Für die einen ist es eine wirksame Methode, um das Treibhausgas CO2 in großen Mengen unschädlich zu machen und den Erderwärmung zu bremsen. Für Umweltorganisationen wie Greenpeace hingegen nur eine „Scheinlösung“ und unverantwortliche Entsorgung von „Sondermüll“: Die Verpressung und dauerhafte Einlagerung von Kohlendioxid in unterirdische Gesteinsschichten oder Kavernen. Im Fachjargon CCS („Carbon Capture and Storage“) genannt.

Das derzeit größte CCS-Projekt in Europa wurde jetzt in Dänemark gestartet: Im ausgeförderten Ölfeld „Nini West“, 200 Kilometer von der dänischen Küste entfernt, begann der deutsche Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea jetzt damit, große Mengen von CO2 aus einer Ethylenoxid-Raffinerie des Projektpartners Ineos in Zwijndrecht 1800 Meter tief zu versenken und unter der Nordsee einzulagern. „Dies ist ein Durchbruch für die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Es ist das erste Mal, dass Kohlendioxid weltweit erfolgreich abgeschieden, grenzüberschreitend transportiert und sicher offshore gelagert wurde“, feierte Ineos-Gründer Jim Ratcliffe das „historische“ Ereignis.

Ab in den Untergrund
Von einer ehemaligen Bohrinsel aus wird das per Schiff angelieferte CO2 mit Rohrleitungen in rund 1800 Meter Tiefe befördert und dort in eine ehemalige Öl-Lagerstätte zur sicheren Verfahrung gepumpt. Fotos: Ineos Energy

„Greensand“ heißt das Projekt, das die dänische Regierung mit insgesamt 26 Millionen Euro fördert: Dänemark erhofft sich für die kommenden Jahrzehnte ein lukratives Geschäft mit der Einspeicherung von jährlich mehreren Millionen Tonnen CO2. Ähnlich wie Norwegen, Großbritannien und die Niederlande, wo ähnliche Projekte geplant sind. Bis Anfang April läuft zunächst eine Demonstrationsphase, während der die beteiligten Unternehmen bis zu 15.000 Tonnen CO2 aus dem belgischen Industriebetrieb in die ehemalige Lagerstätte einlassen werden. Ab 2025/26 soll die eingebrachte Menge an Emissionen auf 1,5 Mio. Tonnen pro Jahr steigen.

CO2 per Schiff von Belgien nach Dänemark

Wintershall Dea und das britische Chemieunternehmen Ineos haben für „Greensand“ ein komplexes Logistiksystem aufgebaut. Basis dafür ist ein bilaterales Abkommen zwischen Belgien und Dänemark. Das Kohlendioxid wird in der belgischen Raffinerie abgeschieden und dann in speziellen Behältern mit einem Offshore-Versorgungsschiff im Pendelverkehr nach Dänemark transportiert – jeweils 800 Tonnen pro Schiffsladung. „Wir zeigen, dass der Transport und die Einspeicherung von CO2 sicher und zuverlässig über Länder grenzen hinweg möglich sind und schon in naher Zukunft einen Beitrag zu einer dekarbonisierten Zukunft leisten kann“, sagte Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea, bei einem Festakt im dänischen Esbjerg.

Stufenplan 
Für das Projekt Greensand haben Wintershall Dea und Ineos zusammen mit Partnern eine komplexe Logistik aufgebaut.
Stufenplan
Für das Projekt Greensand haben Wintershall Dea und Ineos zusammen mit Partnern eine komplexe Logistik aufgebaut.

Sollte sich das Verfahren bewähren, ist geplant, bis zu acht Millionen Tonnen des Klimagases vor der dänischen Küste unter der Nordsee zu versenken. Aus Belgien, aber möglicherweise auch aus Deutschland: Die energieintensive Industrie setzt auch hierzulande große Hoffnungen auf die CCS-Technologie zur Erreichung der jeweiligen Emissionsminderungs- und Klimaziele. Aus Brüssel gibt es dafür kräftigen Rückenwind: Die EU-Kommission kalkuliert mit Einspeisungen in europäische Lagerstätten in einer Größenordnung von bis zu 300 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. „Mit der ersten vollständigen Wertschöpfungskette für CCS in Europa zeigen Sie, dass diese Technologie realisiert werden kann“, würdigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Videobotschaft die Arbeit der „Greensand“-Betreiber.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Auf deutscher Seite gibt es allerdings noch Bedenken, aber auch rechtliche Hürden, um CO2 zu Lagerstätten außerhalb des Landes zu transportieren. Deswegen forderte Wintershall Dea-CTO Hugo Dijkgraaf anlässlich des Projektstarts nochmals, dass die Politik hier die entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen schafft, um CCS auch in Deutschland den Weg zu bereiten. „Nun müssen weitere bilaterale Abkommen zwischen Ländern folgen, um die emissionsintensiven Industrien mit den CO2-Lagerstätten in der Nordsee zu verbinden“, so Dijkgraaf.

Bundesregierung macht sich für CCS stark

Zuletzt hatte die Politik den Unternehmen der Brache deutlich Hoffnungen auf Fortschritte in Sachen CCS gemacht. Beim „Handelsblatt-Energie-Gipfel“ im Januar hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigt, er werde sich für einen grenzüberschreitenden CO2-Handel in Europa einsetzen. Auch im Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz heißt es, dass die Speicherung von CO2 unter dem Meeresboden notwendig sei, um die Klimaziele zu erreichen.

"Aurora-Storm"
Mit dem diesel-elektrisch angetriebenen Offshore-Versorgungsschiff können pro Fahrt 800 Tonnen CO2 in Spezialbehältern vom Hafen Antwerpen aus zur Pumpstation im Nini-West-Feld vor der Küste Dänemarks transportiert werden.
„Aurora-Storm“
Mit dem diesel-elektrisch angetriebenen Offshore-Versorgungsschiff können pro Fahrt 800 Tonnen CO2 in Spezialbehältern vom Hafen Antwerpen aus zur Pumpstation im Nini-West-Feld vor der Küste Dänemarks transportiert werden.

Für Wintershall Dea ist die Einlagerung von CO2 ein wichtiges zukünftiges Geschäftsfeld, auf dem es vor allem nach seinem Exit aus Russland weiter wachsen will. So hat das deutsche Öl- und Gasunternehmen etwa zuletzt ein gemeinsames Projekt mit dem belgischen Fernleitungsnetzbetreiber Fluxys verkündet. Sie wollen an einer grenzüberschreitenden CO2-Pipeline zwischen Süddeutschland und Belgien arbeiten. Fluxys will Zeebrugge zu einem CO2-Hub ausbauen. Ähnliche Absichten verfolgt Wintershall Dea mit „CO2nnectNow“ für den Standort Wilhelmshaven.

(Mitarbeit: Mareike Teuffer, Energate)

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert