Ob das Modell jemals in Serie geht? Eher unwahrscheinlich. Dabei sieht der im Windkanal geformte Renault Embleme hinreißend aus. Und viele Details an dem vollelektrischen, 4,80 Meter langen Shooting Brake oder Kombi-Coupè sind wegweisend. Angefangen von den im Innenraum eingesetzten Materialien bis hin zum „Dual Energy“-Antrieb: An der Hinterachse sitzt ein 160 kW starker, hocheffizienter Elektromotor, der von einem 40 kWh fassenden Lithium-Ionen-Akku sowie einer 30 kW starken Brennstoffzelle mit Strom gefüttert wird. Und das ganz effizient: Der 2,8 Kilogramm fassende Wasserstofftank unter der Fronthaube soll zusammen mit dem Stromspeicher zwischen den Achsen für Reichweiten von bis zu 1000 Kilometern sorgen.

Ähnlich große Reichweiten lassen sich rein batterieelektrisch derzeit kaum erreichen. Reichweitenkönig ist derzeit der Lucid Air Grand Touring, der mit seinem 117 kWh fassenden Akku nach dem WLTP-Zyklus bis zu 817 Kilometer weit rollt. Allerdings kostet der Luxus-Stromer wenigstens 130.000 Euro und wiegt auch knapp 2,5 Tonnen. Der Renault Embleme hievt hingegen nur 1,8 Tonnen auf die Waage. Und er ist als Familienauto für Normalverdiener konzipiert – kosten soll er nicht mehr als ein Renault Scenic E-Tech Electric. Das wären nach aktuellem Stand 47.900 Euro für die Langstreckenversion mit 87 kWh-Akku.

Im Windkanal geformt 
Unter anderem ein großer Heckspoiler und eine beweglicher Diffusor sorgen für einen guten cW-Wert des Renault von 0,25.
Im Windkanal geformt
Unter anderem ein großer Heckspoiler und eine beweglicher Diffusor sorgen für einen guten cW-Wert des Renault von 0,25.

Womit wir beim eigentlich Zweck des Konzeptautos wären: Mit dem Embleme und dem exotischen Wasserstoff-Hybridantrieb will Renault Wege zur Verringerung des schweren CO2-Rucksacks aufzeigen, den reichweitenstarke Batterieautos heute noch mit sich herumschleppen. Erst nach vielen Tausend Kilometern emissionsfreien Fahrens ist deren Klimabilanz aufgrund des hohen Energieeinsatzes bei der Produktion von Fahrzeug und Stromspeicher, aber auch durch das aufwändige Recycling wirklich positiv und auch insgesamt besser als die eines Verbrenners.

Manche Fahrzeughersteller in China kombinieren deshalb bereits den Batterieantrieb mit einem benzingetriebenen Verbrennungsmotor als Range Extender, um ähnlich große Reichweiten wie mit einem Dieselauto darstellen zu können. Auch Volkswagen liebäugelt inzwischen mit dem Konzept: Auf der Automesse in Shanghai stellen die Wolfsburger gerade ein „Extended-Range Electric Vehicle“ (EREV)-Modell für den chinesischen Markt vor.

„Autos sollten keine Abgase mehr ausstoßen“

Für Cléa Martinet, Direktorin für Nachhaltigkeit bei der Renault Group und deren auf E-Autos spezialisiertes Tochterunternehmen Ampere, kommt ein solches Konzept allerdings nicht in Frage: „Autos sollten in Zukunft keine Abgase mehr ausstoßen“. Und auch sonst Umwelt und Klima nicht mehr belasten. Der französische Autokonzern hat sich deshalb eine ehrgeizige Dekarbonisierungs-Strategie verordnet: Bis 2040 sollen die Fahrzeuge des Konzerns einen um 90 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck aufweisen als 2019. Und das nicht nur im Fahrbetrieb, sondern von „cradle zu crave“ – von Produktion und Einkauf bis hin zu Demontage und Recycling.

Zur Einordnung: Ein benzingetriebener Renault Captur des Modelljahres 2019 steht für 50 Tonnen CO2-Äquivalent (CO2e), ein batteriegetriebener Renault Megane E-Tech Electric mit 60 kWh großem Akku im Modelljahr 2025 immer noch für 25 Tonnen CO2e. Wollte man dessen Reichweite von 450 Kilometern weiter erhöhen, kämen wenigstens noch fünf Tonnen CO2 obendrauf, sähe die Klimabilanz nochmal schlechter aus.

Alles öko, oder was?
50 Prozent der Teile im Innenraum des Konzeptautos bestehen aus recycelten oder natürlichen Materialien wie Leinen oder Ananas-Fasern, einer leichteren und nachhaltigeren, aber trotzdem ansehnlichen Alternative zu Tierleder. Auch auf Farbstoffe wurde verzichtet.
Alles öko, oder was?
50 Prozent der Teile im Innenraum des Konzeptautos bestehen aus recycelten oder natürlichen Materialien wie Leinen oder Ananas-Fasern, einer leichteren und nachhaltigeren, aber trotzdem ansehnlichen Alternative zu Tierleder. Auch auf Farbstoffe wurde verzichtet.

Was durch eine Optimierung an allen Teilen und Prozessen möglich wäre, soll der Renault Embleme als „Test- und Lernfeld“ zumindest im Labor aufzeigen. Der Autobauer hat dazu in den zurückliegenden vier Jahren Experten aus allen Bereichen des Unternehmens hinzugezogen, aber auch über 20 Zulieferer von Schlüsselkomponenten in die Pflicht genommen. Das Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen. Es rechnet sich auchg gut – zumindest auf dem Papier: Effizienzsteigerung am Antrieb sowie die Umstellung des Fahrzeugproduktion auf Grünstrom sparten jeweils fünf Tonnen CO2 ein, der Einsatz alternativer, biobasierter oder recycelter Materialien weitere sieben Tonnen.

