Mit Elektroautos, gibt der Basecap-Träger gleich zu Beginn des Gesprächs zu, hatte er bislang noch keine Berührung. Das lautlose Fahren sei nicht sein Ding, erklärt er während er vor der Einfahrt in die Waschanlage unseren Audi e-tron umkreist und seine Augen durch eine Pilotenbrille über die scharf geschnittene Karosserie des Elektroautos gleiten lässt. „Kräftig müssen meine Autos sein – und das sollte man auch hören.“ Er habe sich deshalb einen Mercedes 500 SL zugelegt und einen Fiat 500 Competizione. „Sie merken schon – ich habe eine Vorliebe für die Zahl 500“, sagt er und lacht. „Und wie stark ist der?“
Die Frage ist eine Steilvorlage. Die maximale Antriebsleistung des e-tron GT beträgt 350 kW – in seiner Währung sind das 475 PS. Kurzfristig sind es kurzzeitig sogar 390 kW (530 PS). Ja, das könnte in die Sammlung passen. Allradantrieb, Zweigang-Getriebe für 250 km/h Höchstgeschwindigkeit. Und Tempo 100 sei in nur vier Sekunden erreicht, wissen wir zu berichten. Die Augenbrauen schießen hinter der Sonnenbrille empor, dann kommt die nächste Frage, die wir schon erwartet hatten. „Darf ich mich mal reinsetzen?“ Na klar, wenn es der Einsicht dient, dass seine Autosammlung zwar ganz hübsch, aber nicht mehr zeitgemäß ist.
Fernsehstar in Kemoragrau
Der neue Audi e-tron, das merken wir nicht nur an der Tankstelle in Nürnberg, ist ein echter Publikumsmagnet. Fast noch mehr als der Porsche Taycan, mit dem er seinen Antrieb teilt. In der Stadt fliegen die Köpfe herum, auf der Autobahn gehen andere Fahrzeuge auf Parallelkurs, damit die Insassen mit dem Smartphone Bilder von dem Auto schießen können. Dabei ist unser Testwagen nicht einmal auffällig lackiert, kommt in „Kemoragrau-Metallic“ – frei nach „Ödipussi“ eine Mischung aus Taubengrau und Steingrau – ganz dezent daher. Vielleicht hat es damit zu tun, dass der e-tron GT gerade ein Fernsehstar ist, in genau der Farbstellung in Werbespots vor großen Sportereignissen über den Bildschirm gleitet. „Wir können alles erreichen“, lautet dort das Schlussresümee – „wir müssen nur das Richtige tun.“
Der Wechsel von einem V8-Benziner mit fünf Litern Hubraum und einem Durchschnittsverbrauch von etwa 16 Litern Superbenzin zu einem Elektroauto wäre da schon einmal ein Anfang. Der Fahrspaß ginge darüber kein bisschen verloren, können wir hier schon einmal verraten. Es braucht nur ein wenig Umgewöhnung. Und natürlich eine gut gefüllte Geldbörse: Der Basispreis für den e-tron GT liegt mit 99.800 Euro nur knapp unter der Schwelle zur Sechsstelligkeit. Wohl dem, der’s hat.
Stromverbräuche um die 30 kWh/100 km
Und vielleicht noch etwas deutlicher als bei den klassischen Verbrennern merkt man im Elektroauto dieses Kalibers, wie sehr eine hohe Leistungsabforderung sich auf den Energieverbrauch und damit die Reichweite auswirkt. Vor allem bei winterlichen Außenbedingungen und höheren Anforderungen an das Thermomanagement. Stromverbräuche von 19,6 kWh/100 wie im WLTP-Prüfzyklus sind dann illusorisch: Am Ende des knapp zweiwöchigen Tests – inklusive der Langstreckentour von Köln nach Nürnberg – stand bei uns ein Verbrauch von 29,4 kWh/100 auf der digitalen Anzeige des Bordcomputers. Und dabei wurde der e-tron GT auf der Autobahn meist nur mit 140 km/h bewegt, nur ganz selten und kurz die Schwelle von 200 km/h touchiert.
Aber die Heizung des Innenraums (auf 21 Grad Celsius) und auch die Temperierung des netto 84 kWh (93 kWh brutto) großen Hochvolt-Speichers forderten ihren Tribut – abzulesen an den Reichweiten. Aus versprochenen 488 Kilometern wurden bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt um die 300 Kilometer. Und aus der Nonstopp-Tour zum schicken neuen „Charging Hub“ von Audi an der Nürnberger Messe eine Fahrt in zwei Etappen: In Aschaffenburg lotste uns das Navi bei einem Ladestand von 12 Prozent zu den ebenfalls neuen 300 kW-Ladern von Fastned.
Perfekt temperiert zum Ladepunkt
Immerhin hat sich Audi einige intelligente Funktionen einfallen lassen, um die Ladeperformance an die äußeren Bedingungen wie an die geplante Route anzupassen. Die so genannte „prädiktive Vorkonditionierung“ des Akkus ist dabei die wichtigste: Um die maximale Ladeleistung von 270 kW am Ladepunkt nutzen zu können, berechnet der Bordcomputer nach Eingabe des Ziels in das Navigationssystem die voraussichtliche Ankunftszeit und heizt bzw. kühlt den Akku entsprechend vor.
