Nach einer neuen Metastudie, die das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) in Kooperation mit Agora Verkehrswende erstellt hat, können Elektroautos bis zur Jahrhundertmitte weitgehend klimaneutral unterwegs sein. Dies gilt für den Betrieb als auch für die Herstellung. Die Analyse wurde im Auftrag der EU-Kommission erstellt. Voraussetzung für die Klimaneutralität von Elektroautos ist demnach, dass auch in der Herstellung der Fahrzeuge ausschließlich Erneuerbare Energien eingesetzt werden. Bei einem Feldversuch mit Elektroautos auf der Ostseeinsel Rügen hatten die Stromer in einer ifeu-Studie noch schlechter abgeschnitten, weil der damalige Energiemix zugrunde gelegt worden war.

Auch eine aktuelle Studie der Technischen Universität Eindhoven stellt Elektroautos eine gute Ökobilanz aus. Demnach haben Elektroautos über ihren Gesamtlebenszyklus eine 50 bis 80 Prozent bessere CO2-Bilanz als vergleichbare PKW mit Benzin- oder Dieselmotoren.

33 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer

Die Autoren der ifeu-Studie prognostizieren, dass ein elektrisches Mittelklasseauto im Jahr 2050 über den gesamten Lebenszyklus hinweg einen CO2-Ausstoß von 33 Gramm pro Kilometer verursacht, das ist gut ein Viertel der Bilanz für ein vergleichbares Elektroauto heutiger Bauart. Interessant dabei: Die Entwicklung ist nach dem Ergebnis der Studie bei elektrisch angetriebenen Bussen und LKWs identisch. Das Resultat: Während ein elektrobetriebener Mittelklassewagen 2020 in der EU über seinen gesamten Lebenszyklus 120 Gramm CO2-Äquivalente je Kilometer ausstößt, kann der Wert laut Studie 2050 bis auf lediglich 33 Gramm je Kilometer sinken. Ähnliche Tendenzen zeigen sich auch für LKW und Busse, bei denen die Treibhausgasbilanz von Elektrofahrzeugen in der EU bereits heute besser ist als die von Verbrennern. Bis zum Jahr 2050 könnte sie sich in Richtung Klimaneutralität entwickeln.

„Elektrofahrzeuge haben über ihren gesamten Lebenszyklus in der EU schon heute eine deutlich geringere Klimaauswirkung als die von konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor“, sagt Hinrich Helms, Studienleiter am Ifeu. Er verwies darauf, dass die geringeren CO2-Emissionen im Betrieb die höheren Emissionen der Batterieherstellung kompensieren könnten.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Allerdings sehen die Forscher bis zur Klimaneutralität von Elektroautos noch einige Aufgaben zu bewältigen, insbesondere in der Produktion. „Während wir für den Ladestrom in Europa bereits auf
einem guten Weg sind, muss zukünftig der Prozess der Fahrzeug- und Batterieherstellung verstärkt in den Blick genommen werden“, mahnt Helms. Zudem schwanke der Energiemix aktuell noch zwischen den EU-Staaten: Während ein Elektroauto in Schweden schon heute über den ganzen Lebensweg besser abschneidet als ein Verbrenner, liegt diese Bilanz in Polen und Estland in etwa auf dem Niveau von Verbrennern – dort wird Strom noch überwiegend mit fossilen Energieträgern erzeugt.

Rohstoffe im Blick

Bei der Rohstoffgewinnung bleibt die Ökobilanz von Elektroautos laut Ifeu allerdings schlechter als die von Verbrennern. Grund dafür ist der hohe Einsatz von Materialien wie Kupfer, Kobalt und Lithium. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuell im Magazin „Nature Communications“ veröffentlichte Studie. Laut dieser kann die Ausweitung von Greentech-Anwendungen wie Elektromobilität weltweit die Biodiversität gefährden. Ursache ist der hohe Bedarf an Rohstoffen, die häufig in sensiblen Regionen abgebaut würden. Verhindern lässt sich dies demnach nur durch eine genaue Planung der Abbaustätten.

Und nach etwas anderes sehen die Forscher krititsch: Die Tendenz der Autoindustrie, den Elektroautos mit immer größeren Batterien auszustatten, um die Reichweite zu verbessern. Dadurch werde der mögliche Klimavorteil aus der Optimierung der Produktion konterkariert. Schon bei einer Verdoppelung der Batteriekapazität von gut 30 auf 60 Kilowattstunden, falle die Klimabilanz negativ aus.

