Die Mädels würden ihn mal unauffällig streicheln, und wir Jungs sind auch ganz gerührt. Gott, ist dieser Kleine kuschlig. Allein diese süßen Kugelaugen (Voll-LED-Scheinwerfer!) und dann dieser ebenso rundliche Abgang am Heck. Herzig. Wollen wir haben. Bitte schnell. Nein, jetzt! Ist uns doch völlig egal, dass sein puristisches Design tatsächlich draußen und drinnen den seligen Erfolgs-Civic der ersten Generation zitiert. Wissen die Jüngeren eh nicht, das war vor rund 50 Jahren. Sieht aber in natura gigantisch cool aus, gefällt uns nun besser als die vorherige Messe-Studie (ja Leute, ist Geschmacksache).

Grünsinniger Volksstromer

Genau, wir lobhudeln kräftig den neuen Honda e, das erste vollelektrische Modell der japanischen Marke. Schon deshalb, weil uns dieser Viersitzer nicht als tonnenschwerer Elefant auf Rollschuhen (Psst, wir meinen zwei deutsche Premium-SUV-Stromer), sondern grünsinniger als Volksstromer kommt. Handliche 3,90 Meter lang, 1,75 Meter breit und 1,51 Meter hoch. Wendekreis? Dank Heckantrieb sensationelle 8,60 Meter. Der geborene Rangiermeister. Erinnert uns an den Autoscooter auf dem Rummelplatz. Und an eins von diesen Raumwundern, die drinnen größer als draußen wirken. Passt jedenfalls für unsereins mit 1,94 Metern Körpergröße. Notfalls sogar auf der relativ flach eingebauten Rückbank, wie wir gerade feststellen, nachdem wir uns ein wenig über die ein bisschen fummeligen, automatischen Klapptürgriffe a la Tesla mokiert haben. Wo denn die hinteren Türgriffe sind? Die tarnen sich geschickt in der schwarzen C-Säule.

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Großstadtgeflüster

Mit einem kleinen Wendekreis von 8,60 Metern ist der kleine Stromer das perfekte Stadtauto. Auch der Fahrkomfort und das niedrige Geräuschniveau sind ansprechend. Foto: Honda

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Holz in der Hütte

Sehr wohnlich hat Honda den Innenraum des Kleinwagens eingerichtet. Mit Holz-Imitat und Stoffbezügen aus Recyclingmaterial. Foto: Honda

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Einfach, praktisch, gut

Ja, das gibt es noch: Knöpfe, mit denen sich die Klimanlage punktgenau steuern lässt. Es muss nicht immer ein iPad sein. Foto: Honda

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Schalten und Walten

Über die Wippen lässt sich einstellen, wie viel Energie sich im Schiebebetrieb zurückgewinnen lässt. In der höchsten Stufe wird das Bremspedal überflüssig. Foto: Honda

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Moderne Architektur

Die Meister des Bauhauses hätten ihre helle Freude an dem Honda e: Die Form folgt hier der Funktion, überflüssige Schnörkel haben sich die Designer erspart. Die Front mit den großen Scheinwerfern löst keinerlei Aggressionen, sondern eher Beschützerinstinkte aus. Foto: Honda

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Kabelsalat

Ein schneller Blick unter die „Motorhaube“ des heckgetriebenen Stromers. Unter dem schwarzen Kasten (nein, eine andere Farbe gibt es vorerst nicht) verbirgt sich die Ladeeinheit. Foto: Honda.

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Durch diese hohle Gasse…

…kommt der Honda e ganz locker, auch wenn es sicher noch andere Wege zum Ziel gibt. Mit einer Breite von 1,75 Metern und einer Länge von 3,90 Metern ist der kleine Stromer das ideale Gefährt in der Großstadt. Foto: Honda

Die großvolumigen Sitze (vorn dreistufig beheizbar) tragen ungewöhnlich wohnliche Stoffbezüge, die Türtaschen sind groß genug für unseren alltäglichen Krimskrams, für nächtliche Heimeligkeit sorgt zartes Ambientelicht. Und der Kofferraum? Geht so. Hat mit 171 Litern Volumen ein knappes Format für diese Fahrzeuggröße. Ist aber einigermaßen praktisch strukturiert. Die Rücksitzlehne lässt sich allerdings nur am Stück umklappen, was die Variabilität des Ganzen ein wenig einschränkt. Aber dann ergeben sich immerhin bis zu 871 Liter Volumen bei dachhoher Beladung.

Alles klar bis hierhin? Ob die Japaner die Außenspiegel vergessen haben? Nee, das sind beidseitig diese zarten Zapfen an den Türoberkanten, in denen schmutzsicher hochauflösende Kameras stecken. Serienmäßig. Ergo viel weniger Windgeräusche (merken wir sofort), bessere Rück-Sicht auch im Dunklen. Und die Techniker schwören, dass sich mit diesen, gut einstellbaren Dingern die bösen toten Winkel um bis zu 50 Prozent reduzieren. Haben wir nicht nachgemessen, ist aber gefühlt zu bestätigen. Bei Audis mindestens knapp 70.000 Euro teuren Bic Mac-SUV e-tron kosten solche Hightech-Spiegel übrigens 1540 Euro Aufpreis.

