Ein Dieselfahrverbot droht den Bewohner von Karlsruhe nicht: Die Stickoxidkonzentration in der Luft der ehemaligen Landeshauptstadt von Baden ist seit Jahren rückläufig und liegt inzwischen deutlich unterhalb des gesetzlichen Grenzwerts. Der Luftreinhalteplan der Stadt von 2006 und der Aktionsplan von 2008 trägt messbar Früchte: Er führte zur Ausweisung einer Umweltzone, stärkte den Öffentlichen Personen-Nahverkehr und ließ das Radwegenetz in der Stadt wachsen.
Was nicht heißt, dass es in der über 300.000 Einwohner zählenden und damit zweitgrößten Stadt des Landes Baden-Württemberg keine Verkehrsprobleme mehr gäbe. „Klimawandel, Mobilitätswende, gute Erreichbarkeit, sozialgerechtes Wohnen, Digitalisierung, Anforderungen einer grünen Stadt, zukunftsweisende Arbeitsstandorte und demografische Veränderungen verlangen aktuelle Antworten und neue Lösungswege“, sagte Frank Mentrup, Oberbürgermeister von Karlsruhe und Aufsichtsratsvorsitzender der Technologieregion Karlsruhe (TRK) vergangenen Donnerstag bei einem Festakt in Baden-Baden.
Dort wurde der mit 20.000 Euro dotierte TRK-Innovationspreis, der NEO2018 vergeben. Ausgezeichnet wurde ein Projekt, mit dem einerseits die Lebens- und Wohnqualität in der Stadt weiter verbessert, andererseits die Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaft demonstriert werden soll: der Aufbau eines Netzes von elektrisch und vollautonom fahrenden Mini-Bussen.
Stewards sollen die Fahrgäste im Bus beruhigen
Ab Herbst des kommenden Jahres sollen nach aktueller Planung der Stadt drei bis zu achtsitzige Shuttles durch die Stadtteile Rüppurr und Dammerstock rollen. Sie sollen auf Zuruf Menschen vor ihrem Wohnhaus abholen und entweder zur nächstgelegenen S-Bahn-Haltestelle oder zu ihren Arbeitsplätzen im Industriequartier Technologiepark bringen. Zu dem Projekt mit dem sperrigen Titel „Mobilitätsfördernde Zukunftsquartiere durch integrierte ÖPNV-EVA-Shuttle-Busse“ hatten sich die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) mit dem Forschungszentrum Informatik (FZI), der Robert Bosch GmbH, der Bahntochter Ioki sowie dem TÜV Südwest zusammengetan.
Das Projekt ist ebenso ehrgeizig wie anspruchsvoll, sowohl was den Zeitplan als auch die Technik anbetrifft: Ab Spätsommer 2019 sollen die Mini-Busse zunächst zu Testzwecken durch die beiden Stadtteile rollen, emissionsfrei und praktisch lautlos, aber auch fahrerlos und ohne festen Fahrplan. Gesteuert wird der Einsatz der Fahrzeuge über die Verkehrsleitzentrale. Zur Beruhigung der Fahrgäste werden anfangs speziell geschulte Fahrzeugstewards an Bord sein, die bei Fehlfunktionen in das System eingreifen können, aber vor allem durch Gespräche mit den Passagieren für die Akzeptanz des Systems werben sollen.
Der Lieferant der Busse wird noch gesucht
Alexander Pischon, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Karlsruhe, ist vom wegweisenden Charakter des Feldversuchs überzeugt: „Die EVA-Shuttles werden den ÖPNV in Karlsruhe und der Region entscheidend weiterentwickeln. Sie sind bedarfsgerechte und passgenaue Mobilitätsmittel, die wir auch in Quartieren einsetzen können, in denen sich eine Straßenbahnstrecke oder ein großer Bus wirtschaftlich nicht lohnt.“ OB Mentrup hofft obendrein, dass das Angebot die Zahl der Taxifahrten reduziert – und Menschen motiviert, auf das eigene Auto zu verzichten und damit „einen eigenen Beitrag zu einer sauberen und lebenswerten Welt zu leisten.“
Die finanzielle Förderung des Projekts durch das Land ist mittlerweile gesichert. Jetzt fehlen allerdings noch die passenden Mini-Busse: Der US-Hersteller Local Motors, der für die Entwicklung des Projekts das Testfahrzeug Olli zur Verfügung stellte, hat sich inzwischen aus Europa zurückgezogen. Eine Alternative könnte der autonom fahrende Minibus sein, den der Systemlieferant ZF zusammen mit dem Aachener Startup e.GO Mobile baut. „Wir sehen uns alles an“, sagt Karlsruhes OB Mentrup.