Große Unterschiede zu bisherigen Forschungsarbeiten ergäben sich laut der niederländischen Studie bei der Bewertung der Batterien. Neueren Analysen zufolge würde ihre Herstellung dank ausgereifterer Technik und eines grüneren Strommixes mehr als 50 Prozent weniger CO2 freisetzen als in der Vergangenheit angenommen. So zeigten jüngste Veröffentlichungen einen CO2-Ausstoß von 40 bis 100 kg je kWh Batterie. Für die TU-Studie gilt ein Mittelwert von 75 kg je kWh. Zudem kämen moderne Batterien auf eine Lebenszeit von deutlich mehr als die oft zugrunde gelegten 150.000 km. In der Praxis würden laut TU Eindhoven sogar teilweise Batterielaufzeiten von mehr als 500.000 km erzielt. Für ihre Studie ist sie von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 250.000 km ausgegangen. Weiterhin müsse die künftige Verbesserung der CO2-Bilanz des Strommixes Berücksichtigung finden. Viele Studien würden fälschlicherweise einen in den nächsten 20 Jahren unverändert hohen fossilen Anteil für Deutschland und andere europäische Länder fortschreiben. Dabei würde der von einem heute gekauften Auto getankte Strom stets CO2-ärmer werden. Die Studie geht daher im Mittel von 250 g CO2-Äquivalent je kWh Elektrizität aus.
 

Voremissionen bei Verbrennern

 Auf der anderen Seite sei die CO2-Bilanz der Verbrennungsmotoren meist geschönt. Durchschnittlich verbrauchten Benzin- und Dieselfahrzeuge 40 Prozent mehr Kraftstoff als von den Herstellern offiziell angegeben. Hier seien realistische Verbrauchswerte anzusetzen. Die TU-Studie stützt sich deshalb auf Straßen- und von den Herstellern unabhängige Testmessungen. Darüber hinaus fänden CO2-Emissionen, die bei der Förderung, dem Transport und dem Raffinieren von Erdöl entstehen, bei der Berechnung der Gesamtklimabilanz fossiler Energieträger meist keine Berücksichtigung, weder bei Kraftstoffen noch bei der fossilen Stromerzeugung. Die Emissionen pro Liter betrügen der Studie zufolge demnach 3.310 g für Diesel und 3.140 g für Benzin. Damit führe die korrekte Einbeziehung der Voremissionen zu 24 beziehungsweise 30 Prozent höheren Werten.

Batterieauto schlägt Hybridfahrzeug

Mit den Akkus hat sich auch die Studie aus Eindhoven intensiver beschäftigt und deren Herstellung in die Bilanz einbezogen. Die Forscher hier stellten in drei Größenkategorien E-Autos ähnlichen Modellen mit Verbrennungsmotor gegenüber. Das Ergebnis: Die E-Autos schnitten über Ihre Gesamtlebensdauer in der Klimabilanz 54 bis 82 Prozent besser ab als Benziner oder Diesel.

So kommt der Volkswagen e-Golf auf 78 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilometer, während der Toyota Prius mit 168 Gramm mehr als doppelt so viel ausstößt. Die Mehrbelastung durch die Batterieherstellung hätte das E-Modell demnach nach 28.000 Kilometern wieder ausgeglichen.

Beim Vergleich des Mercedes C 220d mit dem Tesla Model 3 ergibt sich mit 260 zu 91 Gramm eine 65-prozentige Differenz bei der CO2-Gesamtbilanz. Das Batteriemodell wäre hier nach 30.000 Kilometern klimafreundlicher. Am deutlichsten zeigt sich der Unterschied beim Vergleich eines Bugatti Veyron mit einem Porsche Taycan S. Der E-Porsche emittiert mit 140 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilometer 82 Prozent weniger als der Bugatti-Wagen, der auf 778 g kommt. Die Batterie zahlte sich hier nach 11.000 Kilometernfür die Umwelt aus.

Elektroantriebe seien im Durchschnitt viermal effizienter als Verbrennungsmotoren, so die Autoren der niederländischen Studie. Bei einem Strommix mit 100 Prozent erneuerbaren Energien könnte der Verkehrssektor mit Batterieantrieben sogar mehr als das Zehnfache der CO2-Emissionen einsparen, schlussfolgerten sie mit Blick auf das künftig anvisierte Energiesystem.

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