NIO ist ein 2014 von William Li gegründetes chinesisches Start-up mit Sitz in Shanghai, das sich auf die Fertigung von Elektroautos spezialisiert hat. Es sieht sich selbst als „Pionier und führendes Unternehmen auf dem Markt für intelligente Premium-Elektrofahrzeuge“, das es sich mit dem Aufbau einer entsprechenden, schnell wachsenden Community zur Aufgabe gemacht habe, „einen fröhlichen Lebensstil zu gestalten.“

2021 beschäftigte NIO weltweit mehr als 14.000 Mitarbeiter, in München gibt es ein globales Design- und Markenentwicklungszentrum mit mehr als 120 Angestellten aus 27 Nationen. Produziert wird im chinesischen Hefei. Die Elektroauto-Marke sieht sich auch in einer führenden Position bei der Entwicklung von Batterietechnologien, testet schon autonom fahrende Autos und betreibt bereits 915 „Power Swap Stations“, an denen in wenigen Minuten leer gefahrene Autobatterien gegen geladene ausgetauscht werden können.

Als erstes NIO-Auto startete 2018 der Siebensitzer-SUV ES8, 2019 folgte der kleinere Fünfsitzer-SUV ES6, von dem es auch die coupehafte Version EC6 gibt. Als neues Modell startet demnächst demnächst das fünfsitzige Mittelklasse-SUV ES7. Mit dem großen ES8 ist NIO seit September 2021 nach China auch in Norwegen auf dem Markt. Im vierten Quartal 2022 kommt NIO nach Deutschland, anders als in Norwegen aber nicht mit dem SUV ES8, sondern mit der großen vollelektrischen Premium-Limousine ET7. Später soll bei uns die neue Mittelklasse-Limousine ET5 folgen. Insgesamt hat NIO bisher fast 200.000 E-Autos ausgeliefert.

Neueste Nachricht aus China: NIO plant für 2024 mit einer Sub-Marke den Einstieg in Massenmarkt für Elektroautos, um dann auch gegen Hersteller wie VW anzutreten zu können. Über die Pkw-Produktion hinaus engagiert sich das Unternehmen im Umweltschutz und motorsportlich in der Formel-E-Weltmeisterschaft.

Über die Pläne des chinesischen Autoherstellers für Deutschland sprachen wir in München mit Hui Zhang, dem Chef von NIO in Europa.

Hui Zhang
Der 49-Jährige ist seit 2016 Vice President von NIO Europe und leitet den deutschen Standorte in München und den englischen in Oxford. Nach seinem Studium in Peking, Pforzheim (MBA, Master of Business Administration) und Utah war er für Zulieferer wie Kiekert, Lotus und Leoni tätig.
Hui Zhang
Der 49-Jährige ist seit 2016 Vice President von NIO Europe und leitet den deutschen Standorte in München und den englischen in Oxford. Nach seinem Studium in Peking, Pforzheim (MBA, Master of Business Administration) und Utah war er für Zulieferer wie Kiekert, Lotus und Leoni tätig.

Herr Zhang, das chinesische Start-up NIO baut ausschließlich Elektroautos und will überhaupt keine gewöhnliche Automarke sein. Welche Philosophie steckt hinter dem Unternehmen?

NIO ist ein globales Start-up und seine besondere Mission ist es, mit smarten Premium-Elektrofahrzeugen, die ein herausragendes Nutzererlebnis bieten, unseren Usern ein positives Lebensgefühl zu vermitteln. Viel Lebensfreude und schöne Erfahrungen, die sie untereinander teilen können. »Shape a joyful Livestyle«, so hat unser Firmengründer William Li diese Philosophie beschrieben.

Wie wollen Sie denn dieses spezielle Image nach Deutschland transportieren? Über die NIO Houses?

