Tesla, Lucid, Faraday Future: In Kalifornien gibt es eine Reihe neu gegründeter Firmen, die Elektroautos bauen – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Doch kaum ein Start-up versucht so radikal bei Design und Geschäftsmodell mit klassischen Konventionen zu brechen wie Canoo aus Los Angeles. Was sich jetzt bei der Präsentation des ersten Modells zeigte: Das Gefährt mit der Anmutung eines Kleinbusses soll im Innenraum so viel Platz bieten wie ein großes SUV und das bei städtefreundlichen Außenmaßen eines Kompaktautos wie ungefähr eine VW Golfs. Wer den Stromer fahren will, kann ihn nicht kaufen, sondern soll ihn abonnieren. Monatlich kündbar, so wie beim Musik-Streamingdienst Spotify. Ein gewöhnliches Armaturenbrett mit Anzeigen und Schaltern gibt es nicht, Navigation oder Klimaanlage steuert der Fahrer über sein Smartphone. Ähnlich wie Audi es auf der IAA in der Studie Ai:Trail quattro gezeigt hat.
Der Canoo sei mit seiner Antriebs-Architektur in der Lage, „die Post-SUV Ära“ einzuleiten, lässt sich Ulrich Kranz zitieren. Er hat bereits bei BMW die i-Reihe mit ihren Elektroautos auf die Straße gebracht. Er steht erst seit kurzem an der Spitze des Start-ups, nachdem sich die beiden anderen prominenten Topmanager innerhalb von vier Wochen aus dem Vorstand verabschiedet haben: erst Karl-Thomas Neumann (einst Opel- und Conti-Chef), dann Stefan Krause (zuvor Vorstand bei Deutsche Bank und BMW). Kranz ist dennoch zuversichtlich, den Canoo im dritten Quartal 2021 marktreif zu haben.
Antriebskonzept wie beim Skateboard
Weil Kranz und seine Ingenieure Akku und Elektromotoren extrem flach im Untergeschoss verstecken, ragt keine Technik in den Innenraum. Selbst die Lenksäule fehlt, die Steuerbefehle überträgt das Fahrzeug elektronisch. Motor- und Kofferraum wie bei konventionellen Autos gibt es nicht, das Kleinbus-Format erlaubt es auf der vorhandenen Grundfläche den bis zu sieben Insassen möglichst viel Platz einzuräumen. Die können sich auf einer Art Eck-Sofa lümmeln. Chefdesigner Richard Kim schwärmt vom minimalistischen Konzept – ganz im Geist des Bauhauses. Was aber auch dazu führt, das auf den ersten Blick von außen nicht klar ist, wo vorne und hinten bei dem Auto ist.
Wer einen Canoo fahren will, kann ihn nur abonnieren – ohne feste Laufzeit wie beim Leasing, abgerechnet wird monatlich, Versicherung und Wartung sind eingeschlossen. Das Start-up verspricht eine „bezahlbare“ Monatsgebühr dank vereinfachter Fertigung. Und denkt angesichts des großen Innenraums auch gleich an Ridesharing. Zudem seien weitere Modelle auf der Antriebsplattform leicht zu realisieren. Dem Start-up zufolge soll die Reichweite nach dem amerikanischen EPA-Zyklus bei rund 400 Kilometern liegen. Der Akku speichert 80 Kilowattstunden, der Motor leistet 220 Kilowatt, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 200 Kilometer pro Stunde.
Reicht das Geld?
Damit der Canoo wirklich einmal durch Los Angeles cruisen kann, braucht Chef Krause noch Geld. Zwar seien eine Milliarde Dollar an Investitionsmittel gesichert, berichten Medien. Das Start-up brauche noch weitere 200 Millionen Dollar. Keine kleine Summe in Zeiten von Handelskriegen und vorsichtigeren Investoren, die bei manchem E-Auto-Bauer viel Geld verbrand haben.