Auf die Renault-Händler kommt was zu. Das eine und andere neue Auto, größtenteils elektrisch angetrieben. Aber auch eine neue Marke: Mobilize. Deren Aufgabe: Mit neuen Mobilitätsdienstleistungen sowohl die Elektromobilität, aber auch das Thema Shared Mobility voran zu bringen – und Renault neue Einnahmequellen zu bescheren. Bis zum 2030 sollen nur noch 80 Prozent mit dem klassischen Automobilgeschäft verdient werden – 20 Prozent soll künftig Mobilize beisteuern, hat Konzernchef Luca de Meo kürzlich auf einer Investorenkonferenz kundgetan. Mit dem Ergebnis, dass die Investmentbank JPMorgan in USA eine Kaufempfehlung aussprach und sich die Renault-Aktie kräftig nach oben bewegte.
An der Börse ist die Nachricht gut angekommen – an der Basis, im Vertrieb und in Händlerkreisen sorgte sie eher für Unruhe: Was bedeutet die neue Strategie fürs Kerngeschäft?
Es gibt also Aufklärungsbedarf. Und so reist Clotilde Delbos, die ehemalige Finanzvorständin des Konzerns und neue Mobilize-Chefin, nun kreuz und quer durch Europa, um Mobilize den Menschen – Kunden wie Beschäftigten – näher zu bringen. Ihre Kernbotschaft: „Es ist Zeit für Veränderungen, für eine Renaulution“, sagte sie bei einer Stippvisite in Köln, wo die neue Zentrale von Renault Deutschland künftig sitzt.
Autobesitz sei eigentlich aus der Zeit gefallen – die Nutzung werde den Menschen immer wichtiger. Also müsse sich ein Automobilunternehmen neu orientieren und künftig Dienstleistungen statt Fahrzeuge verkaufen. Nicht vollständig, aber mit wachsendem Anteil. Konsequent gedacht, könne das den Umsatz verdreifachen, da das Fahrzeug in den Händen des Herstellers bleibt und durch die Wiederaufbereitung und das Recycling gewissermaßen drei Lebenszyklen erlebt – „so lang und intensiv wie möglich“. Bis es dann schließlich verschrottet wird.
„Zity“-Carsharing wird weiter ausgebaut
Ähnliches hat man zwar schon von allen anderen Autoherstellern gehört. Und meist lief es anschließend auf den Aufbau eines Carsharing-Systems hinaus, das man eine Weile mehr oder minder lieblos betrieb – und anschließend wieder einstellte. Ehemalige Manager von „Drive Now“ (BMW) und „Car2Go“ wissen ein Lied davon zu singen. Auch Renault hat mit „Zity“ ein ähnliches Carsharing-System aufgezogen, das derzeit in Paris, Madrid und Lyon aktiv ist – demnächst kommt auch noch Mailand hinzu. Für 19 Cent pro Minute oder gegen 69 Euro pro Tag lassen sich hierüber Elektroautos vom Typ Renault Zoe und Dacia Sprint ausleihen und nutzen. Betrieben werden die Fahrzeugflotten von Partnerunternehmen – Mobilize hält daran nur einen Anteil von 50 Prozent.
Aber die aktuell eingesetzten Autos sind zu teuer und wohl auch nicht robust genug für so eine intensive Nutzung, deutet Delbos an: Die Zoe etwa habe einen hohen Reifenverschleiß. Darum wird im kommenden Jahr mit dem zweisitzigen „Duo“ ein neues Mobilize-exklusives Fahrzeug für den Sharing-Einsatz auf die Straße gebracht. Zu den technischen Details des Fahrzeugs wie der Fertigung mochte sich Delbos noch nicht äußern – möglicherweise wird es zugekauft.
Elektro-Limo wird in China zugekauft
Ähnlich wie das Auto für den Limo-Service von Mobilize, der noch in diesem Jahr in Frankreich starten soll. Die 4,70 Meter lange Elektro-Limousine mit einem 60 kWh-Akku Reichweite von angeblich 450 Kilometern im Stadtverkehr wird bei Jiangling in China produziert wird und von Mobilize nach Europa importiert, um hier Taxiunternehmen und Uber-Fahrern zur Nutzung anzubieten. In ähnlichen Partnerschaften sollen wohl auch die beiden Kleinlieferwagen „Bento“ und „Hippo“ entstehen – ohne großen eigenen Entwicklungs- und Produktionsaufwand und entsprechend geringer Kapitalbindung. Delbos: „Wir werden Anbieter sein, aber kein Operator unserer Dienste.“ Das sollen mal lieber andere machen.
Ähnlich schlank wird die Vertriebsorganisation von Mobilize aufgestellt – und hier kommen die Renault-Händler ins Spiel. Denn sie sollen künftig nicht nur Autos verkaufen, sondern auch die Mobilize-Dienste vermitteln. Kapazitäten dafür seien dafür vorhanden, schätzt Delbos. Immerhin gehe heute dank des Internets ein Fahrzeugverkauf wesentlich schneller über die Bühne als in früheren Zeiten: Brauchte es ehemals im Schnitt 4,5 Besuche beim Händler, ehe der Vertrag unterzeichnet wurde, werde das Geschäft heute spätestens beim zweiten Besuch abgewickelt. Zudem würden viele Fahrzeugkäufe inzwischen direkt über das Internet abgewickelt. „Die Händler müssen deshalb ihre Rolle neu erfinden.“
Delbos meint, dass die Renault „sehr motiviert“ seien, die neuen Aufgaben zu übernehmen. Deutschland-Chef Markus Siebrecht äußerte sich hingegen eher vorsichtig: „Das wird eine Herausforderung.“