Der Wintereinbruch kam plötzlich. Am Abend war der Südschwarzwald noch grau-grün, am nächsten Morgen war alles weiß gepudert. Straßen und Wiesen, Häuser und Wege waren etwa vier Zentimeter hoch mit Schnee bedeckt – ebenso wie unser Elektroauto vom Typ BMW iX, den wir bei Einbruch der Dunkelheit an der Ladestation vor unserem Hotel festgemacht hatten. Nach einer gut 300 Kilometer langen Anfahrt aus dem Rheinland über die regennasse Autobahn mit einer Rest-Reichweite von 65 Kilometern. Die Außentemperatur hatte bei unserer Ankunft noch vier Grad über dem Gefrierpunkt gelegen. Und jetzt? Minus sechs Graf zeigt das Thermometer an der Hauswand an. Jesses Maria – so schnell kann es manchmal gehen. Mit dem Wetterumschwung, nicht mit dem Klimawandel.

directions_car

Technische Daten BMW iX iDRive50

Antriebsleistung: 385 kW / 523 PS, max. Drehmoment 765 Newtonmeter;
Akku: Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 303 Ah/111,5 kWh (brutto);
Maximale Ladeleistungen: 11 kW AC, 195 kW DC
WLTP-Normverbrauch: 23,0-19,8 kWh/100 km; Testverbrauch: 26,1 kWh/100 km;
Beschleunigung 0-100 km/h: 4,6 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Länge/Breite/Höhe: 4953/1967/1696 mm; Wendekreis: 13 Meter, Leergewicht: 2510 kg
Basispreis: 98.000 Euro, Testwagenpreis: 128.850 Euro.

Dabei soll der BMW iX in der Ausführung xDRive 50 durchaus helfen, letzeres zu verhindern. Die Ära der Verbrennungsmotoren hat er antriebstechnisch jedenfalls weit hinter sich gelassen: Der Luxus-SUV (Testwagenpreis: 128.850 Euro) fährt ausschließlich elektrisch, mit jeweils einer E-Maschine an der Vorder- und Hinterachse und einer Systemleistung von 385 kW. Wer noch in alten Zeiten und Messeinheiten schwelgt: Das sind 523 Pferdestärken, die von einem ausgeklügelten Energiemanagement je nach Bedarf und Fahrsituation auf alle vier Räder verteilt werden. Das sind schon einmal gute Voraussetzung für eine hohe Alltags- und auch Wintertauglichkleit.

Wintereinbruch im Südschwarzwald
An der Ladestation vor dem Hotel hat der BMW iX über Nacht Strom geladen. Damit ist das Elektroauto schnell enteist.

Und jede Menge Kraft wird im iX aus jeder Menge Energie geschöpft: Der Lithium-Ionen-Akku im Boden des BMW speichert sageundschreibe brutto 111,5 Kilowattstunden (kWh) Strom. 105,2 kWh davon können für den Fahrbetrieb genutzt werden. Nur die Akkus im neuen Mercedes EQS (107,8 kWh) und im Lucid Air (112/118 kWh) haben noch etwas größere Kapazitäten. Und das vielgerühmte Tesla Model X – das vorausichtlich aber erst Ende kommenden Jahres wieder verfügbar ist – kann sogar nur 100 kWh Strom speichern. Mit einem Wort: Von der Papierform her spielt der BMW iX in der Champions E-League ganz weit vorne mit.

Stromverbrauch von 28,2 kWh auf der Autobahn

Aber auch im Winter, außerhalb der Wohlfühlzone eines Labors und jenseits der frühsommerlichen Temperaturen, unter denen Reichweite und Verbrauch von Elektroautos beim Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure (WLTP) ermittelt werden? Na ja, um das herauszufinden kam uns der erste Schneefall im Schwarzwald gerade recht.

