Das legendäre T-Modell von Ford gab es bekanntlich in allen Farben – vorausgesetzt, es war schwarz. Für Elektroautos gilt derzeit eine ähnliche Regel: Es gibt sie in allen Größen und Formen – Hauptsache, es handelt sich um einen SUV. Zum einen, weil die Karosserieform gerade hip ist. Zum anderen, weil es den Konstrukteuren die Arbeit einfach macht: Man setzt die Passagiere auf das Batteriepaket, das sich zwischen Vorder- und Hinterachse breit macht.
Es gibt wie immer die eine oder andere Ausnahme von dieser Regel. Das Tesla Model S kommt als klassische Limousine daher, auch der Polestar 2 sowie der Mercedes-Benz EQE. Und neuerdings bricht auch BMW mit dem i4 die Regel, wonach ein Elektroauto so auszusehen hat, als wäre es für Abenteuer abseits befestigter Straßen gemacht – und für Menschen mit Bewegungsmangel und Bandscheibenvorfall.
Akku mit 87,2 kWh Kapazität
Insofern ist hier schon einmal der Mut von Genesis zu preisen, das Rudel zu verlassen und – kaum auf dem Markt – eigene Wege zu gehen. Erst mit einem vollelektrischen Coupé namens GV60 und jetzt, ganz neu, mit einer Elektro-Luxuslimousine in klassischer Macharbeit. Die Rede ist vom Genesis „Electrified G80“, einem 2,3 Tonnen schweren Schiff von fünf Metern Länge, aber nur 1,47 Metern Höhe: Selbst der Scheitel eines VW ID.3 ragt zehn Zentimeter höher hinaus. Und auch wenn hier ein dickes Batteriepaket mit 87,2 kWh Kapazität im Fahrzeugboden kauert, hat man weder auf dem Fahrersitz noch auf der Rücksitzbank das Gefühl, dass man huckepack auf einem Akkupack durch die Gegend rollt, mit angezogenen Beinen und den Kopf in den Lüften.
Gemacht ist der vollelektrifizierte Luxus-Stromer aus dem Hyundai-Konzern laut Produktmanager Dominik Kling von Genesis Europe für Individualisten mit hohen Ansprüchen, Menschen, die eine „athletische Eleganz“ und eine „veredelte Performance“ zu schätzen wissen. Wenn es dermaßen schwurbelig wird, ist klar: Angepriesen wird ein Auto, das sich in höhere Sphären erhebt.
Der Basispreis von 69.200 Euro liegt nach Abzug des Umweltbonus in bisheriger Höhe noch knapp unter der Wolkendecke. Aber mit ein paar Extras – Assistenzsysteme verschnürt in einem Technikpaket sowie Sitz- und Komfortpakete, Nappaleder (ja, das gibt es hier noch) und Solardach stößt man auch hier schnell in Gefilde vor, in denen die Luft für die meisten Menschen schon sehr dünn wird. Auf 86.370 Euro summierte sich so der Preis unseres Testwagens.
Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h
Und was kriegt man dafür? Ein extrem laufruhiges und antrittsstarkes Elektroauto mit 272 kW (370 PS) Leistung, Allradantrieb und 800-Volt-Architektur, dessen Elektromotoren sich mit bis zu 19.000 Umdrehungen in der Minute drehen und das die Fahrbahn mit einer Kamera scannt, um Unebenheiten mit seinem adaptiven Fahrwerk rechtzeitig ausfedern zu können. Und das sich an Ladestation nicht lange aufhält, wenn nach Sprints über die Autobahn mit bis zu 225 Sachen und einem Durchschnittsverbrauch von 31,3 kWh/100 km (Normverbrauch lt. WLTP: 19,1 kWh/100 km) der Akku dann doch schneller leert als erwartet und die Norm-Reichweite von 520 auf knapp 300 zusammenschnurrt. Nur 22 Minuten soll es dauern, um den nur noch zu zehn Prozent gefüllten Akku wieder auf einen SoC (state of charge) von 80 Prozent zu bringen. Vorausgesetzt, das Fahrziel wurde im Navigationsrechner programmiert, so dass die Batterie bei Erreichen der Ladesäule vorkonditioniert ist.
Die Ladezeit deckt sich dann in etwa mit denen der Schwestermodelle Genesis GV 60, Kia EV6 und Hyundai Ioniq 5. Dennoch fährt das Paradepferd im Genesis-Stall auch hier einen anderen Kurs: Statt mit Ladeleistungen von bis zu 240 kW zapft der elektrifizierte G80 den Strom nur mit maximal 185 kW – die dafür aber sehr lange gehalten wird anstatt schon nach wenigen Minuten stark abzufallen.
Edel-Service ist im Kaufpreis inbegriffen
Das alles spricht für dem E-G80. Und die erste Ausfahrt durch den Taunus und rauf auf den Großen Feldberg macht auch Appetit auf mehr. Das neobarocke Exterieur-Design muss man allerdings mögen – und sich an das Bedienkonzept zumindest ein wenig gewöhnen: Vor lauter Knöpfen und Tastern kann man im Innern des Genesis schon einmal die Orientierung verlieren. Auch ist wegen der Batterie im Boden der Kofferraum kleiner als es von außen erscheint und obendrein uneben.
Vermisst haben wir die futuristische „Crystal Sphere“, die nach dem Drücken des Startknopfs den Wahlschalter für das Getriebe freigibt. Die hübsche Spielerei haben sich die Designer mit Rücksicht auf das ältere Publikum des G80 erspart. Sonst aber fehlt hier nichts. Eine Wärmepumpe für die kalte Jahreszeit gibt es serienmäßig, sogar eine aktive Fahrgeräusch-Unterdrückung über die Lautsprecheranlage. Und natürlich ist im Kaufpreis wie bei Genesis üblich der Service inklusive – um die Details kümmert sich ein persönlicher Assistent im Callcenter.
Das alles relativiert den auf den ersten Blick hohen Preis des Autos – ebenso wie der Blick in die Preisliste des direkten Konkurrenten aus Stuttgart: Der gleich große, aber was die Antriebsleistung anbetrifft deutlich schwächere Mercedes EQE 350+ lässt vieles missen, was der Genesis serienmäßig an Bord hat. Und zur Jahresinspektion muss der Besitzer das Auto noch selbst fahren.