Hey, und das kantige Cockpit erinnert uns ältere Freaks nicht nur an den altvorderen Civic (Zweispeichen-Lenkrad, ausgedehnter Schmuck mit Holzimitat!), sondern auch an Kassettendecks (richtig, das war früher eine Musikanlage) oder an die ersten Mac-Computer. Analoge Äußerlichkeiten, ganz schön raffiniert. Genauer hinsehen, bitte. Denn wusch, alles andere ist voll digital. Das gesamte Cockpit ist quasi eine breitwandige Display-Orgie aus fünf Bausteinen. Alles relativ hoch und auf genau gleicher Höhe — und damit für unsere Augen fix zu erfassen. Hat definitiv keiner in der Liga der Kleinen.

Auto-Kino
Fünf Displays erstrecken sich über die gesamte Breite des Cockpits. Sie zeigen die Aufnahmen der beiden Außenkameras, informieren und navigieren den Fahrer und unterhalten den Passagier auf dem Beifahrerplatz. Foto: Honda

Ganz links und ganz rechts haben wir die 6-Zoll-Schirmchen der Außenkameras, die wirklich gestochen scharfe Bilder liefern. Keine Halsverrenkungen, auch daran könnten wir uns schnell gewöhnen. Und mittig, schräg über uns gibt es einen ganz besonderen Innenspiegel, der sich nämlich ebenfalls, zack, per Knopfdruck auf ein kamerabasiertes Display umklicken läßt. Das bringt ein extrem breites Bild vom Verkehr hinterm Auto, funktioniert bestens. Bei zu viel Sonne gibt es jedoch einige störende Reflexionen, da haben wir dann einfach auf den konventionellen Spiegel umgeschaltet.

Direkt vor unserer Nase der 8,8-Zoll-Fahrerscreen mit Bordcomputeranzeigen, Navi-Einblendungen und so. Rechts davon gleich zwei 12,3 Zoll große Touch-Displays, jeweils mit dem vollen Programm an Infotainment und Connectivity. Alles von Musik (insgesamt sechs Lautsprecher), FM/DAB/Internet-Radio, Navizeugs (HERE-basiert) bis zum Internet-Gedöhns für jedwede Spielerei und kommunikative Ernsthaftigkeit in unseren Lieblingsstaus. Selbstverständlich AppleCarplay, Android Auto. Und die Möglichkeit, die Smartphones zu koppeln. Dazu die hübschen Anwendungen der neuen App My Honda+, mit der sich zum Beispiel vorab Innenraumtemperatur (Klimaautomatik) und Ladezyklus managen lassen. Obendrein mit der Sprachsteuerung noch ein persönlicher Assistent, der auf »Ok Honda!« anspringt bei der prompten Erledigung unserer Wünsche (der Typ scheint wirklich alles zu verstehen) mit einem Comic-Strichgesicht lustige Grimassen schneidet. Noch was? Ja, diese smarte Geofencing-Funktion, die uns alarmieren würde, wenn das Auto (zum Beispiel mit unseren Kids am Lenkrad) einen vorher festgelegten Bereich verlässt.

Generell lässt sich dieser Honda mit dem digitalen Schlüssel für andere Nutzer (eben die jubelnden Kids oder die beste Freundin) freischalten, die dann über ihr Smartphone den Zugang bekommen. Und demnächst könnte der Honda auch Strom fürs Eigenheim liefern, zum Beispiel bei Stromausfällen (die tauende Tiefkühlkost!) oder so. Oder clevere Ladepläne über die App liefern. Wobei der dann für beide Fälle notwendige weiße »Power Manager«-Kasten sich offenbar für den Privatgebrauch noch nicht lohnt, weil er anfangs ziemlich teurer ist, hören wir. Den Preis will man bei Honda lieber noch nicht verraten. »Der Honda e beherrscht diese Technik jedenfalls schon«, erklärt uns freudestrahlend Bingchang Ni, der verantwortliche Mann fürs Energiemanagement. Jawoll, sogar im CCS-Tempo.

Viele praktische Details

Wir schauen uns erst mal noch ein wenig im Testwagen um und entdecken diverse kleine und große Annehmlichkeiten. Beispielsweise die 230-Volt-Steckdose (darf bis zu 1500 Watt verschenken) unterm Armaturenbrett, eine Heizung fürs Lenkrad, Leseleuchten in beiden Sitzreihen, je zwei USB-Anschlüsse vorn und hinten, ein schlüsselloses Zugangssystem («Smart entry & start«), die elektrische Parkbremse, das Ladekabelfach unterm Kofferraumboden (nur praktisch bei leerer Fuhre). Und oben dieses üppige Panoramaglasdach. Uns gefällt auch, dass die Klimaautomatik hier noch easy analog, also direkt per Knopfdruck bedient werden kann.

