„Ein Elektroauto? Bis das alltagstauglich ist, bleiben Sie mal lieber bei einem Diesel. Ich könnte Ihnen da ein interessantes Angebot machen“.
Der Kauf eines Elektromobils kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Nicht nur, weil viele Autohändler derzeit nicht lieferfähig sind. Sondern weil sich die Verkäufer an alte Antriebskonzept klammern, da sie die neuen nicht verstehen oder der von vielen Ideologen propagierten Verkehrswende nicht das Wort reden wollen. Ladeleistung, Gleichstrom, CCS, Wallbox? Ach ne, das wollen wir uns ja wohl nicht antun.
Bei so viel Bräsigkeit des Fachpersonals im Vertrieb – der Dialog oben spielte sich vor noch nicht allzu langer Zeit beinahe wortgetreu in einem Autohaus von Renault ab – grenzt es fast an ein Wunder, dass Renault Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 5000 Elektroautos in den Verkehr brachte und sich damit an die Spitze der Anbieter von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben setzte. (Das Autohaus in Ilmenau nehmen wir an dieser Stelle aus.)
Absoluter Besteller ist der Kleinwagen Zoe, von dem die Franzosen hierzulande allein im Mai mehr als 500 Fahrzeuge absetzen konnten. Es könnten sogar mehr sein – wenn das Werk in Flins mehr produzieren würde. Und wenn sich die Verkäufer überall im Land mehr ins Zeug legen würden für die Stromer.
Beide Baustellen nimmt der Autobauer nun in Angriff: Bei einem Termin in Berlin gab Gilles Normand, Vorstand für Elektroautos im Renault-Konzern, den Ausbau seiner Produktionskapazitäten bekannt: Für eine Investitionssumme von einer Milliarde Euro wird die Produktionskapazität im Werk Flins verdoppelt, in Douai eine zweite Fertigungsstätte für E-Mobile aufgebaut und im Werk Cleon nahe Rouen die Produktion von Elektromotoren verdreifacht und der Bau der nächsten Motorengeneration vorbereitet. Alle drei Maßnahmen sollen helfen, die Lieferzeiten deutlich zu verkürzen, um die steigende Nachfrage („Es gibt wenige Marktsegmente, die aktuell so stark wachsen“) bedienen zu können. Die Diskussion um die hohen Schadstoffbelastungen in den Innenstädten und über Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotor hätten das Geschäft mit den Stromern spürbar beflügelt.
„Am Anfang“, witzelte Uwe Hochgeschurtz, Vorstandschef von Renault Deutschland, „liefen wir den Kunden hinterher – nun hinter den Komponenten.“ Aktuell müssen Interessenten zwischen drei und sechs Monate warten, bis sie ihren Zoe oder ihren Kleintransporter Kangoo Z.E. in Empfang nehmen können. Das soll sich in der zweiten Jahreshälfte deutlich reduzieren.
Neues Schaufenster für Elektromobilität am Gendarmenmarkt
Und weil inzwischen „mehr und mehr Menschen bereit sind, über die Linie zu gehen und ein Elektroauto zu kaufen“ (Hochgeschurtz), wird nun auch in die Qualifizierung der Autohändler investiert und der Handel auf die neue Zeit vorbereitet. In Berlin eröffnete die Autohaus Gotthard König mit Unterstützung von Renault Deutschland jetzt am Gendarmenmarkt ein spezielles „Electric Vehicle Experience Center“ – zu deutsch: ein Schaufenster für Elektromobile. Es ist das zweite dieser Art in Europa. Das erste wurde wurde im Frühjahr in Stockholm eröffnet und lockte in nur drei Monaten 11.000 Menschen an.
Mithilfe besonders geschulter Verkäufer und in ansprechender Umgebung sollen Interessenten aus der deutschen Hauptstadt nun auch im Schatten des Französischen Doms Antworten auf alle Fragen rund um die Elektromobilität finden. Gezeigt werden nicht nur die neuesten Modelle, geplant sind auch Diskussionsrunden. „An diesem Standort wollen wir den Menschen erklären, wozu Elektroautos gut sind“, umriss Normand die Mission des neuen Experience Center. Elektromobilität soll hier nicht nur in der Theorie vermittelt werden. Eine Reihe von Testwagen erlaubt es Interessenten auch, die neue Antriebstechnik in ihrer ganzen Emotionalität zu erleben. Auch wenn dies im dichten Berliner Stadtverkehr und bei der Vielzahl mehr oder minder unsinniger Tempolimits schwerfällt – die umstrittene Tempo-30-Zone in der Leipziger Straße ist nicht fern: Die technischen Voraussetzungen dafür waren nie besser.
Renault hat seinem Bestseller, dem City-Flitzer Zoe, im letzten Produktionsjahr (2019 kommt ein komplett neuer Zoe auf den Markt) noch schnell einen neuen Motor spendiert. Der von Renault selbst entwickelte R110-Motor leistet nun 80 Kilowatt, umgerechnet 108 PS. Das sind immerhin fast 12 Kilowatt mehr als beim intern R90 genannten Vorgängerantrieb. Mit der Leistungsspritze wollen die Franzosen die Spitzenposition des Kleinwagens im Markt weiter festigen. Und wie fährt er sich damit? Eine Testfahrt in der Eifel gibt ein paar Tage später Gelegenheit, dies zu erkunden.
