Manchmal hilft nur noch ein Verbot. Als die Weltöffentlichkeit die Bilder nicht mehr ertragen konnte von Kindersoldaten, die im Bürgerkrieg in Sierra Leone kämpften, verhängten die Vereinten Nationen Sanktionen: Zwischen 2002 und 2010 stellte der Sicherheitsrat den Kauf von Rohdiamanten aus dem afrikanischen Land unter Strafe.
Um die Menschenwürde geht es auch in der Demokratischen Republik Kongo, wo Kinder zum Abbau von Kobalt gezwungen werden, wie im ersten Teil unserer Serie zu lesen ist.
Was also muss getan werden, damit die Akkus von E-Autos mit einem guten Gewissen zu kaufen sind? Muss vielleicht sogar ein Verbot her?
In der Praxis sei ein Embargo von Kobalt aus dem Kongo keine Option, sagt Philip Schütte, der für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Bereich Bergbau und Nachhaltigkeit arbeitet. „Bei dem hohen weltweiten Bedarf könnte die Förderung woanders nicht mal eben so hochgefahren werden, um das auch nur im Ansatz auszugleichen.“
Aus seiner mehrjährigen Zeit als Projektleiter vor Ort kennt Schütte die Region in Zentralafrika, die er immer noch bereist. Durch den Süden des Kongos zieht sich der Kupfergürtel, der im benachbarten Sambia ausläuft. Auch dort lässt sich daher das Nebenprodukt Kobalt abbauen, aber zu weitaus geringeren Mengen. Trotz Kobalt-Vorkommen in weiteren Ländern wie China, Kanada und Australien: 48 Prozent der Weltreserven befinden sich in der DR Kongo, die im Jahr 2015 etwa 60 Prozent der Gesamtproduktion stemmte.
Zertifizieren statt Blockieren
Ohne Kobalt aus dem Kongo ist das so nötige Mehr an Elektromobilität demnach schlicht nicht zu haben. Und ohnehin: Wer zu Sanktionen greift, sollte andere Mittel zumindest einmal versucht haben. Bislang unterblieb das – obwohl es das passende längst gibt: Zertifizierungen.
Wie eine Umsetzung aussehen könnte, zeigt sich bereits einige hundert Kilometer entfernt, im Osten des Landes. Dort, wo Rohstoffe auch heute noch eine ähnliche Rolle wie einst in Sierra Leone spielen. Um ihre Truppen zu versorgen, kontrollieren Rebellengruppen manche der Minen und den Handel mit Rohstoffen, nach denen die Elektronikindustrie giert: vor allem Coltan, Zinn und Wolfram.
Dank der ITRY Tin Supply Chain Initiative, kurz iTSCi, können Konzerne heute einen Beleg vorzeigen, wenn die eingekauften Mineralien eben nicht aus solchen schmutzigen, sondern aus „konfliktfreien“ Quellen stammen. Industrieverbände haben das Zertifizierungs-System angestoßen, das auf eine mehrstufige Versiegelung setzt.
Nachdem lokale Gutachter eine Mine als sauber eingestuft haben, packen Arbeiter die Rohstoffe in Säcke, wiegen diese, verschließen und kennzeichnen sie – und speichern die Informationen in einer Datenbank. Zwischenhändler können die Säcke nur öffnen und wieder versiegeln, wenn ihnen dabei ebenfalls ein Gutachter über die Schulter schaut. Entscheidend ist vor allem die Schmelzhütte, wo die Rohstoffe unter Hitze vermengt werden. Jene Weiterverarbeiter werden regelmäßig kontrolliert – und sind nur dann „konfliktfrei“, wenn sie den sauberen Ursprung der Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette belegen können. Elektronikkonzerne die hier kaufen, sind somit auf der sicheren Seite.
„Auf technischer Ebene sind die Lieferketten von Koltan und Kobalt vergleichbar“, sagt BGR-Experte Schütte. Auch Kinderarbeit ist bereits ein Ausschlusskriterium. „So ein System könnte also auch auf Kobalt angewendet werden.“
Kobalt kommt auch aus friedlichen Regionen
Der große Unterschied: In der Region um Lubumbashi, wo die Bergleute Kobalt fördern, treiben keine bewaffneten Gruppen ihr Unwesen. Als sich die Sorge der Weltöffentlichkeit von Blutdiamanten auf „Bluthandys“ zu richten begann, wurde die friedliche Region ausgeklammert – und das dort so üppig vorhandene Kobalt gar nicht erst in den Katalog der Rohstoffe aufgenommen, die sich zertifizieren lassen.
Und auch die Gesetze sparen Kobalt aus: der Dodd-Franck-Act beispielsweise, der US-Konzerne zu Herkunftsnachweisen über die verwendeten Mineralien verpflichtet – sowie eine vergleichbare Regelung, die ab 2021 in der EU in Kraft treten wird.
Keine Frage, die bisherige Zertifizierung läuft im Osten der DR Kongo nicht immer rund. Kriminelle könnten versuchen, schmutziges Kobalt in das Programm zu mogeln. „Das Schmuggelrisiko gäbe es“, sagt Schütte deshalb über eine mögliche Zertifizierung von Kobalt. Aber es wäre immerhin ein Anfang. Für die mehrheitlich industriellen Großminen wäre es vergleichsweise unkompliziert, sich auf eine Zertifizierung einzulassen.
Kleinbergbau schwierig zu kontrollieren
Nur das Gewerbe der ungezählten, manchmal winzigen Minenschächte des Kleinbergbaus ist zu unübersichtlich, um es heute schon großflächig zu kontrollieren. Zudem sind die Arbeiterfamilien oft so arm, dass Kinderarbeit nicht von heute auf morgen verschwinden würde. „Wir müssen uns Gedanken machen, was mit den vielen Menschen passiert, wenn wir sie aus der Lieferkette ausschließen“. So müssten andere Jobs für sie geschaffen werden, sagt Schütte: „Wie genau sich das alles umsetzen lässt, werden wir nur herausfinden, wenn wir einfach mal mit einem Pilotprojekt starten.“
Ein Vorhaben gibt es seit vergangenem Herbst sogar schon – zumindest auf dem Papier. Gemeinsam mit internationalen Konzernen hat die Chinesische Handelskammer für Metalle, Mineralien und Chemikalien die Responsible Cobalt Initiative (RCI) angekündigt. Daimler, Apple, Sony oder Volvo sind mit an Bord. Das Vorbild: der Kriterienkatalog, der bereits für die konfliktfreien Rohstoffe aus dem umkämpften Osten des Kongos gilt. Nur: Wie sie sich die konkrete Umsetzung vorstellen, darüber schweigt die Allianz bislang.