Ladeklappe 1
Nein, nicht für den Strom, sondern für das Gepäck der Reisenden.

Okay, höchste Zeit, mal mit allem Pipapo richtig Strom zu geben. Einsteigen. Anschnallen, Startknopf drücken, danach den »D«-Button in der Mittelkonsole. Runter mit dem Pedal. Holla, der Kleine saust auf den ersten Metern los wie die sprichwörtliche Katze von Schmitz. Weil seine üppigen 315 Newtonmeter Drehmoment quasi aus dem Stand zuschlagen und mit den 1514 Kilo des relativ leichtgewichtigen Stromers leichtes Spiel haben. Ja, auf Wunsch ist der Süße gern Ampelsieger. Und nur mal nebenbei für die älteren Stammtischjungs: Null bis Hundert geht in 8,3 Sekunden. In diesem Fall sollte der kleine Kippschalter in der Mittelkonsole von »Normal« für den maximalen Bums auf »Sport« umgelegt sein.

Oh, schnell mal ein Blick zur Ladeanzeige. Frische Meldung nach zwei Kilometern: Von seinen maximal 35,5 kWh Energieinhalt hat der im Unterboden verstaute, rund 350 Kilo schwere Lithium-Ionen-Akku (Zellen liefert Panasonic) noch 97 Prozent für uns parat. Reichweite? Angezeigt sind nur 145 Kilometer. Äh, der rechnet das offenbar ruck, zuck runter. Keine Überraschung nach unserem krawalligen Start.

„Wir haben die Einzigartigkeit gesucht“

Offiziell soll der Kurze nach WLTP-Norm ja rund 222 Kilometer weit kommen. Das liegt in etwa auf dem Level des neuen Mazda-Stromers MX-30, aber gut 100 Kilometer unter den Kleinwagen-Werten von zum Beispiel Peugeot e-206, Opel Corsa-e oder Renault Zoe. Doch Honda sieht das Auto eben nicht als Kilometerfresser, sondern als coole Antwort auf die Verkehrsfragen unserer Städte. „Am meisten Sinn macht ein Elektroauto im urbanen Umfeld“, hat uns vor einer Stunde Ko Yamamoto sanft erklärt, Hondas elektromobiler Alleswisser für Deutschland. „Und mit diesem Auto haben wir die Einzigartigkeit gesucht“. Nett formuliert.

Bilanz am Ende der Testfahrt
Der Energieverbrauch hat sich bei 16,7 Kilowattstunden eingependelt. Mit ein wenig Fahrtraining sind sicher noch besser Werte und damit größere Reichweiten möglich. Foto: Eschment.

Uns gefällt unterdessen, dass dieser handliche Japaner nicht wie ein wildgewordener Kühlschrank (wir kennen da so einige gewaltige Geländewagen), sondern wie ein leichtfüßiger Stepptänzer um die Ecken und durch die Kreisverkehre düst – wenn wir das denn wollen. Die feinen Zutaten dafür hat er quasi eingebaut: den Heckantrieb (keine durchdrehenden Räder, kein Antriebszappeln in der Lenkung), die ideale Gewichtsverteilung von 50 zu 50 zwischen Vorder- und Hinterachse, dazu diesen spürbar extrem tiefen Schwerpunkt, der, so Yamamoto, fast auf dem Level des Honda-Supersportwagens NSX läge.

Zwei Motoren zur Auswahl

Jetzt muss noch schnell gesagt werden, dass der Stromer in zwei Leistungsvarianten zu uns rollt. Der Basis-e, der etwas später kommt, powert mit 100 kW (136 PS), der e Advance mit 113 kW (154 PS). Wir fahren das stärkere Modell, das mit seinen Sprintfähigkeiten ziemlich auf den Putz haut. Und schön leise summt er, dieser E-Motor, ein übrigens hundertprozentiges Honda-Aggregat, das direkt unterm Laderaum arbeitet (Aha, deshalb liegt der Boden hier relativ hoch). Die E-Maschine ist fast nicht zu hören, eigentlich nur sanfte Wind- und Abrollgeräusche. Über Federung und Dämpfung müssen wir auch nicht meckern, macht alles einen nahezu perfekten Eindruck.

Um die vielen Fahrerassistenzsysteme des Kurzen kümmern wir uns gerade wenig, aber wir sollten sie zumindest erwähnen. Da gibt es natürlich den automatischen Notbremser, der auch im Düstern die Fußgänger erkennt. Den schlauen Tempomaten, der immer beflissen den Abstand zum Vordermann hält, den Spurhalter und den Geschwindigkeitsbegrenzer. Zudem Verkehrszeichenerkennung, Parkpiepser, die Rückfahrkamera und das automatische Einparksystem, das wir zweimal getestet haben. Längs oder quer in die Lücken, klappt zentimetergenau auf Knopfdruck. Wir müssen nur zugucken.

Weiter geht es hier in Teil 2 mit Infos zum Verbrauch und den Preisen.

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