Mercedes baut seine Elektropalette nach oben aus. Nachdem zunächst die kleinen Crossover EQA und EQB an den Start rollten, folgen nunmehr die großen Modelle. Besonders dem luxuriösen Mercedes EQS SUV fehlt an sich nur eines: ein passender Name. Denn während die Verbrennermodelle aus dem Hause Mercedes mit einer standesgemäßen Nomenklatur daherkommen, sieht das beim großen Elektro-SUV anders aus. Er trägt wie die Schräghecklimousine die Bezeichnung EQS und den einfachen Annex SUV.
Ansonsten bietet der Elektrobruder des Mercedes GLS mit Produktionsstandort in Tuscaloosa/Alabama jede Menge Platz, einen überzeugenden Elektroantrieb und Reichweiten, mit denen die allermeisten Kunden gut leben können sollten. Das Design des 5,13 Meter langen Mercedes EQS SUV ist dabei volumentauglicher als das der Luxuslimousine – insbesondere in den USA. Durch die ebenso bekannten Proportionen dürften sich auch dort Verbrennerfans mit dem Umstieg leichter tun.
Die enge Verwandtschaft mit der EQS-Limousine ergibt sich durch die identische Plattform, die mit 3,21 Metern den identischen Radstand hat und für sehr angenehme Platzverhältnisse auch in der zweiten Reihe sorgt. Hier bietet der SUV den größten Vorteil gegenüber der Limousine. Während dort die Passagiere mit geringer Kopffreiheit auskommen müssen, geht es im SUV auch hinten ganz luftig zu. Zudem können im SUV (mit allerdings überschaubarem Komfort) in der dritten Reihe zwei Personen bis zu einer Größe von 1,70 Meter Platz nehmen, was den SUV zum Siebensitzer macht.
Viel Platz für bis zu sieben Insassen
So lang der Mercedes EQS SUV auch ist: Schaut man sich manchen Wettbewerber aus China wie den NIO ES8 oder den BYD Tang an, dürfte er gerne noch 10 bis 20 Zentimeter länger sein. Schließlich dürfte der große Crossover in Europa eher eine Nebenrolle spielen – sein Revier sind ganz klar die Vereinigten Staaten. Insgesamt bietet der EQS SUV für die Kunden dort viel Wohlfühlatmosphäre, ohne allerdings an den Luxus einer S-Klasse oder eines GLS heranzukommen. Immerhin lassen sich die äußeren Fondsitze elektrisch verstellen, wobei die Kopfstützen im Unterschied zur Limousine nur händisch zu verstellen sind und praktische Elektrorollos an den Seitenfenstern fehlen. Der Laderaum fasst je nach Sitzkonfiguration – die Rücksitze sind teilbar im Verhältnis 40:20:40 – zwischen 565 und 2.100 Litern. Seltsam nur: Die beiden Stühle der dritten Sitzreihe lassen sich wenig klassentypisch manuell ausklappen. So etwas sollte in dieser Liga elektrisch funktionieren.
So weit – so komfortabel. Doch wie sieht es mit dem Fahren aus? Schließlich ist der Mercedes aus Alabama mit 2,8 Tonnen Leergewicht ein schwerer Brummer. Kann er die Größe und das Gewicht auf der Piste überspielen? Doch trotz eines niedrigen Schwerpunkts und einer serienmäßigen Allradlenkung ist das den Mercedes-Ingenieuren leider nicht gelungen. Der Mercedes EQS SUV bleibt ein riesiges Schiff, für den schnelle Kurvenpassagen nicht das ideale Terrain sind. Beim schnellen Spurwechsel wankt der Stromer sogar spürbar. Auch weil ihm eine aktive Wankstabilisierung fehlt, was man bei einem solchen Luxusmodell mindestens als Option verlangen kann. Für einen Hauch Handlichkeit sorgt immerhin die Hinterachslenkung, die mit bis zu zehn Grad Einschlagwinkel den Wendekreis auf knapp elf Meter reduziert.
Basismodell nur mit Heckantrieb
Zum Start ist der Mercedes EQS SUV in drei Antriebsversionen zu bekommen. Mehr als überraschend ist, dass ein Allradantrieb nicht Standard ist: Das Basismodell des EQS 450+ wird mit einer Leistung von 265 kW/ 360 PS allein über die Hinterachse angetrieben. Zu vermuten ist deshalb, dass sich die meisten Kunden für den EQS 450 4matic entscheiden, der trotz zusätzlich angetriebener Vorderachse die gleiche Leistung bietet und mit 800 Nm maximalem Drehmoment glänzen kann.
Deutlich bulliger im Anzug fährt sich der Mercedes EQS 580 4matic mit 400 kW / 544 PS / 858 Nm. Er tut sich mit dem gewaltigen Gewicht von mehr als 2,8 Tonnen deutlich leichter und schiebt so bullig an, wie man es von einem solchen Modell erwartet. Auf nachdrücklichen Wunsch des Fahrers geht es aus dem Stand in 4,6 Sekunden auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 210 km/h. Das Drehmoment ist gewaltig – der Schub aus Kurven heraus oder ein Spurt auf gerader Strecke – gerade in Verbindung mit dem nahezu lautlosen Vortrieb: Wahnsinn!
Allradler ab 135.000 Euro
Die Lenkung ist ebenso leichtgängig wie präzise und das Pedalgefühl der Bremse auf dem ersten Drittel schlapp. Braucht man die Bremse überhaupt? Kaum, denn je nach angewähltem Rekuperationsmodus bleibt das linke Pedal abgesehen von einer Gefahrensituation nahezu kontaktlos.
Je nach Antriebsvariante und Fahrweise variiert die maximale Reichweite. Mit dem großen 580er-Allrader, der bei uns bei 135.000 Euro startet, verspricht Mercedes dank des Normverbrauches von 20,5 kWh/100 km eine Reichweite von rund 600 Kilometern. Am Schnelllader erstarkt das 108 kWh große Akkupaket mit seinen zwölf Modulen im Unterboden mit einer Ladeleistung von bis zu 200 Kilowatt, was bei leerem Akku einen Reichweitenzuwachs von 250 Kilometern in nur 15 Minuten bedeutet.