Ein immer wärmer werdendes Klima, eine weiter wachsende Erdbevölkerung und knapper werdende Nahrungsmittel – zur Lösung all dieser Probleme wollen das chinesisch-österreichische Architektenpaar Fei und Chris Precht beitragen. Ihre Idee: Wir sparen uns die heute noch nötigen, langen Wege in die Supermärkte und bauen stattessen unsere Nahrungsmittel wieder Zuhause an. Das macht Lieferketten obsolet, auch Verpackungen sind dann überflüssig. Nun hat natürlich nicht jeder Stadtbewohner einen Garten. Daher entwarfen die beiden Baumeister mit ihrem Studio Precht ein flexibles Wohnhochhaus, das zugleich eine städtische vertikale Farm ist. Errichtet aus dem nachhaltigen Baustoff Holz.

Zwei Jahre lang haben die Prechts an ihrem Konzept für ein modulares Bausystem namens „The Farmhouse“ gearbeitet, mit dessen Hilfe sich Treibhäuser und Beete im Gebäude integrieren lassen, das Hochhaus selbst aber auch fast beliebig in die Höhe und Breite wachsen kann. Ein Konzept, das sich in Zukunft in Hunderten Städten weltweit umsetzen ließe. Die einzelnen Konstruktionselemente sollen vorgefertigt und auf der Baustelle nur zusammengesetzt werden, um die Nachbarschaft in der Umgebung nicht durch lange Bauzeiten zu behelligen.

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Neuer Lebensraum

Anders als klassische Hochhäuser hat „The Farmhouse“ keine glatte, abgeschlossene, sondern eine offene Fassade. Die tragenden Elemente bestehen aus laminierten, also in Schichten verklebtem Holz. © Copyright Studio Precht

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Leben im Treibhaus

Das Konzept von „The Farmhouse“ soll Stadtbewohner ermöglichen, ihre Nahrung selbst anzubauen. © Copyright Studio Precht

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Modernes Fachwerk

Das Gebäude ist modular aufgebaut und lässt sich so beliebig erweitern. Querstreben sorgen für Stabilität. © Copyright Studio Precht

Weiterer Vorteil: Dies Urban Farming reduziert den Bedarf an Ackerland, das heimische Treibhaus schützt die Nahrungsmittel vor den Unbilden des Wetters. Hier wird „Nahrungsmittelproduktion sichtbar“, sagt dazu der Erfinder Chris Precht. „Sie betritt unsere Städte. Ich denke, wir vermissen diese physische und mentale Verbindung zur Natur und dieses Projekt könnte ein Katalysator dafür sein, um uns wieder mit dem Lebenszyklus unserer Umwelt zu verbinden.“ Der Kreislaufgedanke spiegelt sich auch in der Gebäudetechnik wider. So wollen die Prechts die Abwärme des Gebäudes für die Treibhäuser nutzen, um das Wachstum der Pflanzen zu fördern. Eine Wasseraufbereitungsanlage filtert und recycelt Regen- und Brauchwasser, während Lebensmittelabfälle in den Gärten als Kompost dienen.

Ökodorf in den Niederlanden

Die Idee der Prechts erinnert an die ReGen-Dörfer des James Ehrlich. Er plant auf allen Kontinenten Ökodörfer zu bauen, in denen sich die Menschen wieder selbst versorgen und autark sind. Dafür gründetet er die Firma ReGen Villages. Ehrlich arbeitete auch an der Stanford University und wuselte als Ökoberater für Barack Obama durchs Weiße Haus. Nun wird sein Plan Wirklichkeit – noch in diesem Jahr nicht weit von Amsterdam in den Niederlanden. Regenerativ soll es in diesem Dorf zugehen, daher der Name. Das geschlossene System macht es möglich, dass die Bewohner Strom aus Biogas gewinnen und organisches Gemüse anbauen. Selbst an die Hühner- und Fischzucht hat Ehrlich gedacht. Der Clou: Statt eines Wintergartens oder eines Schwimmbades findet sich in jedem Haus ein Nutzgarten. Preis pro Haus: 170.000 Euro. Alle Heime in der Gemeinde Almere sind bereits verkauft und etwa 250 Bewohner leben bald dort. Etliche Bewerber haben sich auf den Kaufwunschlisten fürs nächste Dorf eingetragen.

Baumtürme in Italien

Auch Beispiele für begrünte Hochhäuser existieren bereits, etwa mit dem Bosco Verticale, italienisch für vertikales Holz, des Architekten Stefano Boeri. So heißen die stark bewachsenen Zwillingstürme, die seit fünf Jahren in Mailand stehen, 85 und 116 Meter hoch. Darin wuchern Hunderte Bäume und 15.000 Stauden. Erstaunliche 19 Tonnen Sauerstoff gibt das Gebilde jährlich in die Umwelt ab und sorgt so für bessere Luft in der Millionenmetropole. Der Preis für die saubere Sache: 55 Millionen Euro.

Doch um solche vorbildlichen Projekte in die Masse zu tragen, müssten die Preise deutlich fallen. Denn erst wenn es sich auch wirtschaftlich lohnt, werden immergrüne Hochhäuser oder Siedlungen, die für ihre Bewohner sorgen, tausendfach Realität werden.

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