Als Hybrid-Pionier ist Toyota heute eine weltweite Macht. In den vergangenen 21 Jahren seit dem Start des ersten, damals von den deutschen Platzhirschen noch schwer belächelten Prius-Modells hat der japanische Automobilriese mehr als 14 Millionen Fahrzeuge mit diesem Benzin-Elektroantrieb verkauft. Und ein Ende dieses Booms ist nicht abzusehen. Allein in diesem Jahr will der Konzern weltweit 1,9 Millionen Teilzeitstromer produzieren und unter die Leute bringen. Mittlerweile gibt es das supersparsame Antriebskonzept in fast allen Baureihen, zudem die Plug-in-Version des kompakten Prius, die fast 60 Kilometer rein elektrisch fahren kann. Kein anderer Hersteller beherrscht bei den Hybriden so perfekt und effektiv die permanente Symbiose zwischen Verbrenner- und Elektromodus, bei denen die Autos in der Stadt zu einem großen Teil elektrisch unterwegs sind — oft mit Benzin-Verbräuchen zwischen drei und höchstens fünf Litern. Ernsthaft, da können Sie in Berlin jeden Taxifahrer fragen.
Doch während fast alle großen Automobilhersteller schon mit ersten vollelektrischen Modellen auf dem Markt sind oder wie Tesla bereits eine komplette E-Palette im Angebot haben, hat ausgerechnet Toyota in diesem Marktsegment noch nicht viel zu bieten. Bis jetzt. Auf der Tokyo Motor Show (23. Oktober bis 4. November) präsentieren die Japaner einen serienreifen ultrakompakten Elektro-Mini. Dieser wendige Zweisitzer soll bereits im nächsten Jahr in Japan auf den Markt rollen und speziell in den großen Metropolen herumstromern. Der batterieelektrische Stadtindianer misst gerade 2,49 Meter, rund 21 Zentimeter weniger als ein Smart. Neben einem extrem kleinen Wendekreis bietet er eine Reichweite von rund 100 Kilometern pro Akkuladung, seine Höchstgeschwindigkeit ist auf stadttaugliche 60 km/h begrenzt.
»Mit dem ultrakompakten Elektroauto offerieren wir ein Fahrzeug, das den Kunden nicht nur mehr Autonomie verleiht, sondern auch weniger Platz benötigt und die Lärm- und Umweltbelastung verringert,« kommentiert Entwicklungschef Akihiro Yanaka. Zur Einführung des kleinen Stromers 2020 will Toyota auch verschiedene neue Geschäftsmodelle anbieten, um die Akzeptanz von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen zu fördern. Neben Dienstleistungen für Ladestationen, Leasing und Versicherungen gehört dazu auch ein kontinuierlicher Check der Batterie über die gesamte Lebensdauer. So stellt man sich das idealerweise vor.
Ein Faustkeil bei Lexus
Auch Lexus hat nun ein vollelektrisches Modell in Arbeit. In Tokio gibt es dazu die rund fünf Meter lange Konzeptstudie LF-30 Electrified zu sehen, die besonders durch ihr krasses Design auffällt. Ein Auto wie ein Faustkeil mit rasiermesserscharfen Kanten und Ecken. Flügeltüren. Das Ganze wie aus einem Stück geschnitzt. Selbst im Innenraum geht es heftig expressiv zu, von den gezackten Sitzen bis zum oben offenen Lenkrad. Gestensteuerung und Augmented Reality (Projektion von Infos imaginär auf die Straße) und diverse Anwendungen künstlicher Intelligenz — alles an Bord.
Lexus verspricht für dieses spacige Auto, das bald in einer Serienversion erscheinen und später, in technisch und optisch abgemilderter Form, in die Produktion gehen könnte, ein »einzigartiges Fahrerlebnis«. Vier elektrische Radnaben-Motoren (!) mit einer Gesamtleistung von 400 kW, die sich allesamt einzeln ansteuern lassen, treiben die 2,4 Tonnen schwere und bis zu 200 km/h schnelle Limousine (Null bis Hundert in 3,8 Sekunden), die mit einem 110-kWh-Riesenakku mal bis zu 500 Kilometer weit kommen soll. Schnellladen mit bis zu 150 kW, dazu noch eine kabellose Ladetechnologie.
Und Toyota selbst will zu den Olympischen Spielen im Sommer 2020 als Shuttle schon ein erstes Elektroauto fahren lassen, das seine Energie aus einer Feststoff-Batterie (extreme Reichweite, Laden in wenigen Minuten) holt, war gerade in Tokyo zu hören.
Europa bekommt die Stromer erst spät
Was haben wir von diesen neuen E-Projekten von Toyota und Lexus? Immerhin sollen ja nach Konzernaussage bis 2025 weltweit zehn batteriegetriebene Modelle auf den Markt kommen. Wunderbar. Aber mittelfristig werden wir davon rein gar nichts merken, selbst die erst im April vorgestellte vollelektrische Version des schön kompakten Toyota-SUVs C-HR marschiert 2020 erst mal zu chinesischen Händlern — und vermutlich auch nicht später zu uns.
