Große Fenster in Richtung Süden sind in der Theorie eine feine Sache: Im Sommer strahlt viel Tageslicht ins Zimmer, man kann die Lampen ausschalten und einen Kaffee in der Sonne trinken. In der Praxis ist es leider nicht immer ganz so idyllisch. Nach einigen Minuten in der direkten Sonnenstrahlung kommt man ins Schwitzen und mit zusammengekniffenen Augen versucht man am Computer den Bildschirm zu erkennen. Viele greifen dann zur Schnur, mit der sich das Rollo herunterfahren lässt, oder ziehen die Vorhänge vor.

Ein neues Projekt von Forschern des vom US-Energieministerium finanzierten National Renewable Energies Laboratory (NREL) soll Strom generieren – und nebenbei noch Vorhänge überflüssig machen. Die Wissenschaftler haben ein Konzept für smarte Solar-Fenster vorgestellt. Die Fenster verdunkeln sich bei starker Sonneneinstrahlung automatisch und produzieren gleichzeitig Solarstrom. Dafür nutzen sie das Material Perowskit und einwandige Kohlenstoffnanoröhren.

Dunkel in der Sonne, transparent im Schatten

Wenn sich die Fenster bei Sonneneinstrahlung erwärmen, werden Methylamin-Moleküle im Perowskit aus dem Material abgegeben, die Scheibe verdunkelt sich und erzeugt Strom. Sobald die Sonne verschwindet und die Fenster abkühlen nehmen sie die Methylamin-Moleküle wieder auf und die Scheibe wird transparent. Im abgedunkelten Zustand kommen drei Prozent der sichtbaren Sonneneinstrahlung durch die Scheibe, im transparenten Zustand gelangen 67 Prozent des sichtbaren Lichts durch das Fenster.

Im Test wechselte die Scheibe nach drei Minuten direkter Einstrahlung vom transparenten zum dunklen Zustand und schaffte dann eine Umwandlung-Effizienz von 11,3 Prozent. Das übertrifft die Effizienz bei vorangegangenen Versuchen, Solar-Fenster zu entwickeln.

Energie erzeugen – und sparen

Und noch ein Vorteil, den das NREL-Konzept hat: Bisherige Solar-Fenster waren statisch und haben sich nicht an die Einstrahlung angepasst. Dadurch musste man immer versuchen, genug Lichtdurchlässigkeit und Effizienz zu vereinen und landete meist bei einem Kompromiss, bei dem beide Aspekte nicht ideal umgesetzt werden konnten. „Man musste immer zwischen einem guten Fenster und einer guten Solarzelle entscheiden“, sagt Lance Wheeler, einer der NREL-Wissenschaftler, die an dem Projekt forschen. „Unsere Technologie umgeht dieses Problem. Wir haben eine gute Solarzelle, wenn die Sonne scheint und ein gutes Fenster, wenn sie es nicht tut.“

Außerdem hat das Projekt das Potenzial, nicht nur Energie zu generieren, sondern auch zu sparen. Durch das automatische Abdunkeln gelangen im Sommer weniger Licht und Wärme ins Gebäude. Dadurch muss dann auch die Klimaanlage weniger arbeiten. Das Heizen, Kühlen und Lüften macht immerhin rund 80 Prozent der Energiekosten kommerzieller Gebäude aus.

Potenzial für großen Beitrag zum Strommix

Das Anwendungsfeld der Solar-Fenster ist ein breites, meint Wheeler. Neben Gebäuden könnten sie beispielsweise auch in Autos zum Einsatz kommen und damit ein Schritt in Richtung eines rein solarbetriebenen Wagens sein. Die Fenster könnten Elektronik-Komponenten wie etwa Lüftungen und Fensteröffner betreiben oder das Handy aufladen.

Ein einzelnes Solar-Fenster erzeugt zwar noch keine rauen Mengen an Strom, aber zusammen haben sie enormes Potenzial. Wissenschaftler der Michigan State University (MSU) haben analysiert, wie viel transparente Solarzellen zum Strommix beitragen können. Sie sind dabei von einer Effizienz von gut fünf Prozent ausgegangen. Zwar würden transparente Solarzellen wohl nie ganz an die Effizienz von klassischen Solarpanels herankommen, meint MSU-Wissenschaftler Richard Lunt. Dafür stehe aber wesentlich mehr Fläche für sie bereit. In den USA gebe es rund fünf bis sieben Milliarden Quadratmeter Glas-Fenster-Fläche. Würde diese komplett auf Solar-Fenster umgerüstet, könnte dadurch rund 40 Prozent des Energiebedarfs der USA gedeckt werden – ein ähnliches Potenzial wie übliche Solar-Panels. „Die kombinierte Nutzung der beiden Technologien könnte also nahezu 100 Prozent der Nachfrage bedienen, vorausgesetzt wir verbessern auch unsere Energiespeicher-Technologie“, sagt Lunt.

Wirkungsgrad noch zu instabil

Bis es aber so weit sein könnte, ist für die NREL-Forscher noch einiges zu tun. Perowskit ist zwar ein vielversprechendes Material für Solarzellen mit potenziell hohem Wirkungsgrad, allerdings steckt es noch größtenteils in der Forschung, weil es an unterschiedlichen Stellen hakt. Unter anderem bleibt der Wirkungsgrad nicht über längere Zeit stabil.

Diese Erfahrung haben auch Lance Wheeler und seine Kollegen machen müssen. Die Ergebnisse eines ein Quadratzentimeter großen Test-Stücks verschlechterten sich nach 20 transparent-dunkel Zyklen merklich. Deshalb liegt der Fokus der weiteren Forschung darauf, die Zyklus-Stabilität zu verbessern.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert