Bis zur Serienfertigung ist noch einiges zu tun

Allerdings: Nicht alles in diesem Prototyp entspricht dem zukünftigen Serienauto. Die Schalter sind noch von Peugeot geborgt, die Außenspiegel von Ford, und die etwas kratzigem Türöffner kommen noch tricky aus dem 3D-Drucker. Die bequeme Mittelarmlehne wird später gepolstert sein, auch andere Materialien sollen noch verfeinert werden. Und zum Verkaufsstart wird es neben gängigen Parkpiepsern auch die Rückfahrkamera geben, die sich die große Community, die dieses Auto von Anfang an eisern durch alle Höhen und Tiefen begleitet hat, so gewünscht hat.

Die adaptive Funktion des vorgesehenen Tempomaten, der damit dann automatisch den Abstand zu den Vorderleuten einhält, soll jedoch erst sechs Monate später per Over-the-Air-Update nachgereicht werden, ergänzt Entwicklungschef Volmer, der lange Jahre bei Daimler, aber auch bei der chinesischen Foton Motor Group Erfahrungen gesammelt hat. Und in München schon am Prototyp Nummer drei für 2022 arbeitet. Selbstverständlich: Notbremsfunktion und Spurhalte-Assistent sind gleich an Bord. Und als einziges Zubehör soll es eine Anhängerkupplung mit einer Stützlast von 50 Kilo geben – das reicht für zwei Fahrräder. Als maximale Anhängelast sind derzeit 750 Kilo geplant.

Kein Lametta oder irgendwelcher Schnickschnack
Der Sono Sion verfügt serienmäßig über Sitzheizung und elektrische Fensterheber, Cupholder und als 10-Zoll-Touchdisplay als zentrale Bedieneinheit – alles, was der Mensch heute so braucht und in einem Elektroauto erwartet. Foto: Sono Motors

Schön, dass die wichtigen digitalen E-Infos im Zentraldisplay so sauber sortiert sind. Alles da: Verbrauchswerte mit feiner grafischer Statistik, die gewonnenen Rekuperations- und Solaranteile sind sogar separat ausgewiesen. Und für hübsche Unterhaltung sorgen unterwegs dann Spotify, Apple Music und Co. Was das Smartphone eben so hergibt. Und dieses Device taugt über die Sono-App gleichzeitig als digitaler Zündschlüssel, Fernbedienung für die Vorklimatisierung und so. Ist zugleich das Fenster für alle interessanten Echtzeitdaten des Stromers.

Ziel ist eine 90-prozentige Auslastung der Sion-Flotte

Die Sono-App kann aber noch viel mehr, sie ist neben den Solarpanelen die zweite, clevere Geschäftsidee des Sion. Als Sharing-Instrument kann man mit ihr zum Beispiel jederzeit feststellen, wo aktuell ein Sion ungenutzt herumlungert – und ob der Besitzer ihn vielleicht zur Nutzung teilt. „Unser Ziel ist, dass jeder gekaufte Sion zu 90 Prozent ausgelastet ist und nicht wie ein Auto heute oft zu 90 Prozent rumsteht“, sagt Sono-Mitgründer und CEO Jona Christians, der gemeinsam mit Laurin Hahn das Unternehmen leitet. Fürs Ridepooling (Mitfahrgelegenheit offerieren) lässt sich der Vollstromer so natürlich auch anbieten.

Und dann gibt es noch Power Sharing. Können nur wenige Konkurrenten. Erstens lässt sich da der Sion mit seiner Technologie des bidirektionalen Ladens überall als mobiler Stromspeicher nutzen. Beim Camping, auf der Party, auf der Baustelle oder einfach Zuhause. Über einen normalen Haushaltsstecker (Schuko) können alle gängigen elektronischen Geräte mit bis zu 3,7 kW betrieben werden (Volmer: „Damit haben wir in München schon gemütlich gegrillt“). Und per Typ 2-Stecker liefert der Sion sogar noch mehr Leistung – mit bis zu 11 kW können Starkstromgeräte betrieben werden.

Außerdem kann der Fünfsitzer seinen Strom easy zum Aufladen anderer Elektrofahrzeuge anbieten, deren Besitzer vielleicht gerade verzweifelt auf dem Trockenen sitzen. Für alle diese Fälle verbirgt sich hinter der breiten Front-Ladeklappe eine ganze Armada von Anschlüssen: die Schukosteckdose (Eingang und Ausgang), die 11-kW-Buchse fürs Typ 2-Ladekabel, die Buchse für den CCS-Anschluss und der Starkstromausgang.