Mit Erfolg: In Aschaffenburg fließt der Gleichstromstrom nur wenige Sekunden nach dem Anschluss des CCS-Kabels mit 242 kW. Nach nur einer Viertelstunde ist der Akku so wieder zu 80 Prozent voll – und das Auto bereit für die Weiterfahrt. Der Fahrer des nagelneuen Hyundai Kona Elektro (maximale Ladeleistung 100 kW) an der Ladesäule nebenan staunte da nicht schlecht: Er war nicht nur früher gekommen, er musste auch noch eine Weile länger im Schneetreiben hocken bleiben.
Aber das Planungs-Tool will im Audi auch genutzt sein: Wenn der e-tron GT nicht weiß, wohin es geht, dann kann er auch nicht „das Richtige tun“, kann auch nichts vorkonditioniert werden. Und dann fließt der Strom deutlich langsamer, wie sich zeigte. Maximal 120 kW liegen dann am Schnelllader an – und das meist bei vergleichbarem Ladestand auch erst nach Minuten. Entsprechend länger dauert so die Ladepause.
Auto fast schon schlauer als der Fahrer
Aber das bringt einem der Audi schon schnell bei. Ebenso dass es wenig Sinn macht, die Rekuperationsleistung mithilfe der Wippen am Lenkrad selbständig zu steuern – auch das kann die im Auto verbaute Intelligenz viel besser. Denn sie weiß im Unterschied zum Fahrer schon, was hinter der nächsten Kuppe oder Kurve kommt. Ob es da bergab oder bergauf geht – oder ob eine Baustelle naht. Ist der intelligente Tempomat eingeschaltet, wird dann vorsorglich schon mal die Geschwindigkeit heruntergeregelt.
Ja, der Audi e-tron GT ist schon eine Intelligenzbestie, die lange Fahrten herrlich entspannt gestalten kann – so man denn will. „Mister 500“ aus Nürnberg würde vermutlich mehr die Fahrdynamik schätzen, die atemberaubende Beschleunigung auf gerader Strecke per „Launch Control“ und mit Schleudertrauma-Gefahr sowie die exzellente Straßenlage auf kurvenreichen Landstraßen.
Kein Zweifel: Das viertürige Elektro-Coupé ist trotz seiner eingeschränkten Reichweite in der Winterzeit ein echter „Grand Tourismo“, mit dem sich lange Strecken in feinstem Ambiente zurücklegen lassen. Erst recht, wenn der Stromer wie unser Testwagen über Sportsitze mit Sitzheizung und -Belüftung, Head-up-Display, Akustik-Verglasung sowie das Assistenzpaket Tour verfügt. Letzteres sorgt mit zahlreichen elektronischen Heinzelmännchen dafür, dass bei aller Dynamik nicht so schnell der Führerschein verloren geht.
Neue, synthetische Klangwelten
Nur auf eines müsste „Mister 500“ verzichten: Das Bollern des Achtzylinders und das laute Kreischen des Auspuffs bei seinem Cinquecento. Denn der synthetische, von Steuergeräten und Verstärkern erzeugte „e-tron Sportsound„, der über je zwei Außen- und Innenlautsprecher zur Gehör gebracht wird, ist da bei aller Intelligenz der Kompositeure kein vollwertiger Ersatz.
Aber es ist eine nette Brückentechnologie, um „Petrol Heads“ den Weg in die Neuzeit zu erleichtern. Ich bin überzeugt: Unser Sportfreund aus Nürnberg wird in den kommenden Wochen noch häufiger über einen Fahrzeugtausch nachdenken.
Ich bewege mein Tesla Model S 85D, 518 PS, 0-100 in 4,2 s, die letzten 10.000 km mit einem Durchschnittsverbrauch von 21,4 kWh. Dank Supercharger-Netzwerk waren wir bereits problemlos in NL, Nord-Dänemark, Frankreich & Spanien. Der Wagen läuft auch 250 km/h, wird aber auf der Autobahn je nach Verkehr im Schnitt mit 130 km/h bewegt. Reale Autobahnreichweite bei diesem Tempo 100-0% im Sommer 320km, im Winter bei Schnee waren es zuletzt mal nur 260km. Der Wagen ist von 07/2015 und ich kann keinen Vorsprung des oben genannten aktuellen Audis erkennen. Freue mich auf den PLAID für Europa.
Fast so gut wie ein neues Model S?
Mit dem Verbrauch, der Software und dem Platzangebot sind da Meilen dazwischen. Wer hier tatsächlich besser ist, kann jeder selber an Hand der Fakten prüfen.
Der Audi liegt fahrdynamisch maximal auf der Höhe eines Model 3 und vom Verbrauch eines Tesla selbst bei hohen Geschwindigkeiten weit entfernt.
Der Audi ist jedenfalls schlauer als ein Audi- Fanboy, wie der Autor meint.
Wer viel verbraucht, muss auch viel laden …