Kreislaufwirtschaft gilt als einer der größten Hebel zur Industriedekarbonisierung. Mit herstellerübergreifenden Recyclingquoten um 90 Prozent sieht sich die Windkraftindustrie hier in einer Vorreiterrolle. Schwerlich wieder verwertbar bleiben nach wie vor die Rotorblätter der Anlagen. Inzwischen allerdings gelingt es immer besser, diesen Bauteilen in der Industrie, im öffentlichen Raum oder im Sport ein zweites Leben einzuhauchen – etwa auf Europas Skipisten oder auf Spielplätzen.

Um die Kreislaufwirtschaft rund um die Windkraft weiter in Schwung zu bringen, kooperieren sowohl Europas große Hersteller wie etwa Vestas und Nordex als auch die großen Betreiber wie Engie, Ørsted oder Vattenfall in diversen Entwicklungsinitiativen und Pilotprojekten mit Verwertern. Ohnedies verfolgt die Branche ambitionierte Recyclingziele. Während der Hamburger Windradhersteller Nordex ab 2032 vollständig recycelbare Anlagen anbieten will, hat Vattenfall das Ziel, bis 2030 auf 100 Prozent Recyclingquote zu kommen. Aktuell liegt diese bei den Schweden je nach Material zwischen 58 und 83 Prozent, wie es auf Nachfrage heißt.

Rückbau von Windrädern
Veolia

Dass sich die Forschung an dieser Stelle stark auf die Rotorblätter konzentriert, liegt an der Zusammensetzung dieser speziellen Komponenten. Darin enthalten sind in der Regel Glas- und Karbonfasern, Schaumstoffe wie Polyurethan, Epoxidharz und Balsaholz. Hinzu kommen Stahl, Kupfer und Aluminium sowie Lacke und Beschichtungen. Dies macht allein schon den Umgang auf dem Weg zur Wiederverwertung zur Herausforderung.

Zur vermeintlich einfachen Entsorgung nutzt die Branche aktuell verschiedene Alternativen. Eine ist die Umnutzung. So verbaut das niederländische Start-up „Blade Made“ aus Rotterdam Teile ausgedienter Rotorblätter für die Spielplatzkletterlandschaft „Wikado“ oder auch für eine Rutsche, Kletterwände oder als Sitzgarnitur im öffentlichen Raum.

Auf sogenannte Stadtmöbel als zweites Leben für Windräder ist unter anderem auch das US-Start-up „Noblewins“ spezialisiert. Die Amerikaner kombinieren Holzbänke mit zurecht geschnittenen Rotorblatt-Teilen, entweder als Sockel oder als Dach für eine Sitzgelegenheit im öffentlichen Raum. Schlagzeilen machte wiederum Blade Made auch mit der Idee, ganze Maschinenhäuser von Windrädern als sogenannte Tiny Houses zu Wohnraum umzunutzen. Dazu kooperieren die Niederländer mit Vattenfall.

Neue Heimat 
Die ehemalige Gondel einer Windkraftanlage - in der sich früher ein Generator drehte - hat ein niederländisches Startup in ein Tiny House verwandelt. Mit einer Wärmepumpe zum Heizen und Sonnenkollektoren zur Stromgewinnung. Foto: Blade Made
Neue Heimat
Das ehemalige Maschinenhaus einer Windkraftanlage – in der sich früher ein Generator drehte – hat ein niederländisches Startup in ein Tiny House verwandelt. Mit einer Wärmepumpe zum Heizen und Sonnenkollektoren zur Stromgewinnung. Foto: Blade Made

Eine Option jenseits dieser Umnutzung von Windkraftschrott ist das mehr oder weniger klassische Kunststoffrecycling – sprich die Rückgewinnung einzelner Grundstoffe wie Harz, Kohlen- oder Glasfaser, um auf dieser Basis neue Produkte zu schaffen. Ein unlängst preisgekrönter Pionier des mechanischen Recyclings ist der Unternehmer Holger Sasse. Seine Firma Novo-Tech betreibt in Sachsen-Anhalt eine Wiederaufbereitungsanlage. Dort werden zerkleinerte Flügel mit Holzresten vermengt und zu wetterbeständigen Terrassendielen verpresst. Vom Flügel bis zur Diele dauert das Verfahren eine Stunde. Das fertige Produkt besteht nach Unternehmensangaben noch zu 30 Prozent aus Windkraftrotormaterial.

