Kommen seltene Biotope und begehrte Rohstoffe am selben Ort vor, schreit es nach dem altbekannten Konflikt zwischen Umweltschutz und Rohstoffgewinnung. Beide Welten werden im Fall des Salar de Atacama durch das Wasser verbunden: Altes und neues Wasser sind das Untersuchungsobjekt von Forschern aus Massachusetts (USA). Sie treibt die Frage an, wie groß der Einfluss der Lithiumgewinnung auf die etablierten Ökosysteme der Umgebung ist.

Wofür wird Lithium verwendet?

Das Element Lithium bringen wir fast ausschließlich mit Akkus in Verbindung: So findet es Anwendung in unseren Smartphones, Tablets und nicht zuletzt in der wachsende Zahl von Elektrofahrzeugen. Und tatsächlich ist genau diese Verwendung mit über 37 Prozent auch die wichtigste (und am schnellsten wachsende!) des weltweiten Einsatzes dieses Rohstoffs.

Akku aus der Renault Zoe
Der Akku eines Renault Zoe als Verwendungsbeispiel von Lithium. Bild: Renault

Zum Vergleich: Während Lithium auch zu rund 25 Prozent in Keramikwerkstoffen verwendet wird, teilen sich alle weiteren in jeweils einstellige Prozentwerte auf. Beispiele hierfür sind Glas, die Verwendung in Klimaanlagen zur Luftaufbereitung oder in der Gussindustrie.

Lithium spielt demnach seine wichtige Rolle vor allem in der Energie- und Mobilitätswende. Gleichzeitig ist die Gewinnung des Leichtmetalls an einen teils massiven Einsatz von Wasser gebunden und steht daher immer wieder in der Kritik, doch:

Warum braucht man Wasser für die Lithiumgewinnung?

Um diese Frage zu beantworten, reicht ein kurzer Blick darauf, wie das Element gewonnen wird. Dann wird auch schnell klar, dass die Frage nicht richtig gestellt ist und tatsächlich anders lauten muss. Doch dazu gleich.

Der Salar de Atacama in Chile ist ein Senke in der Atacamawüste. Sie hat keinen natürlichen Abfluss: Wasser entkommt ihr nun durch Verdunstung oder Entnahme. Dort lagern gleichzeitig gut 40 Prozent der weltweit bekannten Lithiumvorkommen.

Lithiumvorkommen im Salar de Atacama, Chile. Auflistung der Salzebenen aus Brendan J. Moran et al. 2022
Das Salar de Atacama, eine von vielen Salzebenen in den Anden. Bild: Brendan j. Moran et al. 2022

Lithium ist das leichteste der festen Elemente, liegt dabei aber nicht „gern“ in fester Form vor. Stattdessen zieht es Wasser besonders stark an. Durch diese Anziehung entstehen um das Lithium herum zwei Hüllen aus Wasser (=Hydrathüllen). Kurz gesagt: Lithium “bevorzugt” die Nähe des Wassers und liegt gelöst darin vor.

Das chilenische Lithium, das Element der Begierde, stammt aus Schichten vulkanischer Asche. Sobald jedoch Regen oder Schneeschmelze ins Spiel kommen, wird das Metall ausgespült: Da Wasser dem Lithium die bessere Gesellschaft bietet als Vulkanasche, trägt es das Lithium hydratisiert in die Senke.

Wasser und Salzkristalle im Salar de Atacama in Chile
Wasser und Salzkristalle im Salar de Atacama in Chile. Bild: Francesco Mocellin – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Um Lithium gewinnen und später verarbeiten zu können, muss man es dort in Becken wieder vom Wasser trennen. Dazu wird lithiumhaltige Sole nach oben gepumpt und der Sonne ausgesetzt. Infolge der Verdunstung bleibt das Metall in hoher Konzentration übrig. Die Frage muss also lauten:

Welchen Einfluss hat die Lithiumgewinnung auf den lokalen Wasserhaushalt?

Der Beantwortung dieser Frage fühlte sich das Team um Brendan J. Moran der Universität von Massachusetts in Amherst (USA) verpflichtet. In ihrer Studie betonen die Forscher das Klaffen einer Wissenslücke, die von vorangegangenen Arbeiten anderer Teams nicht geschlossen wurde:

Um zu bestimmen, ob Lithium verantwortungsvoll gewonnen wird, müssen die Quelle und das Alter des Wassers ermittelt werden, in dem sich das Element in gebundener Form befindet. Diese beiden Werte sind der Schlüssel – um sicher zu gehen, dass die Gewinnung sowohl umwelt- als auch sozialverträglich ist.

Nach mehr als einem Jahrzehnt der Forschung sowie Auswertung von Daten der letzten 40 Jahre (u.a. Satellitenbilder) kommt das Team zu mehreren, wichtigen Erkenntnissen:

  • Der Wasserverbrauch im Salar de Atacama übersteigt den natürlichen Zufluss;
  • daher befindet sich diese Umgebung in einem Wasserdefizit;
  • der Anteil der Lithiumgewinnung an diesem Defizit ist aber vergleichbar gering (weniger als 10 Prozent des Süßwasserverbrauchs);
  • die Entnahme von Lithiumsole (Lithiumlösung) korreliert nicht mit den entdeckten Änderungen der Oberflächenwasser-Eigenschaften oder der Wassermenge im Becken.

