Eigentlich sollte er längst im Handel sein, der neue Audi Q6 e-tron. Ebenso wie sein Schwestermodell, der vollelektrische Porsche Macan. Ursprünglich für das Jahresende 2022 angekündigt, kommt das elektrische SUV-Paar nun erst im Frühjahr 2024 in den Handel. Schuld hatte die VW-Softwaretochter Cariad, die mit der Entwicklung des Betriebssystems PPE („Premium Plattform Elektrik“) für die beiden Hightech-Stromer und der zeitlichen Koordinierung mit anderen Projekten offenbar überfordert war. Der Vorsprung durch Elektrik und Elektronik ging dadurch an die Koreaner verloren.

Der Chef von Cariad verlor darüber ebenso seinen Job wie Audi-Chef Markus Duesmann – jetzt geht der Blick nach vorn und zählt allein die Vorfreude auf die Verbesserungen, die mit der neuen PPE-Plattform einhergehen sollen. Einen Vorgeschmack darauf gab uns eine erste Ausfahrt mit dem neuen Q6 e-tron, zu der Audi in den hohen Norden eingeladen hatte – auf die Färöer-Inseln. Die dramatische Landschaft dort passt ganz gut zu der schwierigen Situation, in der Audi nach dem Rauswurf des Markenchefs und aufgrund einer gewissen modellpolitischen Durststrecke gerade steckt. Für manche Manager in Ingolstadt ist der neue Q6 e-tron fast so etwas wie ein Rettungswagen, der das Unternehmen aus dem Tunnel herausführen soll.

Q6 e-tron im Konvoi 
Auf den Schafsinseln im Nordatlantik waren die weiß lackierten und bunt beklebten Testwagen weitgehend unter sich.
Q6 e-tron im Konvoi
Auf den Schafsinseln im Nordatlantik waren die weiß lackierten und bunt beklebten Testwagen weitgehend unter sich.

So ähnlich sehen auch die bunt beklebten Testwagen aus, die in Torshavn für eine erste Probefahrt zur Verfügung stehen: Ungetarnt soll der Q6 e-tron erst Ende September – nach der IAA – der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Auch der Instrumententräger und große Teile des Innenraums sind deshalb noch mit Tarnmatten bedeckt. Und bei einigen technischen Details halten sich die Audi-Kommunikatoren noch bedeckt.

800 Volt-Architektur für schnelles Laden

Bekannt sind immerhin die Batteriekapazitäten: Angeboten wird der Elektro-SUV mit 86 und 100 kWh. Damit sollen sich Reichweiten je nach Ausführung von bis zu 600 Kilometer erzielen lassen. Die später geplanten Schwestermodelle A6 Avant und A7 sollen sogar bis zu 700 Kilometer weit stromern können. Auch die Ladeleistung ist beeindruckend: Dank einer 800-Volt-Architektur soll der Q6 e-tron wie der Audi e-tron GT Gleichstrom mit bis zu 270 kW aufnehmen können.

Der Q6 sieht von ferne aus wie der Q8 e-tron, ist mit 4,75 Metern allerdings 16 Zentimeter kürzer als der Elektro-SUV, der bereits seit drei Jahren durch die Welt stromert. Wie der große Bruder wird auch der Q6 mit verschiedenen Antriebspaketen angeboten. Neben dem allein über die Hinterachse angetriebenen Q6 e-tron 45 rangieren verschiedene Allradversionen bis hinauf zum Q6 e-tron 55 Quattro mit 295 kW ( 401 PS) Leistung. Topmodell ist der SQ6 Quattro, der auf Wunsch bis zu 380 kW (517 PS) auf die Räder bringt.

Q8 oder Q6 e-tron? 
Man muss schon genau hinschauen, um das neue Modell zu erkennen. Stilistisch setzt der neue Strom kaum neue Akzente.
Q8 oder Q6 e-tron?
Man muss schon genau hinschauen, um das neue Modell zu erkennen. Stilistisch setzt der neue Strom kaum neue Akzente.

Der Schub der Sportversion ist dabei mehr als imposant und bewältigt den Spurt 0 auf Tempo 100 in 4,5 Sekunden – genauso schnell wie der SQ8. Die neuen Elektromotoren hat Audi selbst entwickelt und lässt sie im ungarischen Werk in Györ montieren. Während vorne ein Induktionsmotor (ASM) arbeitet, dreht an der Hinterachse ein Permanentmagnetmotor (PSM). Entwickler Andreas Ruf ist stolz auf den neuen Antrieb.