Unsere grundsätzliche Mission ist global, unsere Ziele bleiben also überall die gleichen, egal auf welchen Markt wir in Europa oder in der Welt gehen. Weil wir tief davon überzeugt sind, dass der Sinn unseres Unternehmens, dieser freudige Lifestyle und die Nachhaltigkeit, überall in der Gesellschaft gilt. Egal ob man in China lebt, in den USA oder hier in Deutschland. Natürlich hat die Art und Weise, wie wir diese Botschaft kommunizieren wollen, auch eine landesspezifische Prägung.

Zum Beispiel?

Dass es auch in Deutschland eine wichtige Frage ist, für welche Empfänger sich unsere Botschaft, unsere Autos besonders gut eignen würden. Nehmen Sie zum Beispiel Ihre Außenministerin, Frau Bärbock von den Grünen, die mir da gerade einfällt. Zu ihr würde ein elektrischer ET7 durchaus passen. Oder besser unser geräumiges SUV ES8, schließlich hat sie ja eine Familie mit Kindern. Überhaupt könnten unsere Autos für fortschrittliche Entscheider in der deutschen Gesellschaft sehr interessant sein. Und natürlich überhaupt für aufgeschlossene, engagierte Menschen.

Warum eigentlich?

Weil wir ein rundum komplettes Ökosystem offerieren. Und dabei hat unser Kompass vier attraktive Richtungen. Nummer eins ist das smarte, nachhaltige Elektroauto mit unseren zukunftsweisenden Features bis hin zu Feststoffbatterien oder dem autonomen Fahren. Nummer zwei ist das Netzwerk, das unsere umfangreichen Ladeangebote umfasst, inklusive der Swap-Stations, dazu kommen wir bestimmt noch. Dann haben wir da das gesamte digitale System mit den NIO-Apps. Und schließlich unsere Point of Sales, die Anlaufstellen für den Autokauf, die auch unsere NIO Houses und unsere Service-Center beinhalten. Wichtig ist, dass wir sämtliche Berührungspunkte zu unseren Usern beherrschen, sowohl online als auch offline. Und immer den Kontakt mit den Kunden halten.

„Frau Bärbock würde ein elektrischer ET7 durchaus passen. Oder unser geräumiges SUV.“

Wo öffnet denn das erste NIO House in Deutschland? Hier in München?

Da bleibe ich mit einer Antwort noch ein bisschen vorsichtig. Natürlich haben wir dafür schon eine Planung und in unterschiedlich großen Städten Deutschlands wird auch bereits gebaut. Aber welches House wo zuerst öffnet? Da bitte ich noch ein bisschen um Geduld, bis wir das bekannt machen können.

Wir hätten inzwischen schon ein paar Ideen. München, Berlin, Hamburg…

Dazu nur so viel: Wenn ich den deutschen Markt aus ausländischer Perspektive betrachten würde, dann würde ich für Premium-Elektroautos zuerst auf die großen Metropolen schauen. Und da gibt es eine Handvoll interessanter deutscher Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern. Mit den dazugehörigen, sehr attraktiven Zentrumslagen.

NIO-House in Oslo 
Einladende Orte zum Entspannen, Arbeiten, Begegnen und Feiern, mit coolen Cafés, Büchereien und Meetingräumen. Fotos: NIO
NIO-House in Oslo
Einladende Orte zum Entspannen, Arbeiten, Begegnen und Feiern, mit coolen Cafés, Büchereien und Meetingräumen. Fotos: NIO

Wann geht das los? Im Sommer?

Im vierten Quartal dieses Jahres, also etwas nach dem Sommer, starten wir ja bereits mit der Fahrzeug-Auslieferung an die Endkunden. Die Houses müssen deshalb etwas früher fertig sein.

Wird das bei uns am Anfang nur ein einziges NIO House oder starten da gleich mehrere dieser Zentren?

In China haben wir jetzt schon 46 Houses, das ist der aktuelle Stand. Dazu 380 sogenannte NIO Spaces. Allein in Shanghai gibt es zehn NIO Houses. Also können Sie ruhig davon ausgehen, dass es in allen wichtigen Städten Deutschlands NIO Houses geben wird.

