Im Interview erklärt Fastned-Deutschlandchefin Linda Boll, wie die Ladeinfrastruktur in Zukunft aussehen muss, damit sich die Elektromobilität durchsetzt. Neben Schnellladesäulen in Städten plädiert die Managerin für einen freien Wettbewerb entlang der Autobahnen und formuliert konkrete Forderungen an die Politik.
Frau Boll, wie beurteilen Sie das aktuelle Ladenetz in Deutschland?
Wir sind auf einem guten Weg. Konkurrenz belebt das Geschäft. Das Ladeerlebnis wird stetig verbessert und auch Bezahlkarten werden eingeführt. Ein Problem ist aber nach wie vor die Preistransparenz. Die Kunden wissen oft nicht, wie viel sie für die Kilowattstunde bezahlen. Aber genau das ist für die Kundenakzeptanz wichtig. Deswegen sind wir große Befürworter des Ad-hoc-Ladens, bei dem man mit der Kreditkarte bezahlen kann.

Linda Boll führt die Geschäfte von Fastned in Deutschland und verfolgt dabei ehrgeizige Ziele. Foto: Fastned
Welche Probleme gibt es noch?
Der Ausbau des Ladenetzes wird durch simple bürokratische Themen gehemmt wie zum Beispiel der Zugang zu den Flächen, die benötigt werden. Ein weiteres Problem sind die Netzanschlüsse. Dabei geht es weniger um die Überlastung des Stromnetzes, sondern um die heterogene Betreiberstruktur. In Deutschland gibt es 873 Mittelspannungsnetzbetreiber, die zum Teil völlig unterschiedliche Regeln haben. Die Transformatoren müssen immer individuell konfiguriert werden. Das geht bis hin zur Farbe der Kabel. Das erschwert die Skalierung massiv.
Also sind einheitliche Richtlinien nötig, damit Sie den Ausbau der Ladestruktur planen und vorantreiben können?
Ja, ganz genau. Auch bei den Baugenehmigungen läuft es noch nicht rund. Viele Kommunen kennen sich da noch nicht aus. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.
„Wir brauchen Wettbewerb, um die Preise zu senken.“
Auch die hohen Ladetarife bremsen die Elektromobilität. Welche Strategie verfolgt Fastned?
Für den Bau einer Ladestation investieren wir ein bis zwei Millionen Euro. Das müssen wir erst einmal wieder reinholen. Außerdem wollen wir auch weiter expandieren. Das erklärt auch den Preis von 73 Cent pro Kilowattstunde im Ad-hoc-Laden. Aber auch hier gilt: Wir brauchen Wettbewerb, um die Preise zu senken. Eine Studie des Bundeskartellamtes zeigt, dass dort, wo Stadtwerke eine Monopolstellung haben, die Preise höher sind. Da sind wir wieder bei der Transparenz: Wenn Sie eine Ladekarte nutzen, kann es sein, dass Ihnen viel mehr abgebucht wird, ohne dass Sie es merken.
Vor drei Jahren beklagte Fastned-CEO Michiel Langezaal die Monopol-Stellung des ehemaligen Staatsunternehmens Tank & Rast bei der Platzierung der Ladesäulen entlang der deutschen Autobahnen. Mit „Mblty“ hat der Monopolist kürzlich seinen eigenen Ladedienst aus der Taufe gehoben und eine Reihe von Schnellladestationen der EnBW an Raststätten übernommen. Hat sich da etwas getan?
Ja, einiges. An den deutschen Autobahnen gibt es rund 360 bewirtschaftete Raststätten. Davon betreibt die Tank & Rast 90 Prozent und hat eine Konzession für den Betrieb von Tankstellen und Restaurants. 2022 hat der Bund im Nachgang zu dem Schnellladegesetz diese Konzession um den Betrieb von Schnellladesäulen erweitert. Das ist aber ohne eine offizielle Ausschreibung geschehen und dagegen haben wir geklagt. Denn das ist ein zusätzliches Angebot, das dem freien Markt zugänglich gemacht werden sollte. Genau diese Frage haben wir vor das Oberlandesgericht Düsseldorf gebracht und das hat Teile davon an den Europäischen Gerichtshof verwiesen und wir erwarten Ende April ein Urteil des EuGH.

Der ehemalige EnBW-Ladepark an der A3 bei Bad Camberg wird inzwischen von der Tank&Rast-Tochter „mblty Charging“ betrieben.
Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Unser Traumszenario wäre, wenn festgestellt würde, das Laden ein unabhängiges Angebot ist, das frei ausgeschrieben werden muss. Es geht nicht darum, 90 Prozent der Raststätten betreiben, sondern dass es einen Wettbewerb gibt.
Wie soll die Umsetzung konkret aussehen?
Wir wollen auf Augenhöhe mit Tank & Rast agieren. Das bedeutet, dass die Tank & Rast weiterhin die Tankstellen und Raststätten betreibt, aber andere Wettbewerber eine Konzession für Ladesäulen auf den gleichen Standorten erhalten.