„Net Zero“ nicht zum Nulltarif

Auch die Logistik wurde optimiert – und die Gestaltung vieler Bauteile nach dem Ökodesign-Prinzip. So besteht die Karosserie des Embleme beispielsweise aus hochfesten und presshärtenden Stählen von Arcelor Mittal, die das Gewicht des Serienfahrzeugs um acht Prozent senken. Durch den Einsatz von grünem Wasserstoff in der Produktion würde zudem der CO2-Fußabdruck des Bauteils um fast 70 Prozent verkleinert.

Alles schön und gut. Das Problem ist nur: Manche der Komponenten sind noch Einzelanfertigungen, in Großserie noch nicht verfügbar. Oder nur zu sehr hohen Preisen, wie Martinet im Gespräch mit EDISON einräumt. Was natürlich dem Ziel zuwiderläuft, ein massentaugliches „Net Zero“-Auto für Jedermann auf die Räder zu stellen. „So etwas in den nächsten 15 Jahren zu realisieren, ist eine große Herausforderung.“

Die Dekarbonisierung sowohl der Produktionsstätten wie der Fahrzeuge, beklagt die Renault-Managerin, sei derzeit noch mit großen Preisaufschlägen verbunden. „Grüner Stahl ist pro Tonne bis zu 250 Euro teurer als konventioneller.“ Für einen Volumenhersteller sei dies eine große Hürde – „das kann man nicht einfach auf den Fahrzeugpreis aufschlagen“ oder gar auf die eigene Kappe nehmen. Selbst dann nicht, wenn der Konzern mit seinen Elektroautos bereits ordentlich Geld verdient.

Wasserstoff-Versorgung ein Handicap

Die aber vielleicht noch größere Herausforderung, so Martinet, seien die Autokäufer. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste Renault 2025 wenigstens 25 Prozent seiner Fahrzeuge mit Batterieantrieb verkaufen. Ende 2024 betrug der Anteil allerdings gerade einmal 14 Prozent. Die Aufweichung der EU-Flottengrenzwerte begrüße man deshalb zwar, aber spätestens 2027 müsse man trotzdem die Ziele erreichen. Dazu müsse durch den Markt noch ein Ruck gehen. Und die Diskussion über das EU-Verbrennerverbot 2035 und auch E-Fuels („Die haben eine schlechte Ökobilanz und rechnen sich nur über die CO2-Abscheidung“) müssten endlich ein Ende haben.

Und um den „Dual-Energy“-Antrieb mit der Brennstoffzelle als Range Extender realisieren zu könne, brauche es natürlich, wie die Nachhaltigkeits-Direktorin von Renault einräumt, auch ein größeres Angebot an grünem Wasserstoff in Europa. Die Herstellkosten von Wasserstoff seien in Europa deutlich höher als die von elektrischem Strom: „Das ist ein echtes Handicap“ – das kürzlich auch zur Liquidation von Hyvia, des Brennstoffzellen-Joint-Venture von Renault mit dem US-Unternehmen Plug Power, geführt habe.

Grüner Shooting Brake 
Mit 4,80 Metern Länge, großem Kofferraum und 1000 Kilometer Reichweite wäre der Embleme ein vollalltagstaugliches Familienauto.
Grüner Shooting Brake
Mit 4,80 Metern Länge, großem Kofferraum und 1000 Kilometer Reichweite wäre der Embleme ein vollalltagstaugliches Familienauto.

Aber mit einer großangelegten Wasserstoff-Produktion im Mittleren Osten könnte sich die Kostensituation wie auch die Verfügbarkeit ganz anders darstellen. „Und wir sagen ja auch nicht, dass sich Elektroautos mit solch großen Reichweiten ausschließlich mit dem Dual-Power-Konzept darstellen lassen. Es kann sein, dass im Jahr 2035 ganz andere Batterietypen mit höherer Energiedichte auf dem Markt sind.“

Autoindustrie im Trilemma

Aber nach heutigem Stand der Technik wäre der Hybridantrieb des Embleme die beste Lösung, um die Ökobilanz eines Elektroautos deutlich zu verbessern. Darin hat Martinet keinen Zweifel. Auch weil man hier – im Unterschied zum Batterieauto – beinahe alle Teile der Wertschöpfungskette in Europa hätte. „90 Prozent der Nickel-Produktion und 95 Prozent der Graphit-Produktion liegen in China.“ Insofern sei das Antriebskonzept des Embleme für Europa durchaus eine interessante Option. Martinet: „Auch wenn Wasserstoff sicher nicht die ultimative Lösung ist“.

Martinet sieht die europäische Autoindustrie vor dem Hintergrund in einem Trilemma: „Wir wollen und müssen mehr für den Klimaschutz tun. Aber die damit verbundenen hohen Zusatzkosten verringern unsere Wettbewerbsfähigkeit. Und letztlich begeben wir uns in neue Abhängigkeiten, die unsere Spielräume einengen.“ Der Embleme weise aus diesem Dreieck zumindest einen Ausweg. Doch ob der auch gegangen wird? Elemente des Fahrzeugs werde man sicher schon in den nächsten Serienfahrzeugen sehen, versichern Ingenieur und Designer. Aber das Komplettfahrzeug? Martinet: „Die Entscheidung muss der Vorstand treffen.“

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