Das fängt ja gut an: Statt den Akku des Audi Q4 e-tron über Nacht komplett zu füllen, hatte die Wallbox den Ladevorgang schon bei einem Füllstand von 80 Prozent abgebrochen – so wie es im Bordcomputer programmiert war, um die Batterie zu schonen. Gut für die Batterie und einen späteren Weiterverkauf de Elektromobils, schlecht für uns. Denn der Stromvorrat würde uns nur noch etwa 300 Kilometer tragen ,. Und nicht 400 Kilometer oder gar 534 Kilometer bei dem vom Hersteller angegeben (und eher theoretischen) Normverbrauch für den Q4 Sportback 40 e-tron.
Nein, für eine Nonstopp-Tour vom Rande des Siebengebirges bis zur Nordseeküste bei Amsterdam würde die Strommenge schon mal nicht reichen – der Bordcomputer hatte dafür am Vorabend eine Streckenlänge von 346 Kilometer kalkuliert. Aber noch ist es ja früh. Also wird der Audi wieder angesteckt und das Ladeziel im Bordcomputer auf 100 Prozent hochgesetzt. Die fehlenden 16 Kilowattstunden sollte die Wallbox in einer Stunde einspeisen können – also wird jetzt erst einmal gefrühstückt.
Fahrten mit dem Elektroauto über längere Strecken sollten gut geplant sein. Die Suche nach einem geeigneten Reiseziel für die Testfahrt mit dem Audi-Stromer war aber schnell beendet. Zum einen wollte die Ehefrau nach langer Abstinenz mal wieder ans Meer, dem Rauschen der Wellen lauschen. Und von der Lackierung des Testwagens in „Auroraviolett“ war es nur ein kleiner Gedankensprung zur Tulpenblüte auf dem „Keukenhof“, der größten Freiluftblumenausstellungen der Welt südlich von Amsterdam. Ein kurzer Blick noch in die Moovility-App: Ja, Ladeplätze gibt es dort fast so viel wie Sand am nahen Meer. Also auf ins Nachbarland.
Viel Platz im sportlichen Coupé
Und ehe wir uns versahen, war der Audi vollgepackt. Mit Strom, mit Lenkdrachen und Liegematten, einer Getränkebox, Windjacken und Butterbrot-Beutel – mit allem, was man so für einen Ausflug ans Meer so braucht. Dazu noch drei „volwassene“ Passagiere, wie man in Holland sagt: Die Nachricht von der geplanten Testfahrt hatte sich im Familienkreis schnell herumgesprochen. Und so füllte sich nicht nur der Kofferraum bis auf den letzten Winkel, sondern auch der Innenraum des Q4 e-tron bis auf den letzten Sitzplatz.
Beides ging erstaunlich gut, obwohl der violette Testwagen in der Ausführung „Sportback“ angeliefert wurde – bei Skoda heißt das Schwestermodell schlicht Enyaq Coupé. Trotz der abfallenden Dachlinie hatte aber keiner der drei Erwachsenen auf der Rücksitzbank Probleme mit der Kopffreiheit. Schon gar nicht mit der Beinfreiheit. Nur Marcus auf dem Mittelplatz beklagte gewisse Komfortverluste durch eine härtere Sitzfläche.
Hohes Tempo treibt den Verbrauch
Insofern war er auch wahrscheinlich der einzige an Bord, der frohlockte, als der Navigationsrechner schon zwei Stunden nach dem Start empfahl, eine Ladesäule anzusteuern – nach 262 Kilometern Fahrstrecke war tatsächlich nur noch Energie für weitere 50 Kilometer im 77 kWh-Akku. Die Vorfreude auf Nordseestrand und Blütenmeer sowie die leere Autobahn hatten den Fahrer beflügelt, auf deutscher Seite das Fahrpedal etwas fester zu treten und die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h nur als grobe Orientierung zu nehmen.
