Das erste „Spitzengespräch der Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft (STAM) – der frühere „Autogipfel“ – brachte keine neuen Erkenntnisse oder gar Beschlüsse. Nach Mitteilung des Bundespresseamtes wurde in großer Runde – ohne Repräsentanten der Bahn oder der Fahrradindustrie, aber mit denen der Evangelischen Kirche – das Ziel bekräftigt, bis zum Jahr 2030 möglichst 15 Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge „mit großem Nachdruck voranzutreiben“ und „gemeinsam“ die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilwirtschaft zu stärken sowie bei Themen wie der Rohstoffversorgung, Batteriezellfertigung und Halbleiterproduktion „weiter eng zusammenzuarbeiten“, um Deutschland und Europa noch resilienter zu machen. Kurzum: Das war nix.

Antriebs- und Mobilitätswende kein Gegensatz

Trotzdem zeigte sich VDA-Präsidentin Hildegard Müller in der Jahrespressekonferenz tags darauf keineswegs enttäuscht – sie habe von dem Treffen ohnehin keine Beschlüsse erwartet. Der Dialog mit den verschiedenen Akteuren in Politik, Wirtschaft und Wissenschaften sei aber wichtig, gerade jetzt: „Manche Klimaaktivisten betrachten das Auto als Feind.“ Dabei hat läge es auch im Interesse der Autoindustrie, wenn Gütertransporte wieder stärker auf die Schiene verlagert würden statt wie aktuell umgekehrt. Müller: „Der Gegensatz zwischen Antriebs- und Mobilitätswende ist konstruiert.“ Die deutsche Autoindustrie sei sich ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung bewusst und stehe „entschlossen zu den CO2-Zielen.“

Mineralwasser statt Champagner
VDA-Präsidentin Hildegard Müller fordert die Politik auf, die Produktion von Grünstrom und Wasserstoff zu befördern, um die Strompreise senken und auch das Angebot an synthetischen Kraftstoffen ausbauen zu können. Foto: VDA
Mineralwasser statt Champagner
VDA-Präsidentin Hildegard Müller fordert die Politik auf, die Produktion von Grünstrom und Wasserstoff zu befördern, um die Strompreise senken und auch das Angebot an synthetischen Kraftstoffen ausbauen zu können. Foto: VDA

Die VDA-Chefin gab sich auf der Pressekonferenz kämpferisch und nahm die Politik in die Pflicht – in Deutschland wie bei der EU in Brüssel. „Industriepolitik muss entfesseln und nicht für Unternehmen entscheiden“ – derzeit werde die Wirtschaft in ein engeres „Korsett aus Regeln und Verordnungen“ gepresst. Dies hemme Innovationen und treibe die Unternehmen aus dem Land: Nach einer aktuellen Umfrage denken 22 Prozent der Autozulieferer bereits darüber nach, Standorte ins Ausland oder ganz aus der EU heraus zu verlagern.

Run auf Elektroautos zum Jahresende 2022

Auch wegen der hohen Energiekosten, die auch die Automobilproduktion in Deutschland massiv verteuert habe. Wurden in der Fertigung früher etwa 300 Euro pro Fahrzeug an Stromkosten aufgewandt, seien allein auf den Posten im abgelaufenen Jahr 800 Euro entfallen. Und in diesem Jahr könnten pro Fahrzeug sogar Stromkosten in Höhe von 1200 Euro entfallen. Das mache eine Fertigung in Deutschland zunehmend unrentabel. Schon jetzt laufen zwei Drittel aller Fahrzeuge deutscher Unternehmen außerhalb des Landes vom Band.

Der deutsche Automarkt war 2022 geprägt durch Lieferengpässe und lange Lieferzeiten, aber auch durch die Entscheidung der Bundesregierung, sich schrittweise von der Förderung der Elektromobilität zurückzuziehen. Da der Umweltbonus in alter Höhe nur bei einer Zulassung vor dem Jahreswechsel galt, gab es im Dezember so etwas wie einen Jahresendspurt: 314.000 Neuzulassungen bedeuteten ein Plus von 38 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Bei den Elektroautos stiegen die Neuzulassungen sogar um 114 Prozent gegenüber dem Dezember des Vorjahres. Unter dem Strich kletterte der Anteil der Stromer an den Zulassungen von Neuwagen in Deutschland auf über 30 Prozente – bei einem Produktionsanteil von nur 20 Prozent.

Autoproduktion im Ausland steigt 
Außerhalb des Landes produzieren deutsche Unternehmen längst doppelt so viele Fahrzeuge wie im Heimatland. Ein Grund dafür sind die hohen Energiepreise hierzulande. Grafik: VDA
Autoproduktion im Ausland steigt
Außerhalb des Landes produzieren deutsche Unternehmen längst doppelt so viele Fahrzeuge wie im Heimatland. Ein Grund dafür sind die hohen Energiepreise hierzulande. Grafik: VDA

Wie sich die Nachfrage nach der Abschmelzung der Förderung für Batterieautos und dem Ende des Umweltbonus für Plug-in Hybride entwickelt, mochten weder Müller noch ihr Chef-Volkswirt Manuel Kallweit abzuschätzen. Die Rücknahme der Prämie nannte Müller „kontraproduktiv“ und eine „enorme Belastung“ für die Branche: „Wir werden die Entwicklung monitoren – und uns dann melden.“ Für das laufende Jahr erwartet der VDA jedenfalls nur eine leichte Steigerung der Neuzulassungen um zwei Prozent auf rund 2,7 Millionen Autos. Das wäre etwa ein Viertel weniger als noch 2019.

EU könnte Lithium zum Giftstoff erklären

Die VDA-Präsidentin nutzte die Gelegenheit auch, um sich klar für synthetische Kraftstoffe auszusprechen, die mit Grünstrom aus Wasserstoff gewonnen werden. „Über Neuwagen allein werden wir die Klimaziele nicht erreichen.“ Es gelte, auch die Bestandsflotte mithilfe von E-Fuels zu dekarbonisieren. Dazu brauche es mehr Grünstrom, aber auch mehr Wasserstoff: „Synthetische Kraftstoffe sollten kein Champagner, sondern Mineralwasser sein.“

Man darf also gespannt sein, womit sich der nächste „Mobilitätsgipfel“ im Kanzleramt beschäftigen wird. Themen dafür werden angeblich bereits gesucht. Eines könnte die Pläne der EU sein, Lithiumsalze als gesundheitsgefährdende Giftstoffe einzustufen – die Produktion von Batterien für Elektroautos in Europa würde dadurch massiv behindert.

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2 Kommentare

  1. Werner Tietze

    Es ist schade, dass Sie die Position des VDA unreflektiert abdrucken. Die behaupteten Steigerungsraten sind absurd, allenfalls temporär und lassen sich in den Strombörsenpreisen der letzten Jahre nicht nachvollziehen. Würden Sie stimmen, wäre die Produktion bereits in den zurückliegenden Jahren stark verlagert worden. Steigende Kosten der Produktion haben vielfältige Ursachen und lassen sich nicht allein auf Energiekosten zurückführen.

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    • Franz W. Rother

      Hätte es gerne gegengecheckt, aber das braucht Zeit – hier ging es um die Wiedergabe von Inhalten einer Pk.

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