Bei den Verbrennungsmotoren ist die Diktion bei Porsche klar: Erst kommt der Sechszylinder-Boxer, dann vielleicht noch ein V8 – und dann lange nichts. Doch wie schaut es bei den Elektroautos aus? Auch die sollen „typisch Porsche“ sein. Da bei den Triebwerken eine Differenzierung schwierig ist, rücken die Batterien zunehmend in den Fokus der Entwickler. Leistungsfähige Akkus garantieren auch dynamische Fahrleistungen. Und das steht bei dem schwäbischen Autobauer ganz oben im Lastenheft. „Die Entwicklung ist immer den Kunden verpflichtet“, erklärt Batterie-Experte Matthias Goldsche.
Bei der Reichweite können sich die Zuffenhausener Strategen nicht auf den Blick in die Glaskugel verlassen. Deswegen hilft nur die Ratio. „Die Kurve flacht ab 2030 ab“, prophezeit Matthias Goldsche und zeigt auf eine Grafik. Demnach ist die Zeit der großen Reichweitensprünge am Ende des Jahrzehnts voraussichtlich erst einmal vorbei. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen käme mit größeren Batterien immer mehr Gewicht ins Auto und auch die Kosten würden steigen.

Wer rund 200.000 Euro für ein Elektromobil hinlegt, erwartet nicht nur beim Stromtanken eine Top-Leistung des Fahrzeugs.
Lieber schneller laden und dafür kleinere und leichtere Batterien, lautet daher die Zielrichtung bei Porsche. Im gleichen Atemzug erteilt der Physiker Goldsche auch den preisgünstigen LFP-Batterien (Lithium-Eisenphosphat) eine klare Absage: „Die sind wie ein Vierzylindermotor – und der hat bei Porsche wenige Fans.“
Entwicklungsziel: Bessere Ladeperformance
Das bedeutet, dass man bei Porsche auf die teureren NMC-Zellen (Nickel-Mangan-Kobalt) setzt. Das macht sich auch in der Ladeleistung bemerkbar. Der Taycan basiert auf der J1-Plattform, dessen Energiespeicher hochwertiger sind als die der PPE-Konzernarchitektur des VW-Konzerns, die beispielsweise der Porsche Macan und der Audi Q6 e-tron nutzen. Deshalb erreicht der Taycan auch eine Spitzen-Ladeleistung von inzwischen bis zu 320 kW – beim Macan sind maximal 270 kW drin.
Noch wichtiger ist, dass die Ladeleistung möglichst lange möglichst hoch bleibt. Bei Porsche bedeutet das mindestens fünf Minuten mit mindestens 300 kW. Klar ist aber auch: Die Porsche-Truppe redet sich leicht. Premium-Fahrzeuge haben einen dementsprechenden Preis und wenn man rund 200.000 Euro für ein Elektromobil hinlegt, erwartet man auch beim Stromtanken eine Top-Leistung. Da geht es auch um die Energiedichte der Zellen. Beim aktuellen Taycan beträgt sie 168,3 Wh/kg. Das ist ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Zustand zum Start der Modellreihe.

Die Batterieentwicklung ist eine Gleichung mit vielen Variablen. Die Reichweite ist und bleibt ein wichtiger Faktor, ist aber nicht der alleinige. Bei Porsche geht es auch um die Fahrdynamik (Gewicht!), die Reisezeit, die Sicherheit der Batterie, den CO2-Abdruck und natürlich die Lebensdauer. „Wenn man nur auf die Reichweite schaut, würden wir unseren ganzheitlichen Ansatz vernachlässigen“, unterstreicht Goldsche.
Entwicklungsziel: Energiedichte
Die Batteriekapazität hängt auch vom Nutzungsprofil der Nutzer ab: 95 Prozent der E-Porsche-Fahrer legen pro Tag weniger als 200 Kilometer zurück. Nur weniger als zwei Prozent der Taycan- und Macan-Fahrer stromern täglich mehr als 300 Kilometer. Also geht es auch um die Performance. Dabei sind Details entscheidend: Zum Beispiel haben die Batterieexperten geschafft, beim Taycan II den maximalen Entladestrom gegenüber dem Taycan I um 28 Prozent zu steigern. In absoluten Zahlen bedeutete das einen Sprung von 860 auf 1100 Ampere. Das verbessert die Beschleunigung. Der Taycan Turbo S absolviert den Sprint von null auf 100 km/h inzwischen in 2,4 Sekunden, also 0,4 Sekunden schneller als zuvor.

