Die deutsche Nationalhymne erklang am Ostersonntag in der Oase von al-Ula. Wer sich nicht so auskennt: Die liegt 400 km nordwestlich von Medina im nordwestlichen Teil von Saudi-Arabien und gilt wegen zahlreicher in den Sandstein geritzter Inschriften sowie etlicher Ruinen aus nabatäischer Zeit als so etwas wie die archäologische Schatzkammer des Landes.
Gefeiert wurde am Osterwochenende in al-Ula allerdings nicht die Vergangenheit, sondern der Start in die Zukunft und der erfolgreiche Auftakt der neuen Rennserie Extreme E. Ausgetragen wird sie mit vollelektrischen, 400 kW (550 PS) starken Buggys vom Typ Odyssey 21. Und der Sieg von „Rosberg X Racing“ im Auftaktrennen in der Wüste, dem so genannten Desert X-Prix. Das Team des früheren Formel-1-Weltmeister und Co-Gründer des Greentech-Festivals Nico Rosberg hatte sich auf dem knapp neun Kilometer langen spektakulären Rundkurs in allen Läufen trotz schwierigster Bedingungen klar gegen die Konkurrenz durchgesetzt.
Im Finallauf ließen Rosbergs Fahrer, der dreifache Rallycross-Meister Johan Kristoffersson aus Schweden und die australische Rallye-Pilotin Molly Taylor, ihre Wettbewerber klar hinter sich: Nach zwei Runden hatten sie einen Vorsprung von 23 Sekunden auf Timmy Hansen und Catie Munnings vom US-amerikanischen Team Andretti United sowie zu Sébastian Loeb und Christina Gutiérrez, die für das X44-Team des Formel-1-Champions Lewis Hamilton an den Start gegangen waren. Ein geschicktes Überholmanöver von Kristoffersson in der Startphase hatte bereits alles entschieden – wegen der starken Staubentwicklung gab es auf der Strecke kaum Überholmöglichkeiten. Mehrere schwere Unfälle während des Trainings, an dem auch das zweite deutsche Abt Cupra-Team mit Fahrerin Claudia Hürtgen beteiligt war, hatten die Fahrer vorsichtig werden lassen.
Die Extreme E, die von dem Formel E-Gründer Alejandro Agag und dem ehemaligen McLaren-Sportdirektor Gil de Ferran aus der Taufe gehoben wurde, will aber mehr als nur Nervenkitzel erzeugen. Das hehre Ziel ist es vielmehr, mit Wettfahrten an hochsensiblen Orten auf den Klimawandel und die Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen – und obendrein auch noch für die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu werben. „Wir werden die Welt nicht verändern, aber wir können vielleicht eine Veränderung zum Besseren einleiten“, erklärte Agag vor einigen Wochen im Gespräch mit EDISON die Mission der Extreme E.
Umweltforscher begleiten die Extreme E
Beim Desert X-Prix ging es um den zunehmenden Wassermangel und die Verstepppung von Landschaften. Beim Ocean X-Prix Ende Mai am senegalesischen Salzsee Lac Rose wird der steigende Meeresspiegel und die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll thematisiert. Und beim Arctic X-Prix auf Grönland wollen die Organisatoren Ende August darauf aufmerksam machen, was der Klimawandel heute bereits in der Arktis anrichtet.
Agag und de Ferran haben dazu ein Wissenschafts-Team angeheuert, dem unter anderem der Polarforscher Peter Wadham, die Meeresbiologin Lucy Woodall und der Klimaforscher Richard Washington angehören. Sie sollen nicht nur verhindern, dass der Rennzirkus keine Schäden in der Landschaft hinterlässt. Sie sollen im Rahmen eines Legacy-Programms auch Projekte zur Verringerung der Umweltprobleme initiieren – Aufforstungen, Müllsammlungen, beispielsweise aber auch Bildungsprogramme für die Kinder der Inuit in Grönland.
So profitieren von dem Auftaktrennen in Saudi-Arabien indirekt die Grüne Schildkröte sowie die Echte Karettschildkröte im Roten Meer – beide sind vom Aussterben bedroht, weil sich Exemplare immer wieder in Fischernetzen verfangen oder weil die Strände, an denen sie ihre Eier ablegen, durch Baumaßnahmen oder den steigenden Meeresspiegel zerstört werden. Zudem lässt der Klimawandel die Temperaturen im Sand steigen, was das Geschlechterverhältnis der Brut verändert: Je wärmer es ist, desto mehr weibliche Tiere schlüpfen aus den Eiern.
Rallye-Organisation schützt Schildkröten
Die Extreme E wird deshalb nun am Ras Baridi am Roten Meer – gegenüber von Marsa Alam in Ägypten – den Schildkrötenschutz durch Strandmanagement und -überwachung, vorsichtige Nestumsiedlungen sowie eine Anhebung des Strandniveaus finanzieren und die saudische Umweltorganisation Ba’a Foundation langfristig unterstützen.
So hat das Rennspektakel über den Nervenkitzel für die Teilnehmer und die Zuschauer an den Fernsehbildschirmen (Publikum vor Ort ist außer Funktionären, Presse und Ehrengästen keines zugelassen) hinaus vielleicht doch noch einen nachhaltig-positiven Effekt auf die Umwelt.