Technische Daten
Audi Q4 Sportback 40 e-tron
Heckantrieb mit elektrische Spitzenleistung von 150 kW; Dauerleistung: 70 kW
Batteriekapazität: 82 kWh brutto, 76,6 kWh netto
Durchschnittsverbrauch (lt. WLTP-Norm) 19,5-16,7 kWh/100 km
Reichweite 528-452 km (Herstellerangabe); 350-400 km im Test;
Basispreis: 49.500 Euro; Testwagenpreis: 70.110 Euro
Mit dem Ergebnis, dass der Durchschnittsverbrauch des 150 kW starken und in vollbeladenem Zustand etwa 2,5 Tonnen schweren vollelektrischen „Sportback“ doch deutlich vom Normverbrauch entfernte, den Audi im Bereich zwischen 16,7 und 19,2 kWh/100 km ansiedelt: Tatsächlich waren es zu dem Zeitpunkt 25,2 kWh. Es wurde also Zeit für ein zweites Frühstück – für das Auto an der Ladestation von Allego, für die Insassen im Hotel „Postillion“. Auf beides ist man in Utrecht-Bunnik am Rande der A12 bestens vorbereitet. Der Hypercharger von Allego liefern mit einer maximalen Ladeleistung von 350 kW mehr Strom, als der Audi verträgt: Mehr als 135 kW sind derzeit nicht drin. Und das „Supercharger-Menu“, das das Hotelrestaurant in 30 Minuten aufzutischen versprach, wäre zu viel des Guten für die Reisenden gewesen. Der Inhalt des Proviantbeutels muss vorerst genügen.
Zumal der Akku des Audi auch schon nach etwas mehr als 30 Minuten wieder zu 85 Prozent gefüllt ist – nichts wie weiter. Hetzen müssen wir uns allerdings nicht: Mehr als 100 km/h sind auf den niederländischen Autobahnen zwischen 6 und 19 Uhr ohnehin nicht drin. Das Tempolimit wurde vor zwei Jahren verfügt – offiziell aus Gründen des Umweltschutzes. Vielleicht aber wollte die Regierung auch nur der Elektromobilität zusätzlichen Rückenwind verschaffen. Denn wie wir schnell merken, sind 100 km/h die ideale Reisegeschwindigkeit für einen Stromer. Schnell fällt der Stromverbrauch laut der Anzeige des Bordcomputers auf 17 kWh/100km – ganz so wie vom Hersteller versprochen.
Assistenzsysteme des Audi helfen im Verkehrsgewühl
Und es wird noch besser. Denn die Aussicht auf das Blütenmeer lockt an diesem Wochenende nicht nur uns nach Südholland: die Straßen zu den Stränden rund um Katwijk und zum Blumenhof bei Lisse sind ordentlich gefüllt. Mit Autos und unzähligen Radfahrern. Daraus ergeben sich ganz andere Tempolimits, aber auch Möglichkeiten, die verschiedenen Assistenzsysteme des Audi im Alltagsverkehr zu testen.
Ein Frontradar („Audi Pre Sense Front“), das vor Fußgängern und Radfahrern warnt und automatisch eine Bremsung einleitet, wenn diese dem Auto zu nahe kommen, ist ebenso wie ein Ausweich- und Abbiegeassistent serienmäßig an Bord. Zusätzlich verfügte der Testwagen über das (1290 Euro teure) Assistenzpaket „Advance“, das unter anderem über die Einhaltung der Tempolimits außer- und innerorts wacht und dem Fahrer beispielsweise Signale gibt, wenn eine Beschleunigung keinen Sinn mehr macht. Wer darauf reagiert, kommt nicht nur sicher durch das Verkehrsgewühl, sondern spart auch leicht die eine oder andere Kilowattstunde Strom.