Teil 1 des Tests – die Anreise aus dem Rheinland – lieferten schon einmal erste Hinweise auf die Qualitäten des neuen Elektro-Flaggschiffs von BMW. In Geschwindigkeitsbereichen jenseits von 140 km/h auf der Autobahn blieb wie erwartet vom Normverbrauch von 23 kWh (im Drittelmix) und 19,8 kWh (im Stadtverkehr) nicht mehr viel übrig – 28,2 kWh standen am Ende der Autobahn-Tour im Display des Bordcomputers. Bei einem Gewicht von fast 2,6 Tonnen und der enormen Fahrfreude, die der starke Antrieb bereiten kann, sind solche Werte allerdings auch nicht verwunderlich: Warum immer nur „Efficient“, wenn der Modus „Sport“ so viel mehr Spaß bereitet? Zumindest dann, wenn man nicht permanent auf die Verbrauchs- und Reichweitenanzeige schielen muss.

Besser als es aussieht
Mit einem cW-Wert von 0,25 verfügt der BMW iX trotz seiner Stirnfläche von 2,82 Quadratmetern über bessere Aerodynamik-Werte als so mancher Kompaktwagen: 0,31 sind es etwa beim SUV Grandland von Opel.
Besser als es aussieht
Mit einem cW-Wert von 0,25 verfügt der BMW iX trotz seiner Stirnfläche von 2,82 Quadratmetern über bessere Aerodynamik-Werte als so mancher Kompaktwagen: 0,31 sind es etwa beim SUV Grandland von Opel.

Aber der iX kann auch anders, ganz sparsam mit den Kräften haushalten – wenn der Fahrer es nur will und es die Fahrbahnverhältnisse am nächsten Morgen nicht anders zulassen. Aber erst einmal muss der Schnee runter und das Ladekabel von der Säule gelöst werden. Die Nacht hat trotz des Temperatursturzes locker gereicht, um den Akku mit per Wasserkraft erzeugtem Grünstrom zu befüllen. Und das Enteisen geht schneller einfacher als gedacht: Beim Öffnen der Fahrertür schon nehmen Wärmepumpe und Klimaanlage die Arbeit auf und föhnen die Scheiben warm, noch ehe wir Kratzer und Besen aus dem Kofferraum geklaubt haben. Und nicht nur das: Die Heizelemente in der Instrumententafel und in den Türverkleidungen (Teil des 1200 Euro teuren „Wärmekomfort“-Pakets) verbreiten im Wageninnern eine wohlige Wärme, während wir das Ladekabel noch in den Tiefen des Kofferraums verstauen – die Haube vorne lässt sich leider nur für Servicearbeiten öffnen.

Heer von Assistenzsystemen an Bord

Und im Unterschied zu einem Benziner oder Diesel muss sich der Antrieb des iX auch nicht erst warm laufen: Alle Kräfte stehen sofort zur Verfügung, egal, ob es stürmt oder schneit. Unser BMW steht auf SUV-Hochleistungs-Winterreifen von Michelin, die sich auf den Schnee gefreut zu haben scheinen: Ohne jeden Schlupf und jegliches Schlingern rollt unser mineral- (nein, nicht schneeweißer) Testwagen vom Hotelparkplatz.

Der Winterdienst hat an diesem Morgen alle Hände voll zu tun, offenbar nur an anderen Stellen: Die Landstraße ist noch komplett schneebedeckt. Da heißt es vorsichtig zu sein und erst einmal das Fahrverhalten zu testen. Dabei sammelt der Stromer schon die nächsten Pluspunkte. Denn die Kräfte werden erst intelligent auf die beiden Antriebsachsen verteilt und dann – als der Fahrer etwas übermütig zu werden beginnt – sensibel heruntergeregelt. Bei einer testweisen Vollbremsung auf einem schnurgeraden Streckenabschnitt aus Tempo 50 hält der Elektro-SUV auch brav die Spur, um dann allerdings erst nach einer Wagenlänge stehen zu bleiben. Jesses Maria, die Schneedecke ist schon arg glatt an diesem Morgen.

