Die Sonne scheint, der Vogelsbergkreis lockt mit kurvenreichen Landstraßen – und vor der Tür steht der nagelneue Mini Cooper SE, im „Classic Trim“ und in der Lackierung „Sunnyside Yellow“. Kann ein Tag besser beginnen? Unsere letzte Begegnung mit dem Elektro-Zwerg liegt schon eine ganze Weile zurück und brachte die Gute-Laune-Hormone nicht gerade in Schwung: Zu gering war die Reichweite des Elektroautos, zu hoch der Preis und irgendwie merkte man dem Cooper Electric Cooper damals – 2021 – an, dass er eher ein Feigenblatt im Modellangebot war denn ein ernsthafter Versuch, die Mini-Fans zur Antriebswende zu motivieren. Dass in Deutschland trotzdem über 10.000 Exemplare des Stromers abgesetzt werden konnte, dürfte vor allem am Umweltbonus in Höhe von rund 9.000 Euro gelegen haben.

Mini made in China

Inzwischen hat sich jedoch viel getan. Der staatliche Umweltbonus ist Historie und die BMW Group als Mini-Eigner hat das Fahrzeug auf eine komplett neue Basis gestellt, sowohl technisch wie wirtschaftlich. Denn der dreitürige Elektro-Mini der Baureihe J01 entstand in einem Joint Venture mit dem chinesischen Hersteller Great Wall Motor, der die neue Plattform sowie den Antriebsstrang für seinen Vollstromer Ora 03 nutzt. Die Antriebsleistung stieg von 135 auf 160 kW (218PS), die Akkukapazität von brutto 32,6 auf 54,2 kWh. Und die Mini-Designer um Oliver Heilmer haben sich mächtig ins Zeug gelegt, um das ikonische Design des Mini für die Generation E noch ansprechender, noch emotionaler zu machen. Und zwar außen wie innen.

Unter Hochspannung
Die Lackierung in „Sunnyside Yellow“ steht dem Mini Cooper SE gut, vor allem in der Kombination mit einem weißen Dach. Der Akku im Boden des Kleinwagens aus chinesischer Produktion speichert hier 54,2 Kilowattstunden.

Der Funke springt jedenfalls sofort über, als ich mit dem Funkschlüssel den gelben Mini öffnet und er mir mit dem LED-Tagfahrlicht freundlich zublinzelt – die nette „Welcome Inszenierung“ der Kulleraugen ist Teil des – bitte nicht erschrecken – 5.970 Euro teuren L-Package. Das (leider nicht zu öffnende) Panorama-Glasdach zählt ebenso dazu wie die „Mini Experience-Codes“ – Ton- und Lichteffekte, die auf die vier Fahrmodi abgestimmt sind. Was man heute angeblich braucht, um die Fahrer von Elektroautos bei Laune zu halten und den Verlust der Verbrennungskraftmaschine – im Volksmund manchmal als Explosionsmotor bezeichnet – vergessen zu machen.

Testwagen für fast 50.000 Euro

Aber zum Fahren kommen wir später. Erst einmal genießen wir das ebenso liebe- wie geschmackvoll eingerichtete Interieur. Obwohl der Mini erst einmal nur in China vom Band läuft, ist die Verarbeitung erstklassig. Ok, an Hartplastik mangelt es nicht. und das Head-up-Display ist eines der billigsten Sorte: Fahrinformationen werden hier hinterm Lenkrad in eine durchsichtige Plastikscheibe projiziert, die wie eine Nachrüstlösung aus dem Online-Shop von Temu aussieht. Bei einem Auto, das wie der komplett ausgestattete Testwagen aktuell 48.680 Euro kostet, hätte man schon eine höherwertige Ausführung erwartet.

Runde Sache 
240 Millimeter große ist die hochauflösende OLED-Scheibe über der Mittelkonsole, die mit Sprachbefehlen oder per Fingerbewegung gesteuert wird. Die Brillanz der Darstellung ist bislang einzigartig.
Runde Sache
240 Millimeter große ist die hochauflösende OLED-Scheibe über der Mittelkonsole, die mit Sprachbefehlen oder per Fingerbewegung gesteuert wird. Die Brillanz der Darstellung ist bislang einzigartig.

Nicht gespart haben die Einkäufer von Mini immerhin bei den Sitzen, die bequem sind und guten Seitenhalt bieten – sowie dem hochauflösenden OLED-Display über der Mittelkonsole, das mit einem Durchmessen von 240 Millimetern fast die Größe einer Frisbee-Scheibe hat und gestochen scharfe Darstellungen liefert. Vom Straßenverlauf, von Reichweite und Uhrzeit oder – im Eco-Modus – von einem flatternde Vögelchen. Je nach Laune lässt sich üper Kipphebel in der Mittelkonsole oder in Untermenüs fast alles individualisieren. Mein Favorit war der „Classic“-Mode, der die Fahrinformationen mit einem leichten Braunstich im Stil des seligen Ur-Mini aufscheinen lässt.