Als erstes Modell kommt der ET7 nach Deutschland, eine 5,20 Meter lange Luxuslimousine mit einer Leistung von bis zu 480 kW. Warum starten sie hier mit der Limousine und nicht mit einem SUV wie in Norwegen?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Aber erst einmal muss ich sie korrigieren: Das ist keine Luxus-, sondern eine Premium-Limousine. Unsere Marktpositionierung ist Premium. Genauso wie beim SUV-Modell ES8. Wenn wir Luxus meinen, dann reden wir über Verkaufspreise von über 150.000 Euro, im Superluxus-Bereich von über 300.000 Euro. Da liegen wir weit drunter. Warum wir in Deutschland mit dem ET7 starten? Ganz einfach: Das ist das erste Auto auf unserer neuesten NIO-Technologieplattform 2.0, während unsere SUVs noch die 1.0-Plattform nutzen.

Sie wollen den deutschen Kunden das Beste bieten?

Sie sagen es: unsere aktuellste, smarteste Technologie. Und außerdem finden wir, dass der ET7 auch vom Design her noch gelungener ist als der große SUV, der später ebenfalls die neue Software-Architektur bekommt.

Premium, nicht Luxus 
Der 5,20 Meter lange ET7 wird das erste Auto von NIO in Deutschland. Es nutzt erstmals die neue NIO-Technologieplattform 2.0.
Premium, nicht Luxus
Der 5,20 Meter lange ET7 wird das erste Auto von NIO in Deutschland. Es nutzt erstmals die neue NIO-Technologieplattform 2.0.

Wie steht es denn mit der für den ET7 prognostizierten überragenden Reichweite von über 1000 Kilometern, die an eine 150-kWh-Batterie gekoppelt ist? Kommt die gleich zum Verkaufsstart?

Da zitiere ich das, was William Li am Ende des letzten Jahres auf dem NIO-Day gesagt hat. Wir starten zuerst auf dem chinesischen Markt mit der 150-kWh-Batterie. Und zwar Ende dieses Jahres, also noch 2022. Wir arbeiten planmäßig an diesem Launch.

Also in Deutschland nicht mehr in diesem Jahr?
Nein, zuerst in China.

Ist das dann wirklich schon eine Feststoffbatterie?

Ja. Und wenn Sie sich unsere Technologie-Roadmap anschauen, werden Sie feststellen, dass wir in vielen Bereichen die Ersten sind. Zum Beispiel mit dem Mobileye Generation 4-Chip, da hatte Nio das erste Serienfahrzeug mit dessen Nutzung. Und jetzt sind wir bei ET7 und ET5 die ersten, die fürs autonome Fahren den neue Adam-Supercomputer mit der weltweit höchsten Rechenleistung (auf Basis von vier Nvidia Drive Orin OCs, die Red.) in Serienautos einsetzen. Der garantiert Datenverarbeitung in Echtzeit. NIO ist da ein echter Pionier.

Mal ganz nebenbei: Der ET7 ist über 200 km/h schnell?

Ja, natürlich.

„Wir sind in vielen Bereichen die Ersten.“

Und vorbereitet fürs weitgehend autonome Fahren?

Richtig, und dieses autonome Driving-System ist eine unserer Top-Technologien. Das erste Auto mit den Lidars vorn auf dem Dach in dieser schönen Design-Position. Das hat so einfach und elegant bisher noch niemand hinbekommen. Wobei unser autonomes Driving-System ja aus vielen Bausteinen besteht — Sensoren, Lidaren, Kameras und so weiter. Insgesamt wirken hier 33 Sensor-Einheiten, die pro Sekunde acht Gigabite Daten verarbeiten können.

Klingt gut, aber auf welchem Level kann der ET7 autonom fahren?

Beim SUV ES8 war das noch ein reines Fahrer-Assistenzsystem, aber beim ET7 reicht das dann tatsächlich bis auf Level drei bis vier.