Unser Ziel Nummer eins – den Strand bei Katwijk – erreichen wir deshalb mit ordentlich Restkapazität. Trotzdem sind die zahlreichen Ladesäulen von Allego am Straßenrand Anreiz genug, um den Audi erneut mit dem Netz zu verbinden. Wie sagt der Rheinländer: Wat mer hatt, dat hät mer. Soll heißen: Was man beizeiten hortet, kann man auf dem Heimweg nutzen. 11 kW gibt die Station her, das sollte reichen, um während des Strandspaziergang den Akku wieder ordentlich zu füllen. Einige Minuten dauert es zwar, das Ladekabel aus dem Untergeschoss des vollbeladenen Kofferraums zu fischen. Aber dann fließt der Strom.
Viel Licht, wenig Schatten
Um es kurz zu machen: Diese Ladepause hätten wir uns sparen können. Denn Ladestationen gibt es bei unseren Nachbarn praktisch an jeder Straßenecke. Natürlich auch am Blumenhof. Und auch den Besuch dort hätten wir uns sparen können. Denn auf den Feldern in der Umgebung blühten die Tulpen schon in allen Farben des Regenbogens. Auch in Violett.
Was lieferte die Fahrt ansonsten noch an Erkenntnissen über den Audi Sportback? Das Schwestermodell des VW ID.5 Pro Performance (ab 47750 Euro) und Skoda Enyaq Coupé (57.700 Euro in RS-Ausführung) mit ist ein sehr, sehr angenehmes Reisegefährt. Das Fahrwerk ist selbst in der Ausführung S-Line durchaus komfortabel abgestimmt. Die (aufpreispflichtige) Akustikverglasung vorn trägt ein übrigens dazu bei, um entspannt ans Ziel zu kommen. Die Antriebsleistung ist mehr als ausreichend, die Wendigkeit dank des Heckantriebs ausgezeichnet. Im Unterschied zum ID.5 setzt der Audi Q4 überwiegend auf ein konventionelles Bedienkonzept ohne Schieberegler und mit Drucktasten für alle vier Fensterheber.
Mikrofaser-Bezüge nicht unbedingt Premium-like
Was wir hingegen nicht ganz so gut fanden: Wie der ID.5 kommt Audi Q4 e-tron auf altbackenen Trommelbremsen hinten daher, was bei einem Auto mit einem Verkaufspreis von über 70.000 Euro doch etwas befremdlich ist. Und „tierfreie“ Innenräume mögen ja bei Anhängern der Tierschutzorganisation PETA hip sein – die Bezüge der immerhin 3140 Euro teuren Sportsitze aus Kunstleder und recyceltem Plastikmüll, euphemisch-verschämt „Mikrofaser Dinamica“ genannt, sind nicht wirklich Premium.
Und auch die Verarbeitungsqualität des bei VW in Sachsen produzierte Audi ließt in Details zu wünschen übrig: Beim Verlassen des Autos am Heimatort hatte der Sohn plötzlich den Außengriff der Beifahrertür in Einzelteilen in der Hand: Ein Plastikstück, das den beweglichen Griff in der Türschale fixiert, war gebrochen. Sicher nur ein Einzelfall. Aber der Blick ins Innenleben der Konstruktion befremdete schon ein wenig: Im Falle eines Unfalls könnten Rettungskräfte das gleiche erleben und viel Zeit bei der Bergung der Insassen verlieren. Also Audi – oder VW: Bitte nachbessern.
Und noch ein kleiner Nachtrag: Nach der Rechnung der EnBW, die uns inzwischen erreichte, hat der Ausflug ans Meer und zurück ins Rheinland über rund 700 Kilometer in Summe 127,81 kWh Strom verschlungen, 12,16 kWh Wechsel- und 115,65 kWh Gleichstrom. Macht in Summe – nach den Konditionen der EnBW – einen Gesamtbetrag von 84,42 Euro. Mit einem Verbrenner und den aktuellen Spritpreisen wäre es sicher über 100 Euro geworden. Es hat sich also gerechnet.