Stromern mit Space-Sound

Und wie startet man das Ding? Ich brauche einen Augenblick, um dann den kleinen „Power“-Drehknopf in der Mittelkonsole zu entdecken. Gleich nebenan ist in weiterer Kippschalter, über den sich die Fahrtrichtung bestimmen lässt: Das nennt man wohl Mini-malismus der verspielten Art. Aber dann wird es auch schon ernst. Zumindest drehmomenttechnisch: Ein Tritt aufs Fahrpedal und mit 330 Newtonmeter Drehmoment schießt der Cooper SE auf die Straße. Der Akku ist noch zu 90 Prozent gefüllt, eine kleine Anzeige oben rechts auf der Frisbee-Scheibe verspricht eine Reichweite von 380 Kilometern – da lacht das Herz eines jeden Elektromobilisten.

Drehen und drücken 
Der "Zündschlüssel" ist als Drehknopf in die Mittelkonsole im typischen Mini-Stil integriert. Der Fahrschalter sitzt links, der Schalter für die vier Fahrmodi rechts davon. Die Fensterheber? Die Schalter dafür finden sich in den Türen.
Drehen, drücken und kippen
Der „Zündschlüssel“ ist als Drehknopf in die Mittelkonsole im typischen Mini-Stil integriert. Der Fahrschalter sitzt links, der Schalter für die vier Fahrmodi rechts davon. Die Fensterheber? Die Schalter dafür finden sich in den Türen.

Etwas nervig ist nur die akustische Untermalung der Beschleunigung mit einem synthetischen Sound, der von Science-Fiction-Filmen inspiriert scheint. Den werden wir bei nächster Gelegenheit abschalten. Denn bekanntlich liegt die Kraft in der Ruhe – und zählt die (Lauf-)Ruhe zu den größten Stärken der Elektrotraktion. Neben einer Dynamik, die keine Schadstoffe in die Luft bläst.

Erfreulich sparsamer Stromverbrauch

Mini warb schon immer mit einem Go-Kart-ähnlichen Fahrfeeling. In der neuesten Version lässt sich das nun auch in der Elektroversion des Cooper S erleben. Trotz eines Leergewichts, das mit rund 1680 Kilogramm das des weiterhin angebotenen, 150 kW starken Benziners um mehr als 300 Kilogramm übertrifft. Weder schiebt er in den Kurven über die Vorderräder noch geht ihm beim Beschleunigen aus der Kurve die Puste aus. Die Abstimmung des Fahrwerks ist, na klar, sportlich, aber nicht knüppelhart. Und für ein Elektroauto ist die Lenkung sehr direkt. Das Zirkeln durch schnelle Kurvenfolgen auf der Ideallinie macht damit einen Riesenspaß.

Windschnittig 
Die Frontscheibe des neuen Mini Cooper SE ist flacher gestellt als beim Vorgängermodell. Das sorgt für einen günstigen cW-Wert von 0,28 und hilft mit, den Stromverbrauch zu mindern: Im Drittelmix sollen weniger als 15 kWh/100 km drin sein.
Windschnittig
Die Frontscheibe des neuen Mini Cooper SE ist flacher gestellt als beim Vorgängermodell. Das sorgt für einen günstigen cW-Wert von 0,28 und hilft mit, den Stromverbrauch zu mindern: Im Drittelmix sollen weniger als 15 kWh/100 km drin sein.

Der eine oder andere wird sicher bemängeln, dass der Vorwärtsdrang des Cooper SE schon bei 170 statt bei irrwitzigen 242 km/h wie beim benzingetriebenen Cooper S abgeregelt wird. Aber für Rennen über die Autobahn ist der Kleinwagen ehrlicherweise nie konzipiert gewesen. Sein Revier ist die Landstraße und der Stadtverkehr. Und dafür ist der neue Mini Cooper SE größen- und antriebstechnisch geradezu perfekt: Die Testfahrt durch den Vogelsbergkreis hätte gerne noch einige Stunden länger gehen können. Zumal der Verbrauch auch bei sportlicher Fahrweise mit 17,1 kWh/100 km erfreulich niedrig ausfiel.

Störfaktor am Schnelllader

Wünschen würde man sich nur eine höhere Ladeleistung: 11 kW an der Wallbox sind inzwischen Industriestandard. Aber 95 kW an einem mit Gleichstrom betriebenen Schnelllader (das Basismodell E mit 40,7 kWh großem Akku kommt sogar noch auf 75 kW) sind in Europa und für eine gelegentliche Nutzung des Stromers auch auf der Langstrecke einfach zu wenig. Dass das chinesische Schwestermodell Ora 03 nur mit maximal 69 kW lädt, ist da kein Trotz. Also: Bitte nachbessern. Der neue Renault 5 Electric, der künftig wahrscheinlich schärfste Konkurrent des Elektro-Mini, schafft bei ähnlicher Akkukapazität immerhin eine Spitzenleistung von 100 kW.

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