Bereits mehr als 13.000 Vorbestellungen für den Sion

Genau diese Spezialitäten fixen die elektroaffine Klientel des Sion, die bisher unbeirrt zur Stange des Start-ups hält. Immerhin haben sich bereits über 13.000 Privatkunden aus Deutschland und diversen europäischen Ländern den Sion reserviert und dafür mindestens 500 Euro angezahlt. Viele aus gnadenlosem E-Enthusiasmus noch deutlich höhere Summen.

Dieser Auftragsstand entspricht einem Umsatz von 278 Millionen Euro. „Das sind schon mal rund fünf Prozent unseres geplanten Gesamtvolumens“, freut sich deshalb Thomas Hausch, Chief Operating Officer (COO) bei Sono Motors. Und verspricht, dass die Produktion (nach den letzten Verzögerungen durch Corona) nun im ersten Halbjahr 2023 definitiv beginnen soll. „Das sieht jetzt vom Zeitplan her sehr gut aus“, strahlt Hausch und verrät, dass in Schweden die technischen Vorbereitungen für die Produktion bereits begonnen haben. Und finanziell scheint es (nach der Knapserei der Anfangsjahre) gerade auch keine großen Sorgen zu geben.

Herrenrunde
Fünf Mitglieder zählt das Management Bord mittlerweile: Technikchef Markus Volmer, COO Thomas Hausch, die beiden Gründer Jonas Christians und Laurin Hahn sowie Finanzchef Torsten Kiedel (v.r.n.l.) mit dem Prototypen des Sion. Foto: Sono Motors

Christians versprüht Optimismus: „Da stehen wir jetzt gut da und können für den Sion alles notwendige machen.“ Natürlich würden weitere Finanzierungsrunden folgen, aber aktuell sei Sono Motors nun gut aufgestellt. Zumal man mit Svedbank Robur mittlerweile einen großen schwedischen Finanzinvestor im Rücken habe.

Gebaut wird der Sion bekanntlich beim Auftragsfertiger NEVS in Schweden, der mehrheitlich zur chinesischen Evergrande Group gehört. Bei NEVS, das heißt im ehemaligen Saab-Werk von Trollhättan. Und wie es sich für einen Vollstromer gehört, ganz clean, also mit hundert Prozent Erneuerbarer Energie. Die Zielzahlen sind bereits detailliert festgelegt: Pro Jahr sollen bei NEVS jeweils 43.000 Fahrzeuge im Zweischicht-Betrieb gebaut werden. Das Gesamtproduktionsvolumen wird sich voraussichtlich auf 257.000 Autos in einem Zeitraum von sieben Jahren belaufen.

Direktvertrieb spart 15 Prozent der Kosten

Und all diese Exemplare sollen ausschließlich online, ergo im Direktvertrieb verteilt werden, was nach den internen Berechnungen der jungen Marke noch einmal 15 Prozent der Gesamtkosten sparen soll. Abholung direkt im schwedischen Trollhättan oder eine aufpreispflichtige Anlieferung zum jeweiligen Wunschort. Und ist das Auto erst einmal beim Adressaten, ergeben sich, in diesem Fall wieder für den Kunden, weitere interessante Sparmöglichkeiten.

Zum Beispiel durch niedrige Reparaturkosten. Ein dreistufiges Instandhaltungssystem soll sie so niedrig wie möglich halten. Diverse Ersatzteile sollen sich ohne große Vorkenntnisse selbstständig ins Fahrzeug einbauen lassen. Und die geplante Offenlegung des Werkstatthandbuchs könnte, so das Kalkül der Münchner, viele unabhängige Werkstätten zum Mitspielen animieren. Für alle Reparaturen im Hochvolt- und Karosseriebereich soll es jedoch „einen namhaften Serviceanbieter“ aus Europa geben. Mehr wird dazu noch nicht verraten.

Und im dritten und letzten Teil verraten wir eine kleine Sensation.

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2 Kommentare

  1. Sven

    Gibt es was neues bezüglich der Finanzierung der Produktion?
    Sind da nicht noch 250 Millionen Euro vonnötigen zusätzlich zu den 50 Millionen die durch Crowdfunding eingenommen wurden?

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Für den Augenblick reicht es wohl erst mal. Aber bis zum Start der Serienproduktion müssen noch ein paar Millionen Euro fließen, richtig.

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