Doch warum ist der Zustand der Wasserflächen und deren Änderung von Interesse, dort, mitten im Salar von Atacama?

Die Dichte von Lithiumsole

Da zufließendes Süßwasser weniger dicht ist als die Schichten der lithiumhaltigen Sole, schwimmt es oben auf (rund 1 Gramm/Kubikzentimeter vs. 1,2 g/cm3). Ein bekannter, bildlicher Vergleich dazu ist eine Schicht Speiseöl auf dem Wasser in einem Glas.

Dort an der Oberfläche ist das Süßwasser zugänglich für verschiedene Tierarten (wie Flamingos) und bildet wichtige Biotope. Diese einzigartigen Wildtierreservate sind gleichzeitig Heimat mehrerer indigener Gemeinschaften.

Ein Andenflamingo im Salar de Atacama, Chile
Ein Andenflamingo im Salar de Atacama, Chile. Bild: Haplochromis – Own work, CC BY-SA 4.0

Wäre der (negative) Einfluss der Lithiumgewinnung also stark genug, um dieses sensible System zu stören, müsste die dortige Gewinnung des Metalls infrage gestellt werden.

Wasser im Salar de Atacama

Vorangegangene Studium nahmen an, das Wasserlevel der Salzebene hinge allein von den unregelmäßigen Regenfällen und den saisonalen Zuflüssen aus den umliegenden Bergen ab. Dies stellte sich nun als unzutreffend heraus. Für die aktuellen Erkenntnisse wurde das komplexe hydrologische System dieser besonderen Umgebung untersucht. 

Die Zuflüsse wurden mit Tracern markiert, um deren Pfade verfolgen zu können. Auch das Alter verschiedener Wasserschichten und -Bereiche wurde bestimmt. Heraus kam, dass die Regenfälle zwar wichtig für die Süßwasserversorgung sind, die Hälfte der Süßwasservorräte aber bereits mindestens 60 Jahre alt ist – und zum Beispiel in Form von Grundwasser vorliegt.

“Because these regions are so dry, and the groundwater so old, the overall hydrological system responds very slowly to changes in climate, hydrology and water usage.”

Moran, Hauptautor der Studie (Department of Geosciences, University of Massachusetts Amherst, Amherst, MA, USA)

Anhaltende Dürre-Perioden, so wie sie im Zuge des Klimawandels zu erwarten sind, würden das System dennoch stark unter Druck setzen. Und das zu Ungunsten des Wasserhaushaltes der Region, die sich einem sich verstärkenden Wasserdefizit gegenüber stehen sieht.

Wie es nun um den Einfluss der Lithiumgewinnung auf den Wasserhaushalt der Region steht, klären die Forscher abschließend:

  • die Entnahme von Süßwasser beeinflusst das System deutlich stärker als die Entnahme der Lithiumsole;
  • Hauptverbraucher von Süßwasser sind Kupferminen und die intensive Landwirtschaft;
  • der höchste Verlust von Grundwasser entsteht dort, wo beides zusammenkommt.
Süßwassernutzung im Salar de Atacama aus Brendan j. Moran et al. 2022
Eine Grafik zur Süßwassernutzung im Salar de Atacama in Chile aus der genannten Studie. Zu etwa zwei Drittel befindet sich das vorhandene Süßwasser unterirdisch als Grundwasser und zu einem Drittel an der Oberfläche. Hauptsächlich wird das Wasser für die Förderung von Rohstoffen wie Kupfer verwendet. Bild: Brendan j. Moran et al. 2022

Das Land Chile setzte im Jahr 2021 Lithium im Wert von rund 982 Millionen US-Dollar in die Welt ab. Das entspricht rund ein Prozent des Gesamtexportes des Landes, während der Kupferexport knapp 26 Prozent ausmachte. Das größere ökologische Problem scheint also von der Förderung von Kupfer auszugehen, während Lithium nur einen kleinen Anteil daran hat.

Erkenntnisse der hydrologischen Studie

Wie so oft wird auch in diesem Fall betont, dass erst langfristige Beobachtungen abschließende Erkenntnisse bringen können – trotz des großen Untersuchungszeitraumes. 

Ein positiver Effekt der Studie sei eine global anwendbare Methode, hydrologische Systeme tiefgehend zu untersuchen. Die Methoden des Teams beschränken sich daher nicht nur auf den Salar de Atacama, sondern können überall dort eingesetzt werden, wo komplexe Wassersysteme betrachtet werden sollen.

Da die Rohstoffgewinnung, insbesondere die von Metallen wie Kupfer und Lithium, an eine teils immense Wassernutzung gekoppelt ist, ist mit dieser Studie zumindest ein Schritt getan zum Schutz rohstoffreicher Regionen weltweit.

Lithium gibt es jedoch nicht nur im fernen Chile oder Australien: Auch in Deutschland machten sich Schatzsucher erfolgreich auf die Suche nach dem weißen Gold.

Artikel teilen

1 Kommentar

  1. Matthias

    Tja, muss man halt das Wasser nicht einfach verdunsten lassen, sondern wie bei der Meerwasserentsalzung üblich Salze und Wasser trennen.

    Woher der Strom dafür kommen kann, so mitten in einer Wüste mit fast keinen Wolken, muss man wohl nicht erklären.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert