Mate Rimac stellt die Automobilwelt gerade auf den Kopf – zumindest etwas. Gerade einmal 33 Jahre alt ist der Kroate. Trotzdem hat der Betriebswirt mit Bachelor-Abschluss bereits acht elektrisch angetriebene Hypercars verkauft und in der Kleinstadt Sveta Nedelja vor den Toren Zagrebs mit Rimac Automobili in nur zwölf Jahren ein Unternehmen aus dem Boden gestampft, für das mittlerweile rund 1000 Menschen arbeiten und an dem Porsche und der Hyundai-Konzern Anteile halten.
Rimac ist mit Ex-Formel-1-Weltmeister Niko Rosberg befreundet und steht mit VW-Konzernchef Herbert Diess auf vertrautem Fuß. Und der bestätigte jetzt Pläne, Bugatti in ein Joint Venture von Porsche mit Rimac Automobili einzubringen. Wenn die Kartellbehörden zustimmen, wird im vierten Quartal dieses Jahres ein Gemeinschaftsunternehmen namens Bugatti Rimac aus der Taufe gehoben, an dem Rimac Automobili 55 Prozent und Porsche 45 Prozent hält. Geführt werden soll das Joint Venture von Mate Rimac.
Was, so fragt man sich da, kann ein Mate Rimac eigentlich besser als Spitzenkräfte großer Autokonzerne?
Wir treffen das vollbärtige Wunderkind an einem Montagmorgen in seiner modernen Firmenzentrale in Sveta Nedelja – einem von sechs Standorten von Rimac in Kroatien. In den Besprechungsraum kommt der junge Firmenchef entspannt. Er hat zwar gerade viel zu tun mit der Entwicklung seines neuesten Projekts, des 1914 PS starken Nevera. Trotzdem nimmt er sich die Zeit, uns die wundersame Geschichte seines Lebens zu erzählen. Mit einem Glas Wasser in der Hand und einem MacBook auf dem Tisch, auf dem er uns alte Fotos zeigt.
Elektroantrieb eher aus der Not geboren
Alles fing demnach im Alter von 18 Jahren mit einem alten 3er-BMW an, mit dem Mate Rimac, Sohn eines Bauunternehmers, Driftrennen bestritt. Bei seinem zweiten Renneinsatz platzte der Sechszylinder des Autos – Ersatz musste her. Gerne hätte er den Achtzylinder aus dem BMW M5 genommen, „aber den konnte ich mir damals nicht leisten.“ Erschwinglich war hingegen ein Elektromotor aus einem Gabelstapler.
„Am Anfang haben mich alle nur belächelt“, erinnert sich der Rimac, „doch ich habe mich Woche für Woche verbessert und gezeigt, was ein Elektroantrieb kann.“ Videos von seinem 600 PS starken Elektro-BMW machten im Internet Furore – auch weil der in den Rennen auch schon einmal einen Tesla Roadster hinter sich ließ.
Rimac ist ein Car Guy, ein Autofan, wie es nur wenige gibt. Als Kleinkind legte er nach eigenen Worten seine Spielzeugautos selbst im Bett nicht aus der Hand. Seine Kindheit verbrachte er in Frankfurt am Main, wohin seine Eltern bei Ausbruch des Jugoslawien-Kriegs 1991 geflohen ware. Erst im Jahre 2000 ging es wieder zurück in die Heimat. In der Schule war er mäßig. Er machte sich jedoch einen Namen als Tüftler: Eine seiner ersten Erfindungen war der iGlove, ein programmierbarer Datenhandschuh, den er für einen Schülerwettbewerb baute und mit der schließlich einen Weltmeistertitel errang. Doch schon damals träumte er davon, ein Elektroauto zu bauen. Das klappte erst 2016.
Scheichs bestellten ersten Elektro-Sprinter
Im April feierte Rimac Automobili den zehnten Geburtstag. „Einfach war es zu Anfang nicht. Wir waren in den ersten Jahren immer wieder fast pleite.“ Doch dann stellte 2013 ein Landsmann den Kontakt zu einem Königshaus in den Emiraten her – und plötzlich flatterten zwei Bestellungen für einen elektrischen Supersportwagen ins Haus. Doch bis dahin existierte der 1000 PS starke Elektroflitzer nur im Computer. Und die Scheichs wollten das Auto schon wenige Monate später auf der IAA präsentieren. „Wir haben am Prototypen auf dem Weg nach Frankfurt noch im Lastwagen gearbeitet“, erinnert sich Rimac mit Schaudern an diese Zeit.
Der Rimac C One schlug beim Messepublikum ein wie eine Bombe. Doch weil sich der Firmenchef weigerte, die Produktion in die Emirate zu verlagern, platzte die Zusammenarbeit – und Rimac Automobili stand wieder kurz vor der Pleite.
„Im Nachhinein“, sagt Rimac heute, „war das das Beste, was mir passieren konnte.“ Denn der Jungunternehmer war nun gezwungen, Geld zu verdienen, um den Wagen fertigzustellen. Dies gelang, indem der Erfinder Kenntnisse und Erfahrungen, die er mittlerweile über den Elektroantrieb gesammelt hatte, an große Autohersteller zu verkaufen. Das gelang – und Rimac Automobili blüht seitdem.
Gegen einen Rimac Nevera sieht Bugatti alt aus
Inzwischen steht mit dem nach einem Wind benannten „Nevera“ der zweite Elektrosportler in den Startlöchern, „eine völlig neue Art von Performance-Fahrzeug“, wie Rimac sagt. Noch in diesem Jahr soll in einem Gewerbegebiet von Veliko Trgovišće die Produktion des 1912 PS (1406 kW) starken Elektrosprinters mit 550 Kilometern Reichweite anlaufen. Auch die des Schwestermodells Pininfarina Battista, mit dem sich der über 412 km/h schnelle Rimac Nevera die Antriebstechnik teilt.
Geplant ist eine Produktion von maximal 50 Exemplaren des voraussichtlich über eine Millionen Euro teuren Autos. Mehr als 100 oder 150 Fahrzeuge würde Rimac ohnehin nie bauen – auch um die Rimac-Kunden in der Autoindustrie nicht zu verärgern, die er mit unter anderem mit Batteriesteuerungen, Ladeelektroniken und Motorteilen beliefert. Aston Martin etwa wird auch seine Batterietechnologie nutzen.
„Elektroautos sind nicht die Lösung“
Und was kommt nach dem Nevera? Es müsse nicht zwangsläufig ein reines Elektroauto sein, sagt Rimac nach einer kurzen Denkpause. Denn er sehe sich nicht als Weltverbesserer. Und „Elektroautos sind nicht die Lösung“, findet er. Der Stillstand der Welt während der Corona-Krise habe deutlich gemacht, dass saubere Autos allein die Welt nicht retten können: „Wer etwas für die Umwelt tun will, muss kein Elektroauto fahren, sondern sollte einfach weniger Fleisch essen“, sagt der überzeugte Veganer.
Kurz darauf gibt er sich auch noch als Verfechter der Kernenergie zu erkennen: „Atomkraft ist super. Deutschland schießt sich mit dem Ausstieg selbst in den Fuß, gerade für Elektroautos“, erläutert der Techniker nachdenklich. „Es ist doch besser, eine kleine Menge problematisches Material zu handeln als viele tausend Tonnen Gift in die Luft oder in das Wasser zu leiten.“
Seine Begeisterung für den Elektroantrieb, erklärter dem verdutzten Zuhörer, sei ohnehin nicht ökologisch, sondern technologisch getrieben – die Fahrdynamik eines Heochleistungs-Stromers sei einfach atemberaubend. Privat fährt der Firmenchef einen BMW M5,erzählt Rimac mit einem Lächeln. „Und vielleicht kann ich mir irgendwann einmal auch einen Nevera leisten. Das ist das Auto, was ich in meinen Träumen schon immer habe bauen wollen.“
Porsche freut sich auf die Zusammenarbeit
An Geld sollte es in den kommenden Jahren dank auch der engen Zusammenarbeit mit dem Volkswagen-Konzern nicht mangeln. Lutz Meschke, Finanzchef und stellvertretender Vorstandschef von Porsche, gibt sich gegenüber EDISON als großer Rimac-Fan zu erkennen. „Er hat schon Jahre vor uns angefangen, elektrisch betriebene Fahrzeuge zu entwickeln. Rimac vollbringt außergewöhnliche Entwicklungsleistungen, er ist bei protoypischen Lösungen und Kleinserien hervorragend aufgestellt. Wir befruchten uns gegenseitig. Mit seiner Spritzigkeit, seinem Unternehmertum und seinen Ideen inspiriert er uns und umgekehrt profitiert er von unserem Knowhow.“
Der Wunderknabe aus Kroatien scheut die neue Herausforderung jedenfalls nicht. „Bugatti und Rimac“, sagte er bei der Bekanntgabe des Joint Venture, „passen perfekt zusammen und beide bringen wesentliche Werte ein: Wir haben uns als Branchenpionier für elektrische Technologien etabliert, Bugatti verfügt mit mehr als einem Jahrhundert Erfahrung in der Entwicklung von Spitzenfahrzeugen über eine der außergewöhnlichsten Traditionen in der Geschichte der Automobilindustrie. Gemeinsam vereinen wir unser Wissen, unsere Technologien und unsere Werte mit dem Ziel, in Zukunft ganz besondere Projekte zu erschaffen.“