Was ist Ihnen Ihre freie Zeit wert? 30 Euro die Stunde? 13,50 Euro? Ganz einfach ein Stundenlohn? Die gleiche Frage kann man auch für die Gesundheit stellen, auch wenn es dann schnell klingt, wie im Mafia-Film: Was ist es Ihnen wert, kein gebrochenes Bein zu haben? Ihre Krankenkasse hätte da sicher eine genaue Antwort.

Will man errechnen, was selbstfahrende Autos einsparen, steht man also vor einigen Schwierigkeiten. Deshalb fängt Wirtschaftsprofessor Andreas Herrmann mit dem Energieverbrauch an. Mit selbstfahrenden Autos auf den Straßen könnte die Menschheit ihren Sprit- oder Stromverbrauch um 30 Prozent reduzieren. Zusätzlich rechne er mit 90 Prozent weniger Unfällen und frei verfügbarer Zeit im Wert von bis zu vier Billionen Euro, sagte der Forscher der Universität St. Gallen am Mittwoch auf dem Genfer Automobilsalon.

Heute seien weltweit 1,2 Milliarden Autos auf den Straßen unterwegs, jedes im Durchschnitt knapp eine Stunde am Tag. Ein Drittel des städtischen Verkehrs sei Parkplatz-Suchverkehr, erklärte Herrmann. Das vernetzte, autonom fahrende Auto müsse aber nicht mehr suchen, könne enger parken und auf der Straße dichter fahren. In Deutschland sei heute eine Fläche von der Größe Schleswig-Holsteins Verkehrsfläche – das könne deutlich weniger werden.

Große Veränderungen, vor denen man keine Angst haben müsse: „Autonomes Fahren wird unser tägliches Leben gewaltig verändern. Und wir können die gesellschaftlichen Kosten dramatisch verringern“, so Herrmann.

400 Milliarden Stunden am Steuer

Bei Verkehrsunfällen kämen jährlich 1,2 Millionen Menschen zu Tode, meist durch menschliche Fehler. Etwa 400 Milliarden Stunden verbrächten Autofahrer heute am Steuer – künftig könnten sie diese Zeit frei nutzen. Herrmann legt einen fiktiven Wert von zehn Euro pro Stunde an – damit kämen jährlich 4000 Milliarden Euro zusammen. Geschenkte Zeit, in der man auch weniger ausgebe: Heute koste ein Kilometer Autofahrt etwa 40 Cent, im rund um die Uhr genutzten Robotaxi würden es nur 3 Cent sein.

Hier kann man sich selbst fragen: Hätte ich lieber zehn Euro mehr in der Tasche – oder eine Stunde Freizeit? Würden Sie auch 20 Euro zahlen? 40? Dann wären wir bei 16 Billiarden Euro. Eine unvorstellbare Summe. Und ein großes Versprechen, das die autonomen Fahrzeuge erst einmal einhalten müssen. Es wäre schade, wenn die Idee an zu hohen Erwartungen scheitern würde.

Selbstfahrende Autos sind auf der Genfer Messe allgegenwärtig, allerdings überwiegend nur in Form von Konzepten oder Prototypen mit eng begrenztem Einsatzgebiet. Technisch ist vieles schon möglich, trotzdem sind viele Fragen offen. Peter Fuß von der Unternehmensberatung Ernst&Young (EY) sieht ein Problem auf die Branche zukommen, das viele Nutzer bisher nur von ihren Computern oder Smartphones kennen: die Überalterung der Hardware. Die Software könne man updaten, aber angesichts immer komplexerer Systeme und immer größerer Datenmengen gehe irgendwann zwangsläufig die Hardware in die Knie. „Warum sollte ein Auto da anderen limitierenden Faktoren unterworfen sein?“, fragt Fuß. „Sie können das sehr aufwendig austauschen, aber das machen Sie bei Ihrem Rechner oder Smartphone ja auch nicht.“

Zusammen mit dem Schweizer Autobauer Rinspeed zeigt EY in Genf ein Konzept eines zweigeteilten Fahrzeugs, das das Problem lösen soll: ein autonom fahrender Untersatz plus eine austauschbare, frei konfigurierbare Kabine. Wer die neue Zeit erleben will, muss dafür aber erst einmal reisen: Autonome Autos würden vorerst in den USA und Asien fahren, sagte Herrmann. Europa dagegen brauche für die Gesetzgebung sowie für gemeinsame Standards zur Kommunikation unter Autos und zwischen Autos und Infrastruktur noch Zeit.

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