Besitzer alter Nokia-Handys können gefühlt auch noch in 1000 Jahren auf ihrem Gerät zuverlässig Snake spielen, solange sie es nur alle paar Jahre mal an den Strom hängen. Jeder andere Handy-Nutzer dürfte aber schon das ein oder andere Mobiltelefon ausgetauscht haben, weil irgendwann der Akku endgültig schlapp gemacht hat. Da häufig alle Teile des Handys miteinander verbaut sind, ist es selten möglich, einfach eine neue Batterie einzulegen. Stattdessen muss man das komplette Gerät ersetzen.
Je nach Ladegewohnheit hält ein üblicher Handyakku heute zwischen rund 500 und 2000 Ladezyklen aus, bevor die Kapazität nachlässt. Die Wissenschaftlerin Birgit Esser und ihr Team vom Institut für Organische Chemie der Universität Freiburg haben in Zusammenarbeit mit dem Batterieforschungszentrum Münster Electrochemical Energy Technology (MEET) einen Akku entwickelt, der diese Lebensdauer weit übertrifft. Der Clou an der Sache: Die Batterie nutzt Kunststoff als Kathode und ist so nicht nur langlebiger als klassische Lithium-Ionen-Akkus, sondern auch sozialverträglicher in der Herstellung und schneller beim Aufladen.
Über 10.000 Ladezyklen
Birgit Esser und ihre Kollegen verwenden das Material Polyvinylphenothiazine – ein organisches Polymer. Wechselwirkungen zwischen den aktiven Einheiten des Polymers, wo die Ladung gespeichert wird, sorgen dafür, dass der geladene und entladene Zustand stabilisiert und Elektronen schneller transportiert werden. Dadurch lässt sich die Batterie in weniger als drei Minuten aufladen und hält mehr als 10.000 Ladezyklen aus, bevor die Kapazität signifikant sinkt.
Bekanntlich leitet Kunststoff eigentlich keinen Strom. Deshalb muss das Material erst noch bearbeitet werden, bevor es in der Batterie eingesetzt werden kann: Es wird mit etwas Leitruß und wenig Binder gemischt. Das resultierende Gemisch wird anschließend auf Alu-Folie aufgetragen, woraus dann die Elektrode gestanzt wird.
Bei der Anode hingegen kommt noch kein Kunststoff zum Einsatz. Sie besteht ganz klassisch aus Lithium. „Organische Materialien für die Anode zu entwickeln stellt eine größere Herausforderung dar“, sagt Birgit Esser. „Hier sind wir noch bei der Entwicklung und haben verschiedene Konzepte und Ansätze, die wir verfolgen.“ Sollten Birgit Esser und ihre Kollegen damit erfolgreich sein, würden Schwermetalle wie etwa Kobalt im Akku bald komplett überflüssig. Das wäre ein großer Vorteil gegenüber handelsüblichen Batterien, denn diese Metalle stammen oft aus sogenannten Konfliktminen, wo auch Kinderarbeit üblich ist. Die Kunststoff-Batterie wäre also auch sozialverträglicher als die Lithium-Ionen-Version.
Aufholbedarf bei der Kapazität
Ein weiterer Vorteil: Bei der Verarbeitung des organischen Kunststoffs braucht es weniger Energie als bei Metallen. Da die Synthese des Kunststoffes recht günstig ist, sind die Kosten für die Herstellung der Batterie übrigens in einem ähnlichen Bereich wie bei Lithium-Ionen-Akkus.
Diese haben dafür woanders noch ihre Nase vorne. Die Speicherkapazität ist bei ihnen noch höher als bei der Kunststoff-Konkurrenz, allerdings schließen die Forscher die Lücke. „Wir sind kontinuierlich beim Weiterforschen auf diesem Gebiet“, sagt Esser. „Wir konnten mittlerweile einige Eigenschaften des Kathodenmaterials weiter verbessern. Wir haben nun eine höhere Kapazität erreicht, die bei rund zwei Dritteln der Kapazität von klassischen Kathodenmaterialien in Li-Ionen-Batterien liegt.“
Ideal für Handys und smarte Textilien
Zwar ist die Kunststoff-Batterie in vielen Bereichen verträglicher als Lithium-Ionen-Akkus, doch ganz sauber ist auch sie nicht. Denn der verwendete Kunststoff wird aus dem fossilen Erdöl produziert. Um auch in diesem Bereich verträglicher zu werden, will Birgit Esser irgendwann einmal Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen nutzen. Das dauert aber wohl noch eine Weile. „An der Nutzung nachwachsender Rohstoffe für die Kunststoffe haben wir noch nicht gearbeitet“, sagt sie. „Es liegen aber Ideen dafür vor.“
Die Batterien sind wie gemacht für die Verwendung im Handy. Doch auch für andere Zwecke sind sie gut geeignet. So könnten sie etwa in smarten Textilien zum Einsatz kommen, bei denen Batterien in die Kleidung eingearbeitet sind. Denn die Kunststoff-Batterie ist biegsam und kann sich dementsprechend der Form der Kleidungsstücke gut anpassen.
Bis es soweit ist, müssen wir uns aber noch eine Weile gedulden. Zurzeit forschen die Wissenschaftler noch weiter, um die Batterie zu verbessern und sie zu 100 Prozent aus Kunststoffen herstellen zu können. Einen Antrag auf ein Patent für die Technik haben sie schon gestellt. Das Verfahren laufe noch, so Esser, aber die Anmeldung sollte bald durch sein. Wann die Kunststoff-Batterie dann schließlich an den Markt kommen könnte, weiß Birgit Esser allerdings noch nicht. „Mehrere Jahre werden hier noch nötig sein.“ Das Interesse für die Technik sei aber auf jeden Fall vorhanden. „Ich habe sehr viele Anfragen für diverse Anwendungsgebiete erhalten.“