkeit ihrer Bewirtschaftung seien deshalb noch beachtlich“, heißt es in der Studie. Im Klartext: Vorsicht ist angebracht.

Zumal auch die gesellschaftliche Unterstützung und Akzeptanz keinesfalls gegeben ist. Vulcan Energy hat kürzlich im rheinland-pfälzischen Landau mit dem Bau einer sogenannten Sorptions-Demonstrationsanlage begonnen. Doch auf Begeisterung stieß das Projekt in der Bevölkerung nicht unbedingt. Mitglieder einer Bürgerinitiative befürchten, dass durch die Tiefenbohrungen die Gefahr von Erdbeben steigen könnte. 

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