Mit der Umstellung auf den Elektroantrieb ist es nicht getan. Um das Auto umwelt- und klimaverträglich zu machen, muss es vom Ende her und komplett neu gedacht werden, sagt Kai Langer, der Chefdesigner von BMW i. Wie das aussehen könnte, demonstrierte er im Herbst auf der IAA Mobility mit dem futuristischen Elektroauto iVision Circular: Das Kompaktauto ist komplett nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft konzipiert und konstruiert – und nicht nur mit ein paar mit ein paar Teilen ausgekleidet, die aus Recyclingmaterialien gewonnen wurden. War der BMW iVsion Circular nur eine Spielerei von umweltbewegten BMW-Designern oder steckt mehr dahinter? Wir fragen nach.
Herr Langer, es scheint im Automobilbau kaum mehr ohne Materialien zu geben, die aus wiederaufbereiteten Fischernetze oder recycelten PET-Flaschen bestehen. Auch in der Architektur spielt das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle: Stararchitekt Christoph Ingenhoven postulierte unlängst in einem Interview, dass Gebäude „im besten Fall recycelbar, essbar oder für immer nutzbar sein sollten. Nachhaltigkeit ist der Megatrend der Zeit?
Ich spreche ungern von einem “Trend“, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Denn Trends sind vergänglich. Ich rede lieber von Verantwortung – und die bleibt bestehen. Und der Aspekt tritt jetzt richtigerweise in den Vordergrund.
Auch und gerade in der Autoindustrie?
Ja. Wir haben schon seit längerer Zeit gespürt, dass da etwas passieren muss. Und jetzt passiert es endlich – überall.
Weil aufgrund der Verkehrs- und Umweltprobleme der Handlungsdruck gewachsen ist.
Das stimmt. Autos können urbane Strukturen verändern, aber müssen sich auch in bestehende Strukturen stärker einbinden. Denn für den Straßenverkehr wird es in Zukunft eher weniger als mehr Platz geben.
Das heißt?
Es wäre doch beispielsweise toll, wenn man neue Stadtteile oder Neubaugebiete ganz ohne Garagen planen würde.
Was wollen Sie den Bewohnern der Stadtteile oder Siedlungen als Ersatz bieten?
Zum Beispiel so etwas wie Valet Parking oder vollautonom fahrende Autos, die gemeinschaftlich genutzt werden.
Damit sind Sie aber schon in einer ferneren Zukunft – und bei Themen, bei denen ein Automobil- oder Produktdesigner, wenn überhaupt, erst sehr spät ins Spiel kommt.
Das Verständnis meines Berufs hat sich glücklicherweise verändert. Klar, ich bin in erster Linie und zutiefst Automobildesigner. Ich mag Autos – nicht, dass da ein Missverständnis entsteht. Aber bei BMW und bei BMW i wissen wir, dass die Transformation auch vor uns selbst nicht halt macht. Wir müssen die Produkte neu denken und dabei gesellschaftliche Veränderungen antizipieren: Designer sind bekanntlich immer mehr in der Zukunft als in der Gegenwart unterwegs. Sie haben die Aufgabe, Progression einzuleiten, die nächsten zwei, drei Schritte zu denken. Das gilt insbesondere für das Team von BMW i.
Der BMW iVision Circular, so war zu lesen, hat einen Zeithorizont, der bis 2040 reicht. Sie wissen schon, wie die Welt dann aussehen wird?
Wir werden dafür bezahlt, schon heute in der Zukunft zu leben. Wenn wir schon die Möglichkeit haben, ein Visionsfahrzeug zu gestalten, dann haben wir den Drang, möglichst viele der aufkommenden Fragen zu beantworten.
Welche sind es beim iVision Circular?
Das Thema Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von BMW i, ist hier in der Denkstrategie fest verankert. Nachhaltigkeit muss klima- und geopolitisch ein Thema sein. Insofern war das eine zentrale Säule bei der Entwicklung des Konzeptautos, aber auch bei der Entwicklung der Neuen Klasse bei BMW.
Der neuen Fahrzeugarchitektur, die ab 2025 Fahrzeuge mit einem „perfekten elektrischen Antrieb“ hervorbringen soll.
Genau. Um dahin zu kommen, kann man evolutionär vorgehen – oder disruptiv. Indem man die Dinge, indem man ein Auto komplett neu denkt. Funktionell wie optisch. Ähnlich wie seinerzeit das System Telefon neu konfiguriert, komplett neu konzipiert wurde. Wir haben uns jedenfalls entschieden, das Thema Nachhaltigkeit beim iVision Circular auf disruptive Weise in das System Auto einzufügen.
Mit dem Ergebnis, das das Auto sehr futuristisch daherkommt.
Na ja, bei einem Konzeptauto nimmt man immer die Punkte, die am weitesten springen und setzt die dann als Grenze. Im Auto stecken aber auch viele Dinge, die sich gerade in der Industrialisierungsphase stecken.
Das Auto ist also eher eine Beschreibung des Weges bis 2040 als die Beschreibung eines zukünftigen Produkts?
Richtig. Man muss nicht bis 2040 warten, um eine Realisierung einzelner Themen zu sehen.
Recyclingmaterial verwendet BMW heute schon reichlich, etwa im neuen iX. Welches Thema ist noch am weitesten von einer Realisierung entfernt?
Sicherlich beim Thema Recycling von Elektronikkomponenten. Da muss noch viel passieren, auch im regulativen Bereich. Damit man immer nur ein Bauteil und nicht viele recyceln muss, haben wir die Elektronik bei dem Fahrzeug an einer Stelle zusammengefasst. Und auch bei der Antriebsbatterie ist in punkto Recyclingfähigkeit noch viel zu tun. An anderen Stellen sind wir schon sehr nahe dran an der Industrialisierung. Etwa bei der Nutzung von Recyclingmaterialien in der Reifenherstellung. Auch Glas können wir heute bis zu einem gewissen Grad recyclieren, Sekundärstähle und-Aluminium ohnehin schon.
Das Auto der Zukunft wird nicht mehr lackiert?
Wenn es allein nach uns ginge, nicht. Aber für die Kollegen im Vertrieb ist es schon noch wichtig, dass Autos individualisiert werden können. Das Eloxat, aus dem die Karosserie besteht, sorgt zwar für matte Oberflächen. Aber wir demonstrieren auch, dass man Sekundär-Aluminium durchaus färben könnte, um ein Fahrzeug zu individualisieren und es so auch emotional werden zu lassen. Die Emotionen wollen wir ja nicht wegnehmen – ein Auto muss immer Spaß machen.
Freude am Fahren soll es auch in der Zukunft geben?
Natürlich! Man kann nicht nur predigen, dass etwa der Verzehr von Reis für die Umwelt das Beste ist – der Reis muss auch schmecken. Der darf auch immer anders aussehen – und es muss nicht immer Reis sein.
Trotz „Re:Duce“, die Reduktion auf das Wesentliche?
Wir nehmen uns sicher an der einen und anderen Stelle zurück – ersetzen es aber durch Werte, die die Emotion zurückbringen. Wir reduzieren bei dem Fahrzeug die Möglichkeit, es mit Chromleisten zu individualisieren. Wir ersetzen es durch individuelle Lichtformen für das Welcome-Scenario. Statt Chrom kriegt er mehr Experience.
Das setzt voraus, dass sich der Kunde an eine andere Ästhetik gewöhnt.
Genau. Aber die muss ja auch nicht schlecht aussehen.
Im zweiten Teil erfahren Sie, wie Kai Langer länger jung halten will – und warum die BMW-Niere wächst.
Den Weckruf hat aber bei BMW so mancher nicht gehört. Ich sag nur iXxx 7/8/9.Bald kann man einen BMW mit LKW Zulassung fahren, spart man wenigstens die KFZ Steuer… ach ja die gibts ja bei Elektro noch nicht mehr.
Aber echt mal wieso müssen es immer solche Monsterfahrzeuge sein. Nur um die Gewinnspanne für Klatten und Co. zu optimieren?