Bis zu 230 km/h schnell

„Der vordere ASM“, erklärt er, „ist im Leerlauf effizienter als der PSM im Trockenlauf, in dem er erhebliche Energieverluste erleidet. Wir verwenden das PSM an der nicht dominanten Achse nur in sehr sportlichen Fahrzeugen, wenn ein sofortiges Drehmoment bei der geringsten Beschleunigung erforderlich ist.“ Heißt: Der Hauptschub arbeitet hinte. Erst wenn der Untergrund oder die Fahrsituation es verlangen, schaltet sich der Motor vorne ein, um für einen zusätzliche Boost zu sorgen. Auf Wunsch sogar mit kräftiger Sounduntermalung.

Mit Notschalter 
Ein großer Tochscreen mit den angeblich besten Grafiken am Markt soll das Cockpit domnieren. Zu sehen war davon freilich noch nichts: Tarnmappen deckten auf der Testfahrt große Teile des Innenraums noch ab. Fotos: Tobias Sagmeister für Audi.
Mit Notschalter
Ein großer Tochscreen mit den angeblich besten Grafiken am Markt soll das Cockpit domnieren. Zu sehen war davon freilich noch nichts: Tarnmappen deckten auf der Testfahrt große Teile des Innenraums noch ab. Fotos: Tobias Sagmeister für Audi.

Bei starker Beschleunigung werden beide Motoren gleichzeitig eingesetzt, wobei die Verteilung des Drehmoments bei 30:70 liegt. „Im Sport-Modus schaltet sich der vordere Motor früher ein als im Comfort-Modus, aber die Gesamtleistung ist die gleiche, obwohl das unterschiedliche Gaspedal-Mapping in den Zwischenbeschleunigungen das Ansprechverhalten im Sport-Programm schneller macht“, ergänzt Ruf. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt übrigens in allen Modellversionen 210 km/h. Beim SQ6 sind sogar 230 km/h drin.

Üppiges Platzangebot im Innenraum

Trotz der vergleichsweise überschaubaren Dimensionen bietet der Audi Q6 e-tron ein stattliches Platzangebot im Innenraum, deutlich mehr als im Q4, ein wenig mehr sogar noch als im Q8. Hier macht sich der 2,90 Meter lange Radstand und der fehlende Kardantunnel bemerkbar, so dass auch Personen von über 1,80 Metern Länge bequem im Fond sitzen können. Der Laderaum verfügt über einen doppelten Boden, das Ladekabel kann aber auch problemlos vorne im Frunk untergebracht werden.

Schlusslicht 
Große SUVs mit Elektroantrieb gibt es bereits reichlich auf dem Markt. Der Audi Q6 e-tron ist da eher ein Nachzügler.
Schlusslicht
Große SUVs mit Elektroantrieb gibt es bereits reichlich auf dem Markt. Der Audi Q6 e-tron ist da eher ein Nachzügler.

Für das Fahrwerk wurden die Mehrlenkerachsen des größeren Audi Q8 mit den erforderlichen Abstimmungsmaßnahmen verwendet, während auch die Progressivlenkung zum Einsatz kommt, deren Basis direkt im Hilfsrahmen verschraubt ist. Der Fahrer kann während der Fahrt über Schaltwippen den Rekuperationsgrad in drei Stufen einstellen. Im B-Modus ist auch das sogenannte One-Pedal-Fahren möglich, der das Bremspedal nahezu arbeitslos macht. „Bei Stufe eins sind wir bei 20 Prozent, bei Stufe zwei bei 60 Prozent und bei B bei 100 Prozent der regenerativen Bremskraft“, erklärt Philipp Sadowski, der für diesen Bereich verantwortliche Ingenieur. Positiv überraschte auf der Probefahrt auch die präzise, aber sehr leichtgängige Lenkung, die sich dem gewählten Fahrmodus anpasst. Das Programm „Balanced“ hinterließ dabei den besten Eindruck.

Preise dürften bei 60.000 Euro beginnen

Das gewählte Fahrprogramm passt aber nicht nur Lenkung und Gaspedalkennlinie, sondern auch Federung und Dämpfung flexibel an. Eine gute Wahl ist die Luftfederung, die allein der Audi SQ6 Etron serienmäßig bietet und sonst nur gegen Aufpreis verfügbar ist. Sie erlaubt es, die Bodenfreiheit von 180 mm um weitere 45 mm zu erhöhen, wenn es gilt, neue Wege abseits befestigter Straßen zu suchen. Man darf gespannt sein, ob dies auch Audi mit dem neuen Stromer gelingt, im Wettbewerb etwa mit dem BMW iX oder dem Mercedes EQE SUV. Beim Prizing des dürfte sich Audi aber auch an den Schwestermodellen orientieren. Der Q8 e-tron beginnt bei 74.400, der kleinere Audi Q4 e-tron bei 51.900 Euro – beim Q6 dürfte eine 6 vorne stehen.

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