Da kann der Fahrer also auch einmal abschalten. Ist dieser Autopilot bei NIO inklusive? Bei Tesla kostet das Ganze extra und ist sehr teuer.

Sie werden das System bei uns ganz normal kaufen, aber auch auf monatlicher Basis mieten können.

Und welche Garantie geben Sie am Ende auf ihre Elektroautos?

Das richtet sich nach den jeweiligen länderspezifischen Anforderungen und gesetzlichen Regelungen. In Norwegen zum Beispiel geben wir eine Garantie von acht Jahren auf die Batterie.

Was sind die avisierten Wettbewerber für einen NIO ET7? Die Modelle von Mercedes, BMW und Audi?

NIO ist von Anfang an als Premium-Autohersteller positioniert. Da haben wir dann logischerweise die bekannten Namen im Premiumsegment, in Deutschland also tatsächlich Audi, Mercedes und BMW, aber daneben natürlich auch Volvo, Jaguar oder Land Rover.

Von den Kaufpreisen her ist NIO offenbar deutlich attraktiver.

Ja, der gut ausgestattete ET7 ist da ein schönes Beispiel. Das Auto ist mit seiner Länge von 5,10 Metern nur wenig kürzer als ein BMW Siebener. Aber auf dem chinesischen Markt bewegen wir uns beim Verkaufspreis auf dem Niveau eines BMW Fünfer.

Können wir das mal einfach so in Euro umrechnen?

Je nachdem, welche Ausstattung man da beim ET7 ansetzt, wären wir in der aktuellen Währungssituation bei einem Kaufpreis von gut 70.000 Euro. Das liegt auf dem chinesischen Markt deutlich unter einem Siebener BMW.

NIO ET5
Mit einer neuen Feststoff-Batterie soll die Limousine bis zu 1000 Kilometer ohne Ladepause fahren können.

Bei vielen Elektroautos der Konkurrenz drohen Preiserhöhungen auf Grund der extrem gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise. Kann NIO seine Preise halten?

Wir sind ebenfalls mit dieser Herausforderung konfrontiert. Speziell mit der Steigerung der Rohstoffpreise und Lieferengpässen für bestimmte Komponenten. Wir sind zwar nicht von den Kabelsträngen aus der Ukraine betroffen, haben aber diese strengen Lockdowns bei uns, die unsere Produktion beeinträchtigen. Zum Beispiel in Changchun und Shanghai, den wichtigsten Automotive-Standorten in China. Deshalb hat NIO auf dem chinesischen Markt angekündigt, dass wir für bestimmte Modelle ab Mitte Mai die Preise erhöhen müssen. Mehr kann ich dazu derzeit noch nicht sagen.

Wir haben gehört, dass NIO, wenn es mit dem Verkauf super laufen würde, zusätzlich in Europa bei einem Auftragsfertiger produzieren könnte. Bei Valmet oder Magna Steyr vielleicht?

Das kann ich noch nicht kommentieren. Aber wir haben ja inzwischen zwei leistungsstarke Fabriken. Eine davon ist unser Stammwerk Hefei, in dem wir die Kapazität auf bis zu 300.000 Autos erhöhen können. Wir komplettieren gerade die Fabrik zwei, die sich in der gleichen Stadt im NeoPark befindet und ebenfalls eine Kapazität von 300.000 Einheiten hat. Damit haben wir also schon ein hohes Volumen parat. Wir werden natürlich genau beobachten, wie sich die Märkte und ihre Volumina entwickeln. Und die geopolitische Lage, überhaupt die volkswirtschaftlichen Bedingungen.

„Wir arbeiten ständig an der Kostenoptimierung.“

Der ET7 hat auch eine Wechselbatterie im Unterboden, nicht wahr?

Alle unsere Fahrzeuge beherrschen beides. Sie können deren Batterien an entsprechenden Wallboxen oder Säulen wieder aufladen oder in einer Station die leergefahrene Batterie schnell gegen eine volle wechseln.

Im nächsten Teil erfahren Sie mehr über die Deutschland-Pläne von NIO.

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