Auf manchen Autobahnparkplätzen stehen die Ladesäulen in wenig charmanten Stellen …
Genau. Beim Aufbau dieser Ladesäulen hat man nicht an das Kundenerlebnis und die Qualität des Ladens bedacht, sondern sie oft in Ecken gestellt, wo sie niemanden stören. Das wollen wir ändern.
Wie?
Wenn man wirklich auf Elektromobilität setzt, muss man radikal denken, also ganzheitlich und langfristig. Das Laden muss komfortabler und damit auch einfacher werden. Das fängt mit einem Dach, einer Beleuchtung und einem Schwenkarm für das schwere Kabel an und hört mit der Möglichkeit, etwas zu essen und zu trinken auf.
Welche Forderungen haben Sie an die nächste Bundesregierung?
Einige. Neben dem Wettbewerb bei den Autobahnraststätten geht es auch um die unbewirteten Parkplätzen an den Verkehrsadern. Bei dieser Ausschreibung hat sich Fastned beworben und auch gewonnen. Wir sind gerade im Begriff, 34 solcher Stationen aufzubauen. Die werden alle Annehmlichkeiten bieten, aber es wird keine Gastronomie geben. Wir wollen, dass da etwas passiert. Es reicht ja schon ein kleines Gebäude mit Automaten, bei denen man sich ein Getränk oder einen Snack holen kann. Wenn das nicht geschieht, haben wir die Befürchtung, dass das kein Erfolg wird. Das Laden muss möglichst angenehm ablaufen.
Sie sprachen von mehreren Forderungen an die Politik. Welche haben Sie außerdem?
Wir brauchen große Ladestationen in den Städten. Immer mehr Menschen wollen elektrisch fahren, haben aber keine Garage und keinen Stellplatz und dann reicht die AC-Ladeinfrastruktur einfach nicht aus. In den Niederlanden funktioniert das schon sehr gut, aber in Deutschland ist der Zugang zu den Flächen das Problem.
Wie wollen Sie das lösen?
Auch die Städte müssen sich stärker engagieren und Wettbewerb zulassen. In den Großstädten sind oft die Stadtwerke die Platzhirsche.
Damit ist aber noch kein Platz für die Ladestationen geschaffen?
Die könnten zum Beispiel dort entstehen, wo sich heute Tankstellen befinden. Also hauptsächlich an den Einfalls- und den Ringstraßen. Eine andere Möglichkeit wären auch Flächen in neuen Gewerbegebieten. Wir wünschen uns, dass bei der Stadtplanung in Zukunft die Ladesäulen berücksichtigt werden.
Wie viele Ladestationen werden für eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland benötigt?
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur kommt ganz gut voran. Allerdings kann man einen AC-Lader nicht mit einer Schnellladesäule vergleichen. In der politischen Diskussion war mal von einer Million Ladepunkten die Rede. Das sind zu viele. Lieber weniger und dafür schnellere Ladesäulen an strategischen Punkten, wie eben die Einfalls- und Ringstraßen, wo viele Autos in kurzen Abständen laden können. Das ist die Zukunft.
Worin sehen Sie den Vorteil von Fastned? Oder anders gefragt, warum sollte ich bei Fastned laden und nicht direkt an der Autobahn bei Ionity oder EnBW?
Ja, dass wir derzeit nicht direkt an den deutschen Autobahnen vertreten sind, ist ein kleiner Schwachpunkt. Aber wir arbeiten daran und werden im zweiten Quartal dieses Jahres die ersten Ladestationen entlang der deutschen Autobahnen eröffnen. Unsere Stärke ist, dass wir ein verlässliches Ladeerlebnis bieten. Außerdem haben wir in Kinding und in Dinslaken bereits die ersten beiden Fastned-Shops eröffnet, also unbemannte Kioske. Wichtig ist aber, dass wir nicht stehen bleiben und immer schauen, was die Kunden brauchen, um schneller und entspannter an ihr Ziel zu kommen.
Nio bringt beim ET9 eine Ladeleistung von 600 kW. Ist das in Europa überhaupt umsetzbar? Geben das die Infrastruktur und die Ladesäulen überhaupt her?
Grundsätzlich ist es schon mal positiv zu sehen, wie sich das Laden weiterentwickelt. 600-kW-Ladesäulen gibt es bislang in Deutschland mit dem CCS-Anschluss noch nicht. Das geht dann schon in den Hochspannungsbereich, also das Megawatt-Laden wie bei den Lkws. Der Anschluss dieser Stationen ist mittlerweile standardisiert. Also wird es auch da eine Lade-Infrastruktur geben. Der Markt entwickelt sich.
Apropos Nio: Was halten Sie von den Batteriewechselstationen?
Wir finden es gut, dass Nio das ausprobiert, sehen aber auch die Limitierung im deutschen Markt. Nio hat im Endeffekt die gleichen Probleme wie wir, nämlich die Anschlüsse und die Standortpartner zu finden. Letztendlich sind das die gleichen bürokratischen Hürden, mit denen wir uns auch herumschlagen.