Es läuft 
Die AC-Ladestation ist vollverschneit, liefert aber dennoch brav seine volle Ladeleistung. So soll es sein.
Es läuft
Die AC-Ladestation ist vollverschneit, liefert aber dennoch brav seine volle Ladeleistung. So soll es sein.

Wir fühlen uns trotzdem so sicher wie in Abrahams Schoß, als wir uns entlang des Schluchsees zum Feldberg fortbewegen. Der Radiosprecher hatte Lkw-Fahrern in der Region empfohlen, Schneeketten aufzuziehen – wir können gut darauf verzichten. Ein spezielles Winter-„Sport“-Programm hat der BMW zwar nicht an Bord. Dafür aber eine dynamische Traktionskontrolle, dazu eine Kurvenbremshilfe, einen Bremsassistenten und eine Bergabfahrkontrolle und einen Fadingausgleich – um nur ein paar der Systeme zu nennen. Hinzu kommen noch weitere elektrische Heinzelmännchen, die dem Fahrer das Lenken und Einhalten der Verkehrsregeln erleichtern sollen und bei normalen Außenbedingungen ein entspanntes, teilautonomes Dahingleiten ermöglichen. Die Kombination aus Schnee und Kälte mögen manche Sensoren allerdings überhaupt nicht: Einige verabschieden sich nach wenigen Kilometern Fahrt durch das Winterwunderland in den vorläufigen Ruhestand.

Ladeleistung sinkt bei Eiseskälte auf 150 kW

Der Antrieb hingegen zeigt sich von all dem ungerührt – und von der Berg- und Talfahrt bei moderaten Geschwindigkeiten sichtlich angetan: Der Bordcomputer wirft plötzlich Verbrauchswerte aus, die sogar unterhalb von 20 kWh liegen. Um es vorwegzunehmen: Bis zum Ende des Tages pendelten sich die Werte um die 24,8 kWh ein. Der Normverbrauch von 21 kWh/100 km war da gar nicht mehr so weit.

Reichweiten von „über 600 Kilometer“, wie im Katalog versprochen, sind allerdings zumindest unter winterlichen Bedingungen illusorisch – über 410 Kilometer kamen wir während der gesamten Testzeit nicht hinaus. Das ist allerdings nicht weiter tragisch, da sich der iX an den Ladesäulen auch bei klirrender Kälte sehr leistungsstark zeigte und den Strom rasch aufnahm. Mit 11,3 kW an AC-„Schnarchladern“ und mit Ladeleistungen von immerhin 150 kW an den DC-Schnellladern entlang der Autobahn – und das auch noch bei Ladeständen (SoC, State of Charge) von 50 Prozent. Da zeigen sich sich andere, so genannte Lade-Weltmeister speziell aus Korea wesentlich wetterfühliger. Dazu später und an anderer Stelle mehr.

Irgendwo bei 160 kW Ladeleistung 
Der Bordcomputer des BMW iX liefert jede Menge Informationen. Doch die aktuelle Ladeleistung wird nur ungefähr angezeigt.
Irgendwo bei 160 kW Ladeleistung
Der Bordcomputer des BMW iX liefert jede Menge Informationen. Doch die aktuelle Ladeleistung wird nur ungefähr angezeigt.

BMW hingegen scheint es gelungen, das Lademanagement beim iX weitgehend von den Außentemperaturen zu entkoppeln und auch den Akku soweit vorzuheizen, dass er beim Anschluss des Elektroautos an eine Schnellladesäule gut vorbereitet ist für eine schnelle Aufnahme größerer Strommengen. Wie viel Strom exakt gerade fließt, erfährt man allerdings nur beim Blick auf die Ladesäule: Der Bordcomputer zeigt mithilfe einer Balkengrafik zwar an, wie weit in etwa der aufgenommene Strom trägt, aber nicht wie viel der theretisch möglichen 195 kW Ladeleistung tatsächlich erreicht werden.

