Nissan bläst derzeit ein scharfer Wind ins Gesicht. Die Kooperation mit Honda ist gescheitert und auch die Verkaufszahlen sind alles andere als berauschend: 2024 wurden weltweit nur rund 3,35 Millionen Fahrzeuge abgesetzt, etwa ein Prozent weniger als im Jahr zuvor. In China betrug das Minus sogar über zwölf Prozent. Trotzdem schraubt der japanische Autobauer fleißig an seiner Zukunft. Der zukünftige CEO, der 46-jährige Ivan Espinosa, will den Konzern straffen und die Kundenwünsche stärker als bisher in den Mittelpunkt stellen.

Die Gemengelage zum Amtsantritt des gebürtigen Mexikaners ist diffizil: Die Geschäfte von Nissan laufen alles andere als gut, das Verhältnis zum Allianz-Partner Renault war auch schon mal besser und zu allem Übel sind kürzlich die Kooperationsgespräche mit Honda krachend gescheitert. Die Truppe aus Yokohama muss sich also neu orientieren. Und das schnell.

Ivan Espinosa
Der 46-jährige Mexikaner wird zum 1. April neuer CEO von Nissan. Der bisherige Vorstandschef Makoto Uchida war Mitte März vom Aufsichtsrat vor die Tür gesetzt worden. Espinosa ist seit über 30 Jahren für Nissan tätig, zuletzt als Planungsvorstand.

Die Zeit drängt. In Zeiten des immer härteren Wettbewerbs und schrumpfender Märkte muss das Ruder schnell herumgerissen werden, sonst wird die finanzielle Luft für Nissan dünn. Um eine schnelle Wende hinzubekommen, hat der Bald-Firmenchef ein Maßnahmenpaket geschnürt: An oberster Stelle stehen natürlich die Produkte und das Ausrollen der Modellpalette auf die jeweiligen Regionen.

Micra kehrt als Elektroauto zurück

„Wir sind zu langsam und haben in wichtigen Märkten entscheidende Trends verpasst“, analysiert Espinosa nüchtern. Damit sich das ändert, sollen die richtigen Fahrzeuge für die jeweiligen Märkte gebaut werden und so für Umsatz sorgen. Konzentration auf da Wesentliche lautet die Maxime: Der Kunde bekommt das Auto, das er will mit dem Antrieb, den er bevorzugt. Eine Antriebs-Monokultur führt in eine Sackgasse. Das haben die Nissan-Manager erkannt.

Nissan Micra EV 
Der elektrische Kleinwagen ist leicht als Schwestermodell des neuen Renault 5, mit dem der Nissan die Plattform teilt. Produziert wird er  in der Electricity von Renault in Nordfrankreich.
Nissan Micra EV
Der elektrische Kleinwagen ist leicht als Schwestermodell des neuen Renault 5, mit dem der Nissan die Plattform teilt. Produziert wird er in der Electricity von Renault in Nordfrankreich.

In Europa bringt Nissan in diesem Jahr drei elektrifizierte Modelle auf den Markt. Dabei feiert der Micra als Stromer ein Comeback. Das BEV ist auf den ersten Blick als naher Verwandter des Renault R5 Electric zu erkennen, mit dem es sich die Technik teilt.

Leaf mutiert zum Crossover

Genauso spannend ist die Neuauflage des Nissan Leaf EV, der auf der CMF-EV-Plattform basiert und ab Jahresende zu Preisen ab 35.000 Euro angeboten werden soll. Die dritte Generation des E-Autos hat sich zu einem 250 kW starken Crossover gemausert, der auf 19-Zoll-Reifen rollt. Dank einer verbesserten Aerodynamik und Effizienz, die unter anderem durch Nissans kompakte Antriebseinheit „3-in-1-EV Powertrain“ erreicht wird, soll der Leaf mit einer Batterieladung 100 Kilometer weiter kommen als das aktuelle Modell, das nach spätestens 385 Kilometer eine Ladesäule mit einem CHAdeMo-Anschluss benötigt. Der in Großbritannien produzierte Nachfolger kriegt nun endlich auch einen CCS-Anschluss für Ladeleistungen jenseits von 50 kW. Der Innenraum präsentiert sich zudem geräumiger und folgt mit zwei großen Bildschirmen dem Hyundai-Vorbild. Ein großes Panorama-Glasdach sorgt für angenehme Lichtverhältnisse im Innenraum.

E-Power-System weiter verfeinert

Der Qashqai rollt mit der zweiten Generation des e-Power-Systems an den Start, das den Verbrauch noch weiter senken soll und besser für Fahrten auf Autobahnen und Highways geeignet ist. Für Aufsehen wird sicher auch der neue vollelektrische Juke sorgen, der mit einem polygegen Design an die Extravaganz seiner Vorgänger anknüpft und diese sogar noch übertrifft.

Nissan Leaf Modelljahr 2026
Aus der Fließheck-Limousine ist ein Crossover geworden, mit viel Platz im lichten Innenraum und über 400 Kilometer Reichweite.

In China hat Nissan ebenfalls den Anschluss verloren. Das soll sich mit der vollelektrischen N7-Limousine ändern, die noch dieses Jahr auf den Markt kommt. Um im Reich der Mitte wieder auf die Beine zu kommen, intensivieren die Japaner das Joint Venture mit Dongfeng weiter, um China auch als Exportplattform für Nissan-Modelle zu nutzen.

Vollautonomes Fahren mit viel Potenzial

Das alles ändert nichts an der Tatsache, dass Nissan sparen muss. Das geht weit über den Abbau von Arbeitsplätzen hinaus. Das gesamte Unternehmen muss effizienter agieren. Das betrifft auch die Beschleunigung der Entwicklungsprozesse. Außerdem will sich der Automobilhersteller sich nicht verzetteln, sondern sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Dazu gehört das vollautonome Fahren auf Stufe 4 ebenso wie die Feststoffbatterie, die im kommenden Jahr auf öffentlichen Straßen erprobt werden soll.

Aus Drei wird Eins
Nissan hat Elektromotor, Inverter und Reduktionsgetriebe in einer kompakten Baugruppe zusammengefügt. Fotos: Nissan

Ambitionierte Ziele. Deren Verwirklichung kostet auch Geld, viel Geld. Nicht zuletzt haben andere Autobauer wie VW und Ford beim Robo-Fahren schon abgewunken. Zu teuer, zu komplex, zu langwierig. Auch die Entwicklung der Feststoffbatterie ist kein Selbstläufer, der eben mal nebenher erledigt wird. Diese beiden Technologien binden Ressourcen – finanzielle und personelle, die man auf anderen Gebieten brauchen könnte. Dennoch hält Nissan an beiden Projekten fest. Vorerst.

CCS-Plattform offen für Partnerschaften

Diese Vorhaben sind offenbar als wichtige Projekte definiert, bei denen sich Nissan langfristig mit Partnern wie Mobileye zusammengetan hat. Ähnliches gilt auch für das zukunftsträchtige Software Definde Vehicle (SDV). Im ersten Schritt kommt 2026 eine Evolutionsstufe der CCS-Plattform (Connected Car Services), bei der die Künstliche Intelligenz ebenso integriert ist wie Features on Demand. Die Zukunft ist bereits vorgezeichnet: In der nächsten Ausbaustufe wird die Architektur zu einer offenen Plattform mutieren, an der sich auch Drittanbieter beteiligen können und so Geld in die Kassen des Autobauers spülen.

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