Nach Taycan und Macan kommt mit dem Cayenne schon 2026 die dritte Porsche-Baureihe mit Elektroantrieb daher. Mit neuer Batterietechnologie und noch größerer Reichweite als bisher – die Testfahrten mit den Prototypen sind vielversprechend. Fotos: Porsche
Der Schlüssel ist die Chemie der Pouchzellen, die beim Facelift des Taycan vom Format NCM 622 auf NCM 811 geändert wurde. Das bedeutet eine um zwölf Prozent höhere Energiedichte und einen um 20 Prozent höheren Ladestrom (400 A). Das Gewicht der Batterie ist um neun auf 625 Kilogramm gesunken, während die Speicherkapazität von 93,5 kWh auf 105 kWh stieg. So kommt der Standard-Taycan inzwischen bis zu 678 Kilometer weit statt nur 503 Kilometer wie zur Markteinführung. Extrem wichtig ist auch, dass die Starttemperatur beim Schnellladen von 25 Grad auf 15 Grad gesunken ist. Das hilft bei der Vorkonditionierung der Akkus und beschleunigt das Stromtanken.
Entwicklungsziel: Anti-Aging
Wären die Hochleistungsbatterien Menschen, würde man sie als Sensibelchen bezeichnen. Denn die Akkus müssen gehegt und gepflegt werden, damit sie nicht altern. Auch da hat sich einiges getan: Die Energiespeicher sind robuster als bisher. Die Entwicklung geht natürlich weiter und das noch schneller als zuvor. Der Druck aus China kommt auch in Weissach an, wo sich die Porsche-Denkfabrik befindet. Die Details sind spannend.
Jede Batteriezelle besteht aus einer Kathode und einer Anode und die Spezialisten tüfteln ständig daran, die Anode der Lithium-Ionen-Akkus zu verbessern. Dazu nutzt der Sportwagenhersteller längst auch Künstliche Intelligenz. Zum Beispiel ist Graphit ausgereizt, weswegen Porsche Silizium hinzufügt. Da sich aber das Silizium beim Ladevorgang um bis zu 300 Prozent ausdehnt und das Graphit nur um zehn Prozent, kann man den Siliziumanteil nicht unbegrenzt erhöhen. Dazu kommt, dass der mechanische Stress, dem die Zellen beim Laden und Entladen ausgesetzt sind, die Siliziumpartikel verschleißen kann.

Auf dem Hochvolt-Prüfstand prüft Porsche, wie sich Performance und Effizienz des Elektroantrieb weiter verbessern lässt.
Das muss tunlichst vermieden werden, um die Leistungsfähigkeit der Energiespeicher nicht zu beeinträchtigen. Ein Thema, das die Experten umtreibt, ist das sogenannte Lithium-Plating. Ein Phänomen, das beispielsweise beim Schnellladen auftritt, wenn man mit Gewalt mehr Ionen in das Aktivmaterial der Anode pressen will, als dieses aufnehmen kann. Dann lagern sich die ehemaligen Ionen als metallisches Lithium an der Oberfläche der Anode ab. Das führt zu Kapazitätsverlusten der Batterie. Dieser Effekt ist kontraproduktiv für jedes Elektroauto.
Entwicklungsziel: Temperaturbeständigkeit
Weitere Gründe für das Lithium-Plating sind zu niedrige Temperaturen (der Widerstand ist dann höher, die Diffusion der Ionen ins Aktivmaterial somit erschwert) und der Ladestand der Batterie (SOC). Je mehr die Batterie geladen ist, desto mehr steigt der Widerstand an. Das Gleiche passiert, wenn sich der Gesundheitszustand der Akkus (State of Health / SOH) verschlechtert, und somit die Kapazität und Leistungsfähigkeit. Wenn man sich das vor Augen hält, wird klar, wie wichtig es ist, die Akkus in eine Wohlfühloase zu bringen, die Lade- und Entladeströme möglichst perfekt zu steuern und die Temperaturen im richtigen Fenster zu halten.

Am neuen Taycan GTS zeigen sich die Fortschritte bei der Entwicklung der Batterietechnik bereits deutlich: Das Modell lädt Gleichstrom deutlich länger und kommt mit dem Inhalt seines Akkus viele Kilometer weiter als noch zur Markteinführung 2021.
Grundsätzlich verkraften Batterien niedrige Temperaturen besser als hohe. Damit eröffnet sich ein weiterer Kernkonflikt. Ein Porsche wird gerne schnell bewegt, wodurch die Temperaturen im Akku steigen. Deswegen nimmt Porsche diese bei der Erprobung richtig ran. Dabei wird ein Stresstest durchgeführt, bei dem 300.000 Kilometer als Lade- und Entladezyklus simuliert werden. Die Hälfte der Ladevorgänge findet dabei im Schnelllademodus statt – eine Tortur für die Energiespeicher.
Entwicklungsziel: Sicherheit
Um die Akkus widerstandsfähiger zu machen, hat Porsche einen Maßnahmenkatalog verabschiedet: Die Zellchemie muss robust sein und das Batterie-Management-System (BMS) pflegt die Akkus durch eine passende Steuerung des Stroms sowie der Spannung. Ganz wichtig ist das aktive Heizen und Kühlen, um die Batterie in ihrem optimalen Temperaturbereich zu halten. Das bedeutet: Selbst bei Vollgas erhitzen sich die Akkus nicht über 60 Grad. Die Durchschnittstemperatur schwankt vielmehr zwischen 25°C bis 30°C (auch im geparkten Zustand!). Ein aufwendiger Prüfstand, der sich über drei Etagen erstreckt, stellt alle möglichen Fahrsituationen nach. Hier weht ein Hauch Formel 1 in Weissach.
Zu einer Batterie gehört immer das Thema Sicherheit. Ein brennendes Fahrzeug mit dem Porsche-Wappen auf der Motorhaube ist ein Bild, das man in Zuffenhausen tunlichst verhindern will. Nicht ganz einfach, da die NMC-Zellen deutlich reaktiver sind als etwa die LFP-Variante. Das bedeutet, dass die Sicherheitstests nicht nur den obligatorischen Crashstest, sondern auch extreme Temperaturen beinhalten. Gerade bei einem 800-Volt-System, wie es Porsche verwendet, besteht unter Umständen, die Gefahr eines hochenergetischen Lichtschlags. Ein Teufelskreis, denn eine höhere Batteriespannung erlaubt schnelleres Laden.