Energiekrise, Inflation, Ukrainekrieg und die Lieferengpässe haben tiefe Spuren auf dem deutschen Automobilmarkt hinterlassen: Im ersten Halbjahr ging die Pkw-Neuzulassungen in Deutschland um über 18 Prozent zurück, die gewerblichen Zulassungen sogar um 21 Prozent. Auch das Geschäft mit Elektroautos hat deutlich an Schwung verloren: Bei Vollstromern betrug das Minus 3,5 Prozent, bei Teilzeitstromern – den so genannten Plug-in-Hybriden – sogar 16,3 Prozent: Die politische Diskussionen über die Reduzierung des Umweltbonus für Batterieautos und die komplette Streichung in 2023 hat zusätzlich zu einer Verunsicherung der Autokäufer gesorgt.
Möglicherweise spiegelt sich in den Neuzulassungsstatistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes aber auch ein veränderten Konsumverhalten: Mit Blick auf die Unsicherheiten der Antriebswende und über die wirtschaftliche Zukunft des Landes entscheiden sich immer mehr Menschen, das neue Auto zu leasen statt zu kaufen. Oder das Auto nur zu benutzen statt es zu besitzen – und ein Abo abzuschließen. Dies gibt die Möglichkeit, alternative Antriebe ohne große Kapitalbindung erst einmal auszuprobieren – bis klar ist, wohin die Reise geht. In Deutschland und in der Automobiltechnik.
ADAC-Umfrage belegt steigendes Interesse am E-Auto
Darauf deuten nicht nur die aktuellen Zahlen von Leasingunternehmen und Auto-Abo-Anbietern wie ViveLaCar, Finn oder Like2Drive, sondern auch eine Umfrage von ADAC SE. Der kommerzielle Arm des Automobilclubs, Dachgesellschaft unter anderem der ADAC Versicherung AG, der ADAC Finanzdienste GmbH, der ADAC Autovermietung GmbH sowie der ADAC Service GmbH, hat vom Marktforschungsinstitut Infas insgesamt 2300 Menschen in Deutschland befragen lassen, in deren Haushalt mindestens ein Auto vorhanden oder eine Anschaffung demnächst geplant ist.
Die Auswertung der Ergebnisse brachte Sascha Coccorullo, dem Leiter Strategie, New Business und Research bei der ADAC SE einige interessante Erkenntnisse. Zum einen: Das Elektroauto steht bei Kaufinteressenten hoch im Kurs und wird längst nicht mehr nur als Zweitwagen für die Stadt betrachtet. „Elektroautos sind inzwischen als Erstwagen akzeptiert.“ Fahren heute 91 Prozent der Befragten noch einen Verbrenner, wollen in den kommenden drei Jahren über 50 Prozent auf einen Stromer umsteigen – 25 Prozent davon auf ein reines Batterieauto. Aus Umweltgründen (24 Prozent), aber auch wegen der steuerlichen Vergünstigungen und staatlichen Förderungen (15 Prozent) sowie der geringeren Betriebskosten.
Geringes Risiko beim Auto-Abo
Und noch eine weitere Erkenntnis brachte die Umfrage: „Leasing wird immer populärer – auch bei Privatkunden.“ Inzwischen seien 23 Prozent der privat genutzten Elektroautos auf diese Weise beschafft. Bei gewerblichen Käufern beträgt die Leasing-Quote, wie aus dem Handel zu hören ist, bereits bei über 80 Prozent. Offen sind nach der Befragung aber auch immer mehr Menschen für die Langzeitmiete eines Autos: Immerhin jeder Zehnte können sich vorstellen, das nächste Auto im Abo laufen zu lassen – wenn das Fahrzeug elektrisch fahren soll. Als Gründe für das Interesse an einem solchen Modell wurden unter anderem das geringe wirtschaftliche Risiko und die Möglichkeit genannt, neue Antriebstechnologien zunächst einmal im Alltag auszutesten – bevor man sich denn auf eine Antriebsform festlegt.
Deshalb kann sich eine wachsende Zahl von Menschen auch vorstellen, das neue Elektroauto zunächst auch nur zu abonnieren – also einige Monate lang zu mieten. Immerhin jeder Zehnte der Befragten konnte sich in Zukunft ein solches Abo-Modell nach dem Netflix-Prinzip vorstellen. Als Gründe nannten sie das geringe finanzielle Risiko und die geringen Kapitalbedarf sowie die hohe Kostenkontrolle. Die Autohersteller, die derartige Angebote im Programm haben, dürften sich darüber ebenso freuen wie herstellerunabhängige Anbietet wie Finn Auto, ViveLaCar oder Like2Drive.
Erstaunlich auch: Immerhin 36 Prozent der Befragten war der Begriff „Auto-Abo“ bekannt. Coccorullo: „Bei einem Produkt, das erst seit etwa drei Jahren auf dem Markt ist, finde ich das einen hohen Prozentsatz.“
ADAC will Angebot ausbauen
Ganz überraschen konnte ihn das Ergebnis freilich nicht: Als der ADAC seinen Mitgliedern vor zwei Jahren anbot, den vollelektrischen Nissan Leaf zu Sonderkonditionen (299 Euro im Monat) ein halbes Jahr lang per Abo zu testen, waren die 500 Auto im Handumdrehen vergriffen. Den Strategiechef hat die Umfrage ermuntert, den Weg fortzusetzen: „Das Angebot wird ausgebaut.“ Details ließ er sich allerdings noch nicht entlocken. Aber: Der PV-Bereich scheint in den Überlegungen eine Rolle zu spielen, also die Möglichkeit, Elektroautos mithilfe einer eigenen Solaranlage mit Strom zu versorgen.