Diese gegenwärtige Vollstromer-Abstinenz in Westeuropa und speziell in Deutschland begründen die Toyota-Manager kühl mit Rechenexempeln und wirtschaftlichen Erwägungen. »Im Moment brauchen wir solche Modelle nicht«, erklärt uns Deutschland-Chef Alain Uyttenhoven ungerührt. Die Autohersteller, die jetzt alle mit batterieelektrischen Fahrzeugen auf den Markt kämen, hätten ja hauptsächlich die Furcht, ansonsten die ab 2020 für den Flottenausstoß geltende 95-Gramm-Grenze für den Kohlendioxid-Ausstoß pro Kilometer zu verfehlen — also Angst vor hohen Strafzahlungen. »Wir bei Toyota sind uns heute schon zu hundert Prozent sicher, diesen Wert zu erreichen«. Ergo brauche man hier keine Elektroautos, um die CO2-Werte nach unten zu bringen. Punktum.
»Deshalb«, so Uyttenhoven, »fahren wir voll weiter unsere Hybridstrategie«. Toyota werde in Deutschland in diesem Jahr auf einen Hybridanteil von 60 Prozent kommen, 2020 würden weitere Modellangebote folgen. Ansonsten sei in Deutschland die Bereitschaft, ein ausschließlich batteriegetriebenes Elektroauto zu kaufen, immer noch relativ niedrig, bedauert er, was auch mit der noch mangelnden Lade-Infrastruktur zusammenhänge. Was er nicht sagt: Der europäische und speziell der deutsche Markt bieten schlicht noch keine finanziell lukrativen Stückzahlen für Elektroautos von Toyota. Zu teuer, lohnt sich noch nicht. »Im Übrigen«, argumentiert Uyttenhoven dann aber noch einmal ganz cool, »sind alle unsere Hybridmodelle ja auch Elektroautos«.
Auch Neues bei den Plugin-Hybriden
Genügend Interessenten dürfte dagegen die Plug-in-Hybrid-Version des beliebten SUV RAV4 finden, die im November auf der Autoshow in Los Angeles (22. November bis 1. Dezember) dem Publikum vorgestellt wird. Ein Auto mit Ladestecker immerhin, dessen Lithium-Ionen-Akku bestimmt für 50 rein elektrische Kilometer, also für tägliche Stadtfahrten, gut sein dürfte. Wir rechnen mit einer Systemleistung (vorn ein 2,5-Liter-Benziner, hinten der E-Motor), die über den 222 PS des noch aktuellen RAV4-Hybrids liegt. Die beste Nachricht: Dieser sparsame SUV soll in der zweiten Jahreshälfte 2020 auch zu den deutschen Händlern rollen, Uyttenhoven rechnet »mit einem ordentlichen Kaufinteresse« bei den potenziellen Kunden.
Grundsätzlich ist Toyota mit seinem hohen Hybridanteil beim Autoabsatz (beim RAV4 sind es sogar über 90 Prozent), so gut aufgestellt, dass man Mazda gegen einen niedrigen Millionenbetrag, ohne mit der Wimper zu zucken noch 3 bis 4 Gramm abnehmen kann. Haben wir auch in Tokyo gehört. Das ist nämlich für beide Seiten ein guter Deal. Mazda, derzeit mangels Hybrid-Modellen noch mit einem höheren Flottenwert unterwegs, spart sich so viel deftigere Strafzahlungen, und für Toyota, mit fünf Prozent der Aktien an Mazda beteiligt, ist das fast eine interne Investition.
Wie es weitergeht? Grundsätzlich will Toyota erst ab 2022 vollelektrische Modelle auf einer völlig neuen Elektroplattform schrittweise nach Europa bringen, denn ab 2025 sinkt die zugelassene CO2-Schwelle von 95 dramatisch auf 75 Gramm, da wird es dann selbst für den japanischen Hybrid-Riesen eng.
Der neue Mirai mit Wasserstoff-Antrieb bleibt ein seltenes Exemplar
Und Toyotas Brennstoffzellen-Fahrzeug Mirai? Das bleibt, drastisch gesagt, weiterhin nur ein Vorzeige-Öko. Wurde bei uns bislang für subventionierte 78.600 Euro nur in homöopathischen Dosen verteilt, gerade 138 Exemplare sind in Deutschland zugelassen, nur neun davon sind in privater Hand. In Tokyo zeigt Toyota nun den Nachfolger, der neben mehr Komfort, größerem Platzangebot, höherer Reichweite (drei Tanks, bis zu 650 Kilometer) und per Hinterradantrieb auch mehr Fahrfreude bieten soll. Der Wasserstoff-Schlucker sieht nun viel eleganter aus, fast wie ein viertüriges Coupé. Und mit der Inbetriebnahme einer neuen Fertigungsstätte im nächsten Jahr will die Marke jetzt jährlich bis zu 30.000 Einheiten des Mirai produzieren.
Andererseits: Für gängige Toyota-Dimensionen (über 10,5 Millionen verkaufte Autos im vergangenen Jahr) ist das eine bessere Manufaktur-Montage, auch vom Neuen werden also nur wenige Exemplare auf unseren Strassen auftauchen. Das Auto soll Ende 2020 zu uns kommen. Ein kleines bisschen billiger, aber wieder nur in ganz, ganz kleinen Stückzahlen. Erst für eine künftige dritte Generation, die nach 2025 erscheinen könnte, rechnet Toyota mit Preisen auf dem Niveau leistungsstarker Diesel und weltweit höheren Absatzzahlen. Euphorie sieht anders aus.