Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben ein Brennstoffzellen-System entwickelt, das nicht nur Strom aus Wasserstoff generiert – es übernimmt auch die Aufgabe des Elektrolyseurs, Wasserstoff aus Wasser zu spalten.
Diese reversible Hochtemperatur-Brennstoffzelle (englisch: reversible Solid Oxide Cell, kurz rSOC) braucht zwar noch einiges an Entwicklungsarbeit, bevor sie am Markt eingesetzt werden kann. Ein Erfolg ist den Wissenschaftlern aber schon jetzt gelungen: Der elektrische Wirkungsgrad im Wasserstoffbetrieb liegt bei 62 Prozent. Das ist ein Weltrekord.
Erreicht hat dies das Team um Professor Ludger Blum am Forschungszentrum Jülich durch eine leistungsfähigere Wandlereinheit, den sogenannten Stack (siehe Titelfoto). „Unser Stack kommt auf eine Leistung von fünf Kilowatt, womit in etwa der Stromverbrauch zweier Haushalte gedeckt werden könnte. Bislang musste man immer mehrere Einheiten im Kilowatt-Maßstab kombinieren, um eine vergleichbare Leistung zu erreichen“, erläutert Blum.
Der Forscher hofft, dass auch die Herstellungskosten der Hochtemperatur-Brennstoffzelle, die bei etwa 800 Grad Celsius betrieben wird, sinken, wenn weniger Stacks benötigt werden. Das wäre ein weiterer großer Schritt in Richtung Marktreife.
Brennstoffzelle vielversprechender Akku-Herausforderer
Der Vorteil der Brennstoffzelle im Vergleich zur Batterie ist die große Speichermenge und die hohe Energiedichte. Bei Lithium-Polymer-Akkus liegt sie bei 140–180 Wattstunden pro Kilogramm Masse (Wh/kg), bei Wasserstoff bei etwa 33.000 Wh/kg. Das macht das flüchtige Gas so interessant zum Speichern großer Mengen an Strom. Auch wenn Akkus derzeit deutlich mehr Gewicht auf kleinem Raum bieten – Wasserstoff muss unter hohem Druck komprimiert werden, um das auszugleichen.
Bei der Brennstoffzelle sind Energiewandler und Energieträger Wasserstoff klar voneinander getrennt. So kann immer wieder neu Wasserstoff zugeführt oder auch abgeleitet werden. Der Größe der speicherbaren Energiemenge sind damit kaum Grenzen gesetzt. „Als stationärer Speicher für Strom aus Windparks, kann Wasserstoff als Energiespeicher Dunkelflauten überbrücken“, erklärt Bernd Emonts, stellvertretender Leiter des Instituts für Elektrochemische Verfahrenstechnik in Jülich.
Genauso interessant ist der Einsatz der „rSOC“ in Wohnhäusern, um den PV-Strom zum Eigenverbrauch zu speichern. „Damit könnten sich die Nutzer autark machen“, erläutert Emonts das Potenzial.
Die bisher gängigen Hochdrucktanks, in denen Wasserstoffgas mit bis zu 700 bar gespeichert wird, hält der stellvertretende Institutsleiter für wenig attraktiv. Eine wesentlich bessere Möglichkeit sind Metallhydride oder organische Wasserstoffträger wie LOHC. Das Gas wird dafür in einem Öl eingelagert. Dadurch ist der Wasserstoff flüssig und drucklos speicherbar und lässt sich so leicht handhaben wie Benzin.
LOHC, was für Liquid Organic Hydrogen Carrier steht, gilt als vielversprechende deutsche Innovation. Die Entwicklung von Daniel Teichmann und seinem Unternehmen Hydrogenious Technologies war sogar für den deutschen Zukunftspreis nominiert. Sie ermöglicht es, große Wasserstoffmengen zu speichern – „genug, um damit eine Woche den Strombedarf eines Einfamilienhauses zu decken“, so Emonts.
Brennstoffzelle für Flugzeug, Schiffe, aber keine Autos
Als mobile Anwendung kann „rSOC“ in Flugzeugen, Schiffen oder Zügen für den Strom an Bord sorgen, etwa Beleuchtung und Klimaanlage. Bisher wird dafür noch konventioneller Treibstoff mit seinen luftverschmutzenden Folgen eingesetzt. In Hamburg werden durch die Schifffahrt rund 39 Prozent aller Stickoxide verursacht. Der Senat rechnet sogar mit einem Anstieg um 6,2 Prozent bis 2025.
Für den Antrieb von Zügen, LKW oder sogar Autos ist eine Hochtemperaturbrennstoffzelle aber nicht geeignet. Ein schneller Wechsel zwischen Beschleunigung und Verzögerung würde die Zelle zerstören.
Und auch alle anderen Einsatzzwecke für die „rSOC“ liegen noch in der Zukunft: „Ein System aufzubauen, das sowohl die Elektrolyse und Wasserstoffspeicherung als auch die Stromgewinnung bedienen kann, ist nicht trivial“, macht Emonts deutlich. Vor allem die Gesamteffizienz ist alles andere als zufriedenstellend.
Im Elektrolysemodus liegt der Wirkungsgrad zwar bei 70 Prozent. Damit arbeitet die Versuchsanlage bereits jetzt effizienter als alkalische und Polymerelektrolyt-Elektrolyseure, die auf 60 bis 65 Prozent kommen und heute Standard sind. Auch die Brennstoffzelle sticht mit 62 Prozent im Vergleich zu Niedertemperatursystemen mit 50 Prozent hervor.
Die Gesamtbilanz ist jedoch mager. Gemessen vom Strom zu Strom liegt der Wirkungsgrad bei lediglich bei 43 Prozent. Eine Konkurrenz zu Batterien mit einem Wirkungsgrad von 90 Prozent ist die „rSOC“ damit bisher nicht. Diesen sogenannten „Round-trip“ wollen die Wissenschaftler noch auf über 50 Prozent steigern.
Auch die Lebensdauer ist noch zu gering. Die Hochtemperatur-Brennstoffzelle ist mit 100.000 Stunden marktreif. Die Elektrolyse schafft aber nur 20.000 Stunden, was ungefähr zweieinhalb Jahre sind und damit noch unzureichend ist. Emonts: „Das Doppelte müsste schon möglich sein, damit das System marktreif wird.“ Das kostet Zeit. Sieben Jahre werden die Entwicklungen aus Sicht des stellvertretenden Institutsleiters noch dauern, bevor ein Prototyp der „rSOC“ entsteht, der konkurrenzfähig ist.