Vielfältige Anwendungen von Ski bis Hochwasserschutz

Einen energieintensiveren Weg des Rotorblattrecyclings geht Vattenfall in einem niederländisch-norwegischen Pilotprojekt. Aus den Verbundfasern der Rotorblätter werden über Pyrolyse Skier für den Hochleistungssport. Dieses Hochreparaturverfahren macht Harz und Kunststoff- sowie Glasfasern wiederverwertbar. Seit 2021 kooperiert wiederum Vattenfall in der Forschung und Entwicklung der hauseigenen Kreislaufwirtschaft mit dem norwegischen Verwerter Gjenkraft und dem Skihersteller Evi. Dieser lässt sich von Gjenkraft mit wieder gewonnenen Karbonfasern beliefern, die die Skier robuster und lang lebiger machen. Ohnedies setzt der Evi-Gründer und Industriedesigner Endre Hals auch bei seinen Skiern selbst seit Langem auf Recycling.

Schöner Parken
In der Universitätsstadt Lund in Südschweden werden die Rotorblätter eines stillgelegten Windparks in Dänemark zu einem weithin sichtbaren Teil der Fassade eines umweltfreundlichen Parkhauses, das zusätzlich begrünt wird. Foto: Lloyds Architekturkontor
Schöner Parken
In der Universitätsstadt Lund in Südschweden werden die Rotorblätter eines stillgelegten Windparks in Dänemark zu einem weithin sichtbaren Teil der Fassade eines umweltfreundlichen Parkhauses, das zusätzlich begrünt wird. Foto: Lloyds Architekturkontor

Weitere Anwendungsgebiete, an denen der schwedische Energiekonzern forscht, sind Umrandungen für PV-Module oder auch als Bestandteil von Lärmschutzwänden an Autobahnen. Außerdem sind sogenannte Floating Islands zum Hochwasserschutz ein Einsatzgebiet, dem sich das Vattenfall-Recycling widmet, hieß es auf Nachfrage. Wichtig sei, dass keinerlei ausgediente Windradkomponenten auf Deponien landen, betonte eine Vattenfall-Sprecherin.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Vielfach verwendet werden zerkleinerte Rotorblätter auch als alternativer Brennstoff in Zementwerken. Ein Rotorblattrecycling, das ebenfalls auf die Baustoffindustrie als Abnehmer zielt, haben die Dänen von Ørsted mit dem nordirischen Verwerter Plaswire in dessen Heimat initiiert. Das auf Kunststoffverwertung spezialisierte Unternehmen zerkleinert unter anderem Rotorblätter zu Pellets, Granulat oder auch zum hauseigenen Grundstoff „RX Polymer“. Was genau hinter letzterem steckt, gibt Plaswire nicht preis.

Nach erfolgreichen Probeläufen soll das Verfahren von Plaswire in dem gemeinschaftlichen Recyclingprojekt in Nordirland auf einen industriellen Maßstab skaliert werden. „In unserem Werk in Lurgan sind wir bereits auf 14 Mitarbeiter angewachsen“, resümierte Plaswire-CEO Andrew Billingsley zum Projektstart im vergangenen Jahr. Für den Hochlauf der Aufbereitung habe das Unternehmen zusätzliches Land für die Lagerung von Windturbinenblättern erworben und in eine größere Maschine für das Recycling von Verbundwerkstoffen investiert, kündigte er an.


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