Doch, es gibt sie noch, die Familienkutschen. Volkswagen hat gerade die fünfte Generation des Hochdachkombis Caddy in den Handel gebracht, auch der VW Touran und der Sharan können noch geordert werden – auch wenn das Ende beider Modellreihen bereits besiegelt scheint. Auch hinter der Zukunft des Renault Grand Scenic steht ein großes Fragezeichen – wie hinter der des Ford Tourneo Connect. Bei Fiat gibt es den Doblo bereits nur noch in Cargo-Ausführung. Und Opel hat den Zafira bereits als „Life“ in einen Kleinbus verwandelt und gegen den VW-Bus positioniert.
MPVs – Multi-Purpose-Vehicles – für Privatkunden gehören zu einer aussterbenden Fahrzeuggattung. 2007 entfielen in Deutschland noch fast 20 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen auf diese Kategorie. Aktuell werden nach den Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes aber nur noch etwa zwei Prozent aller Autos als Vans zugelassen – dafür über 23 Prozent in der Kategorie SUV.
Citan hüpfte von der Streichliste
Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Segments macht nun ausgerechnet Mercedes. V-Klasse und Vito sind zwar auch dort nicht gerade Zulassungs-Könige. Und der Kastenwagen Citan (Eigenwerbung: „Der Held der Straße“) erfreut sich selbst unter Handwerkern keiner allzu großen Popularität – das Schwestermodell des Renault Kangoo machte in den zurückliegenden acht Jahren mit Qualitätsmängeln, Rückrufen und schlechten Crashtest-Ergebnissen mehr Schlagzeilen als mit Verkaufserfolgen. Lange hieß es deshalb in Stuttgart, das Modell bekomme keinen Nachfolger, die Baureihe werde ersatzlos eingestellt.
Denkste. Das Concept EQT beweist das Gegenteil: Mercedes-Benz wird die Baureihe – und damit die Kooperation mit Renault – nicht nur fortführen, sondern sogar ausbauen. Mit einer vollelektrischen Version und einer Splittung in eine Linie für Gewerbekunden und eine für Privatkunden. Die Handwerker behalten ihren Citan und kriegen den Nachfolger – auch in einer elektrischen Version – noch in diesem Jahr. Familien und „freizeitaktive Privatkunden“ sollen ab kommendem Jahr auf die neue T-Klasse abfahren. Produziert werden die Fahrzeuge im französischen Maubeuge, auf dem gleichen Band wie der neue Renault Kangoo.
Renault Kangoo schon seit 2011 als Stromer
Den kleinen Franzosen gab es als Kangoo Z.E. Maxi sogar schon seit 2011 als fünfsitzigen Stromer. Angetrieben von einem 44 kW (60 PS) starken Elektromotor und einem Lithium-Ionen-Akku mit 33 Kilowattstunden (kWh) Speicherkapazität kam der Fünftürer mit einer Akkuladung bis zu 230 Kilometer weit. Wenigstens 29.700 Euro werden dafür aktuell aufgerufen. Davon geht der Umweltbonus ab, den Renault auf 10.000 Euro aufgerundet hat.
Wie groß die Batterie im Mercedes-Benz EQT – und im baugleichen Renault Kangoo Z.E. der zweiten, nun E-Tech genannten Generation – sein wird, ist noch ebenso wenig bekannt wie der Preis der beiden Stromer. Allerdings wird die Elektroversion des Kangoo auch erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 verfügbar sein, der Mercedes EQT möglicherweise auch erst zum Jahresbeginn 2023. Die Rede ist von zwei Versionen mit 260 und rund 400 Kilometer Reichweite. Variante 1 ist wahrscheinlich auch eher auf Gewerbekunden gemünzt, die den vollelektrischen Kangoo und den Citan hauptsächlich im Stadtverkehr nutzen werden.
Familienglück unterm Sternenhimmel
Bei der Präsentation des 4,94 Meter langen und 1,82 Meter hohen Concept EQT waren Mercedes-Benz erst einmal andere Dinge wichtiger. Herausgestrichen wurde die „neue Hochwertigkeit im Small-Van-Segment“ und die „maximale“ Variabilität der neuen Familienkutsche. So glänzte das Konzeptauto nicht nur mit 21 Zoll großen Rädern und einer tiefschwarz strahlenden Metallic-Lackierung sowie einer neuen, edel anmutenden Cockpit-Landschaft sondern auch mit einem großen Panoramadach, in das unzählige Mercedes-Sterne eingelasert waren. Und um die Eignung des EQT als Freizeitfahrzeug unterstreichen, haben sich die Mercedes-Designer auch noch ein elektrisches Longboard aus Aluminium einfallen lassen, das der Breite nach genau in den Kofferraum passt und dort unter einem schicken, Alu-gerahmten Plexiglas-Deckel verstaut wird.
Platz soll es im neuen Kompakt-Van reichlich geben und deutlich mehr als im Vorgängermodell. Vorgesehen sind drei vollwertige Sitze in der zweiten Reihe sowie die Möglichkeit, zwei Notsitze aus dem Boden des Laderaums herauszuzaubern – dergleichen bot allerdings schon 1999 der Opel Zafira der ersten Generation. Serienmäßig wird der Raumgleiter über elektrisch angetriebene Schiebetüren verfügen sowie eine elektrisch angetriebene Heckklappe. Je nach Sitzkonstellation stehen in den Modelle der T-Klasse zwischen 3,3 und 4,9 Kubikmeter Raum für Gepäck, Kinderwagen und sonstigen Kleinkram zur Verfügung. Damit sollte Familienausflügen nichts mehr im Wege stehen.
Vor allem aber werden Mercedes Citan und T-Klasse – ebenso wie der Renault Kangoo – vom Start weg über eine ganze Batterie von Assistenzsystemen verfügen: Auch in punkto Sicherheit sollen die neuen Autos keinerlei Angriffsfläche mehr bieten.
Der Renault Kangoo wird als erster den Beweis antreten können – er kommt bereits in diesen Tagen in den Handel. Für den Mercedes bleibt da noch ein n wenig Zeit nachzureifen.