Stärkerer Motor für den Zoe im letzten Produktionsjahr
Für den Test hat Renault die kurvigen Eifel-Landstraßen rund um den Nürburgring ausgesucht. Um die Nordschleife herum ist in diesem Fall auch genug, denn das neue Zoe-Spitzenmodell ist nicht wesentlich schneller als das alte: Bei 135 km/h ist mit Rücksicht auf den Akku weiterhin Schluss. Die Reichweite liegt mit noch vollem Akku im Alltagsbetrieb bei 245 Kilometer – sagt die Anzeige im digitalen Tachometer. Eigentlich sollte der Zoe im sogenannten, realitätsnahen WLTP-Standard bis zu 300 Kilometer mit einer Akkuladung kommen. Doch flotte Überland-Testfahrten nagen nachvollziehbar am Verbrauch. Nach dem früher maßgeblichen NEFZ-Standard schaffte es der Zoe mit seinem 41 Kilowattstunden großen Akku sogar 400 Kilometer weit. In der Praxis war dies aber nur mit reichlich Rückenwind und bergab möglich. So weit die Theorie. Nun also runter vom Parkplatz, rauf auf die Landstraße.
Da das Warmfahren entfällt und kein Tempolimit anliegt, senkt sich der Testfahrerfuß gleich bis zum Bodenblech. Nominal vergehen 11,4 Sekunden bis zu Tempo 100 – das wären 1,8 Sekunden weniger als beim Zoe mit R90-Motor. Doch gefühlt entfaltet sich die Dynamik nur auf den ersten Metern und auf den Geschwindigkeitsbereichen zwischen 80 und 100 km/h. Ein Blick auf die Drehmomentverteilung des neuen Aggregats erklärt das Gefühl: Während beim alten Motor schon bei 250 Umdrehungen das volle Drehmoment anlag, spüren Fahrer des R110-Motors die 225 Newtonmeter erst ab 1.500 Touren.
Jenseits von Vollgasstarts kehrt sich das Bild um: Einmal in Fahrt, spricht der stärkste Zoe im Modelljahr 2018 ab ungefähr 30 km/h direkter an als sein Vorgänger. Kurze Sprints sind kein Problem – gute Voraussetzungen für den Stadtverkehr und sogar für Überholmanöver auf der Landstraße.
Was ihn bergauf zuweilen ein wenig einbremst, wird ihm bergab schließlich zum Vorteil: 1575 Kilogramm wiegt der Zoe mindestens – genügend Masse, um selbst bei mäßigem Gefälle nennenswert Energie via Rekuperation in den Akku zurückzuspeisen. Auf einen Kilometer Abfahrt springen dann je nach Fahrweise und Gefälle immerhin drei bis vier Reichweitenkilometer heraus. Fahrer mit empfindlichen Ohren werden dabei bemerken, dass das Rekuperationsgeräusch beim R110-Motor weniger präsent ist als noch beim R90.
Dass der typische Zoe-Fahrer-Alltag jedoch nicht allein davon bestimmt ist, der Technik zu lauschen und die Reichweite zu fixieren, weiß auch Renault. Im aktuellen Modelljahr erweitert sich die Ausstattungsliste deswegen um das „Bose Edition Paket“. Für 2.000 Euro Aufpreis gibt es unter anderem ein besseres Soundsystem mit sieben Lautsprechern und hörbar vollerem Klang, eine Rückfahrkamera mit eher pragmatischer Auflösung sowie diverse Leder- und Dekorelemente und andere Fußmatten. Im mittleren Ausstattungsniveau Limited (früher Intens) ist das Soundsystem auch solo für 790 Euro extra zu haben. Neu ist ferner ein Farbpaket für den Innenraum, das für 300 Euro unter anderem Dekorelemente und Sitzbezüge in Nadelstreifenoptik in Blau oder Violett bietet, passend zur neuen Außenfarbe „Blueberry Purple“, die unser Testwagen trägt.
Gratis Update für Frühbucher
Einen frischen Anstrich verpasst sich Renault auch bei seiner Kundenpflege: Wer sich im Frühjahr für einen Zoe in der Ausstattung Intens mit dem großen R90-Motor und kleinen Akku mit 22 Kilowattstunden Speicherkapazität entschieden hatte, bekommt nun ein kostenloses Upgrade auf den großen Akku. „Der Wechsel betrifft nur wenige Kunden in Deutschland“, sagt Silke Hausmann, Produktmanagerin für den Zoe bei Renault Deutschland. Der Schritt sei vor allem mit Verfügbarkeitsengpässen begründet: Um schneller liefern zu können, habe sich der Hersteller zu einem Gratis-Upgrade auf den 41-kWh-Akku entschieden, von dem im September „ein großes Kontingent“ verfügbar werde. Auch die Differenz zur höheren Akku-Miete begleiche Renault für den Erstbesitzer aus eigener Tasche, sagt Hausmann.
Das sind alles gute Gründe, um demnächst einmal im Experience-Center am Gendarmenmarkt vorbeizuschauen. Dann hofft Geschäftsführer Dirk Schumacher endlich auch über Ladesäulen zu verfügen. Gegen den Aufbau einer Stromtankstelle direkt vor den Ausstellungsräumen hatte sich die rot-rot-grün regierte Bezirksregierung gesperrt: Nicht nur Autoverkäufer, sondern auch Lokalpolitiker sind manchmal nur schwer bekehrbar.