Der französische Reifenhersteller Michelin erweitert sein Engagement im Bereich nachhaltiger Mobilität und trägt nun auch zur Dekarbonisierung der Schifffahrt bei. Mit dem innovativen WISAMO-Flügelsegel (Wing Sail Mobility) präsentiert das für innovative Lösungen bekannte Unternehmen eine Lösung, die den Kraftstoffverbrauch von Schiffen signifikant reduzieren kann.
Um das zu beweisen, wird Michelin in Zusammenarbeit mit der französischen Direktion für maritime Angelegenheiten, Fischerei und Aquakultur (DGAMPA) ein neues Hochsee-Patrouillenschiff mit dem WISAMO-Segelsystem ausstatten. Dieses aufblasbare Flügelsegel mit einer Fläche von 170 Quadratmetern ergänzt das diesel-elektrische Hybridsystem des Schiffes und ermöglicht eine Kraftstoffeinsparung von etwa 15 Prozent. Die Installation ist für Anfang 2027 geplant, gefolgt von ausgiebigen Seeerprobungen.
Patrouillenschiff für den Golf von Biscaya
Das neue Patrouillenschiff wird der Nachfolger der vor fast 40 Jahren entworfenen Iris und ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen drei französischen Unternehmen: dem Schiffsbauarchitekturbüro Mauric, der Werft Socarenam und Michelin. Das Schiff wird mit der Seeüberwachung innerhalb der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) beauftragt – es wird die Bewegungen von Frachtschiffen überwachen und die maritimen Operationen der französischen Regierung zu unterstützen. Dazu gehören auch die Durchsetzung von Fischereivorschriften, Navigationsüberwachung, Kontrolle der Meeresverschmutzung oder die Durchsetzung des Umweltschutzes.

Das neue Patrouillenboot wird sich dank des aufblasbaren Segels beinahe lautlos über das Wasser bewegen können, aber in erster Linie den konventionellen Antrieb unterstützen und so Kraftstoff einsparen helfen. Computeranimation: Michelin
Das Schiff wird La Rochelle stationiert mit Einsatzgebiet entlang der Atlantikküste, insbesondere im Golf von Biskaya. Dort wurde das WISAMO-Segelsystem bereits 2023 erfolgreich getestet: An Bord des Containerschiffs MS Pelican konnte es auf Fahrten zwischen dem britischen Pool und dem spanischen Bilbao mehrere Monate lang und in 600 Einsatzstunden seine Belastbarkeit und Ausdauer unter Beweis stellen.
Technische Details des WISAMO-Systems
Das WISAMO-System, das in enger Zusammenarbeit zwischen der F&E-Abteilung von Michelin und zwei Schweizer Entwicklern entstand, zeichnet sich durch drei Hauptkomponenten aus:
- Selbsttragender Teleskopmast: Dieser vollständig einziehbare Mast ermöglicht es, das Segel je nach Bedarf zu setzen oder zu verstauen, was die Manövrierfähigkeit des Schiffes erhöht und die Passage unter Brücken erleichtert.
- Aufblasbares Flügelsegel: Gefertigt aus strapazierfähigem, leichtem Material, wird das Segel bei niedrigem Druck aufgeblasen, um ein symmetrisches Profil zu bilden. Diese Konstruktion gewährleistet Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber Verformungen durch den Wind.
- Automatisiertes Steuersystem: Ein digitales Kontrollsystem übernimmt das Hissen, Bergen und Anpassen des Segels automatisch, ohne dass manuelle Eingriffe erforderlich sind. Sensoren erfassen dabei kontinuierlich Windrichtung und -stärke, um die Segelstellung optimal anzupassen.

Das aufblasbare Segel erinnert ein wenig an die voluminöse Werbefigur des Michelin-Konzerns, Bibendum genannt. Bilder: Michelin
Die Schifffahrtsindustrie steht vor der Herausforderung, ihre CO₂-Emissionen drastisch zu reduzieren. Aktuell ist sie für etwa drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, was jährlich rund eine Milliarde Tonnen des Klimagases CO₂ entspricht. Ohne Gegenmaßnahmen könnten diese Emissionen bis zum Jahr 2050 um bis zu 250 Prozent steigen.
Renaissance der Segeltechnik
In diesem Kontext erlebt die uralte Technik des Segelns eine moderne Wiederbelebung. Innovationen wie das WISAMO-Flügelsegel nutzen die saubere und unerschöpfliche Energie des Windes, um den Kraftstoffverbrauch der Schiffe zu senken und somit die Umweltbelastung zu reduzieren. Diese Entwicklung zeigt, wie traditionelle Techniken mit moderner Technologie kombiniert werden können, um nachhaltige Lösungen für die Zukunft zu schaffen.
Maude Portigliatti, die bei Michelin den Geschäftsbereich Polymer Composite Solutions leitet, freute sich über den Auftrag zur Ausstattung des Patrouillenbootes. „Das ist ein wichtiger Schritt für die Entwicklung von WISAMO und zur Dekarbonisierung des maritimen Sektors. Er unterstreicht nicht nur unsere technologische Führerschaft bei Verbundwerkstoffen und die Robustheit unserer Lösung, sondern auch den Pioniergeist von Michelin.“