Schalter aus Kristallglas

Ansonsten aber lässt der iX kaum Wünsche offen. Das gilt für den Fahrkomfort ebenso wie für die einzigartige Wohlfühlatmosphäre, die Ingenieure und Designer für diesen Luxus-Stromer geschaffen haben. Mit Sesseln, die sich nicht nur beheizen und belüften lassen, sondern auch noch verschiedenste Massagedienste offerieren. Mit wunderschönen Schaltern aus Kristallglas und Kontaktflächen aus offenporigem Holz. Und – wenn es der Geldbeutel erlaubt – mit einer Soundanlage von Bowers & Wilkins (4800 Euro Aufpreis), die mit insgesamt 30 Lautsprechern – davon acht in den Kopfstützen – für ein Klangerlebnis sorgt, wie es selbst in der Elb-Philharmonie nicht besser sein könnte. All das bietet derzeit allenfalls noch der Mercedes EQS in vergleichbarer Güte.

Schade nur, dass das Erlebnis dieses „Technologie-Flaggschiffs“ aufgrund des hohen Einstandspreises vorerst nur wenigen Menschen vorbehalten bleibt. Aber BMW verspricht, dass der „Zukunftsbaukasten“ in den nächsten Jahren noch andere, auch erschwinglichere Alltags-Elektroautos hervorbringen wird. Wir sind gespannt und freuen uns jetzt schon drauf.

Tradition trifft auf Moderne

Tradition trifft auf Moderne

Die große, im traditionellen Nieren-Design geformte Frontmaske lässt den BMW iX grimmiger erscheinen als der tatsächlich ist.

Kleiner als er auf den ersten Blick scheint

Kleiner als er auf den ersten Blick scheint

Im direkten Vergleich mit einem Audi A6 (l.) und einem LandRover Discovery (r.) zeigt der BMW iX seine wahre Größe.

Drei Meter Radstand

Drei Meter Radstand

Wie viel Platz der iX bietet, zeigt die Seitenansicht. Mit einer Gesamtlänge von 4,95 Metern und einer Breite von 1,97 Metern wird es in europäischen Garagen allerdings eng, wenn dort der Elektro-BMW parkt.

Augenschmaus

Augenschmaus

Schalter aus Kristallglas und eine Bedienfläche aus offenporigem und nachhaltig produziertem Holz erfreuen nicht nur den Ästheten. Die Naturmaterialien verbessern auch die Öko-Bilanz. Foto: BMW

Ohrenschmaus

Ohrenschmaus

Acht kleine Lautsprecher sitzen in den Kopfstützen des BMW iX, wenn das 4800 Euro teure „Diamond Surround“-Soundsystem von Bowers&Wilkins geordert wird. Foto: BMW

Auf der Überholspur

Auf der Überholspur

Der iX ist das erste Elektroauto von BMW auf der Basis des neuen Zukunfts-Baukastens von BMW. Weitere sollen schon bald folgen. Foto: BMW

Reichlich Platz

Reichlich Platz

Der Kofferraum des BMW iX fasst 500 Liter. Nach Umlegen der Rücksitzbank sogar bis zu 1750 Liter. Unter dem glatten Boden finden die Ladekabel Platz. Foto: BMW

Artikel teilen

4 Kommentare

  1. Jürgen W.

    Ein Auto in dieser Preisklasse und man kann/darf nicht einmal die Motorhaube öffnen – da muss man sich wirklich fragen, was sich die BMW-Entwickler dabei gedacht haben? Sowas geht gar nicht.

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Wozu möchten Sie öffnen, wenn Sie eh nichts machen können?

      Antworten
  2. ManfredO

    Das Ladekabel UNTERM Kofferaumboden! Das stammt noch aus der Zeit der Hybriden, da brauchte mn das nicht, aber beim E-Auto möchte ich das Griffbereit haben, entweder vorne unter der Haube oder eben anderweitig

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Volle zustimmung: Auch wenn der Kofferraum mit Reisegepäck gefüllt ist, will man leicht an das Ladekabel gelangen können.

      Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert