Astypalea galt unter Griechenland-Touristen lange als Geheimtipp. Die Schmetterling-Insel in der Ägais hat eine venezianische Festung zu bieten, Mosaiken als altrömischer Zeit und einen malerischen Hafen, dazu einsame Buchten mit weißen Sandstränden. Es gibt zahllose Möglichkeiten zum Tauchen und Kraxeln sowie zahlreiche Restaurants, in der noch die ursprüngliche griechische Küche serviert wird. Trotzdem verirrten sich bislang jeden Sommer nur etwa 70.000 Touristen (2,5 Millionen sind es auf dem benachbarten Rhodos) auf die knapp 100 Quadratkilometer große Sporaden-Insel: Die Anreise mit der Fähre dauert bis zu neun Stunden. Und mit dem Flieger können zwischen dem Start in Deutschland und der Landung auf dem kleinen Inselflughafen sogar bis zu 24 Stunden vergehen. Denn unterwegs muss mehrmals zwischengelandet werden.
Trotzdem könnten ab diesem Sommer deutlich mehr Besucher aus Deutschland nach Astypalea kommen als in all den Jahren zuvor. Denn die kleine Insel im Mittelmeer ist um eine wenigstens eine Attraktion reicher geworden. Seit vergangener Woche kurvt das erste vollelektrische Polizeiauto Griechenlands über das 70 Kilometer zählende Straßennetz und durch die vier Inselorte. Es ist der erste Schritt zur Elektrifizierung des gesamten Straßenverkehrs auf der Insel – und für VW-Chef Herbert Diess irgendwie auch der Auftakt zur Dekarbonisierung Europa. „Wir erforschen hier in Echtzeit, was die Menschen zum Umstieg auf die E-Mobilität bewegt und welche Anreize es für den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensstil braucht“, sagte der aus Wolfsburg herbeigeflogene Konzernchef vergangene Woche bei einem gemeinsamen Termin mit Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis. Anlass war die Übergabe des neuen Polizeiautos sowie weiterer drei Elektroautos, die bei der Inselverwaltung und am Rathaus zum Einsatz kommen sollen.
Doch bei den vier Elektroauto soll es nicht bleiben. Und schon gar bei der Versorgung der rund 1300 Inselbewohnern mit elektrischem Strom, der mithilfe von Dieselgeneratoren erzeugt wird. Nein, die Insel soll in den kommenden Jahren komplett auf Grün gedreht werden. Bis 2023 wird ein neuer Solarpark mit drei Megawatt Leistung errichtet. Bis 2026 kommen dann noch etliche Windräder hinzu sowie ein Batteriespeichersystem zur Stabilisierung des Netzes und zur Versorgung der Haushalte und Ladestationen während Dunkelflauten. Die CO2-Emissionen von aktuell 5000 Tonnen im Jahr sollen auf diese Weise um 80, die Energiekosten um immerhin 30 Prozent gesenkt werden. Wie sagte der griechische Premier? Astypalea sei ein „Prüfstand für die grüne Energiewende: energie-autark und von der Natur angetrieben“.
Volkswagen investiert rund 100 Millionen Euro
Das Projekt gehört zu Griechenlands nationalem Aufbau- und Resilenzprogramm „Greece 2.0“, mit dem das Land nach der Corona-Pandemie die Weichen zur Klimaneutralität stellen will – unter anderem mit Mitteln aus dem milliardenschweren „Green Deal“-Programm der EU, aber auch mit Unterstützung von Industriepartnern. So wird der Volkswagen-Konzern rund 100 Millionen Euro in das Projekt stecken, wie ein Konzernsprecher verriet. Das Geld fließt in den Ausbau der Elektromobilität, aber auch in neue vollelektrische Mobilitätsangebote wie Car- und Ridesharing-Services. MAN Energy Solutions wird zudem seine Technologien bei Sektorenkopplung, Energiespeicherung und -Management einbringen – so rechnet sich das irgendwann, irgendwie.
Jetzt müssen nur noch die 1300 Inselbewohner von der Energiewende überzeugt werden: Deren 500 Autos sowie rund 1000 Roller und Mopeds sind heute noch ausschließlich benzingetrieben. Der Staat fördert den Umstieg auf Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben mit großzügigen Anreizen: Der Kauf von Elektroautos wird auf Astypalea mit 40 Prozent und bis zu 12.000 Euro bezuschusst, E-Taxis mit 15.000 Euro. Das ist in etwa das Doppelte von dem, was es in Griechenland generell an Förderung für E-Mobile gibt. Außerdem bekommen die Einwohner von Astypalea, die ihren Verbrenner aus dem Verkehr ziehen, 3000 Euro Abwrackprämie. Taxibesitzer bekommen sogar 4500 Euro.
Auf der Nachbarinsel Chalki kommt Citroën zum Zug
Volkswagen bietet dafür den VW e-Up, den ID.3 und ID.4 an sowie den e-Scooter MO von Seat. Zu welchen Konditionen, wird sich Ende des Monats, wenn die Fahrzeuge in Astypalea anlanden. Organisiert werden die Carsharing-Dienste von VW zusammen mit dem einzigen Autoverleiher auf der Insel – dem in Zukunft möglicherweise besten VW-Kunden auf der Insel. Heute besteht dessen Flotte noch überwiegend aus Kleinwagen, Rollern und Quads japanischer Provenienz.
Dafür wird eine der Nachbarinseln von Astypalea demnächst Stellantis-Land werden: Die griechische Regierung, so war am Rande der Veranstaltung in Astypalea zu erfahren, will in diesem Jahr noch eine andere Insel nahe Rhodos im Rahmen eines Pilotprojekts grün und smart machen: Chalki. In Zusammenarbeit mit dem Baukonzern Vinci – und dem französischen Autoherstelle Citroën.