Auch bei Bentley Motors rollt so langsam die Elektrowelle auf die verwöhnte Kundschaft zu – die CO2-Grenzwerte lassen keine andere Wahl. Ab 2026 will die britische Nobelmarke im Besitz des Volkswagen-Konzerns nur noch Plug-in-Hybride sowie Vollstromer anbieten. Und ab 2030 wird es gar keine Verbrenner mehr aus Crewe geben. Der SUV Bentayga PHEV machte im vergangenen Jahr den Auftakt. Und jetzt legen die Briten mit der Luxuslimousine Flying Spur als Plug-in-Hybrid nach. Dadurch vergrößert sich die Gesamtreichweite des Fahrzeugs auf rund 700 Kilometer – sieben mehr als im Bentayga und knapp 60 Kilometer mehr als im Flying Spur Mulliner mit 12-Zylinder-Maschine. Insofern macht der Hybridantrieb schon einmal Sinn, denn einen Flying Spur fahren nach Unternehmensangaben die Kilometerfresser unter den Bentley-Kunden.

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Technische Daten
Bentley Flying Spur Plug-in Hybrid

Antrieb: Sechszylinder-Benziner mit 2.894 ccm Hubraum und 306 kW (416 PS);
Elektromotor mit 100 kW (136 PS) Leistung. Kombinierte Systemleistung: 400 kW (566 PS);
Akkukapazität: 14,1 kWh, Reichweite: ca. 40 km;
Leergewicht: 2505 kg, max. Zuladung: 525 kg;
Höchstgeschwindigkeit: 285 km/h;
Basispreis: 210.630 Euro

Prinzipiell sind aber die Antriebsstränge des SUV sowie der Limousine identisch – Technikspender ist der Porsche Panamera. Offenbar haben die Briten sich aber die Kritik an dem etwas zahnlosen Auftritt des elektrifizierten Bentayga zu Herzen genommen und dem 2,9-Liter TFSI-Aggregat etwas mehr Kraft eingehaucht. Statt 330 kW ( 449 PS) und 450 Newtonmeter bringt der Antriebsstrang hier 400 kW (566 PS) Leistung und ein maximales Drehmoment von 750 Newtonmetern auf die Straße. Das klingt doch schon einmal verlockend.

Auf zur nächsten Ladestation
Bentley Flying Spur Hybrid in Azure Blue auf forscher Fahrt durch Kalifornien. Bei dem Tempo ist der Akku ganz schnell leer.

In der Stadt reicht die Kraft der Elektromaschine auch locker aus, um die 5,32 Meter lange Luxusjacht majestätisch durch die Straßen zu bewegen: Einfach den E Mode-Knopf auf der schmucken Mittelkonsole drücken und schon steht das Stromern im Vordergrund. Bei den elektrischen Fahrmodi bietet der elektrifizierte Flying Spur wie auch bei den anderen Teilzeitstromern aus dem VW-Konzern aber nicht nur die Möglichkeit, rein elektrisch zu fahren. Im Hybrid-Programm regelt eine Software das Zusammenspiel zwischen Verbrenner und Elektromotor. Und in der Einstellung Hold wird der Ladestand der Batterie konserviert.

Flüsterleise im Elektro-Modus

So oder so begeistert uns vor allem das Geräuschniveau im Innenraum. Fast glaubt man, eine Stecknadel fallen zu hören, wären da nicht die weichen Fußmatten. Und auch die Gespräche mit den Beifahrern finden sehr leise, fast andächtig flüsternd statt – der Flying Spur haucht schon Respekt ein. Im Elektrobetrieb sinkt der Blutdruck merklich, während man leise durch die City stromert.

Das ändert sich allerdings schlagartig, wenn man die Stadtgrenze passiert und auf gut ausgebauten Straßen die Landschaft erkundet. Dann wird es wahrnehmbar lauter. Denn sobald es leicht bergauf geht, muss der Verbrennungsmotor auch bei Geschwindigkeiten unterhalb von 110 km/h über das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe helfend eingreifen.

Wie im Porsche Panamera, nur anders verpackt
Steuern lässt sich der Antriebsstrang über einen Drehschalter in der Mittelkonsole. Wer rein elektrisch fahren will, muss per Knopfdruck den e-Mode wählen – ähnlich wie im Porsche Panamera, Audi A8 oder auch im VW Passat GTE. Foto: Bentley

Das Phänomen des unsouveränen Fahrverhaltens liegt zum einem an der normativen Kraft des Faktischen: Der Bentley Flying Spur Hybrid wiegt 2.505 Kilogramm, das sind nun einmal 205 Kilogramm mehr als ein Porsche Panamera 4 E-Hybrid in der Luxus-Version Executive. Also tut sich der Elektromotor schwerer, die Nobelkarosserie nach oben zu wuchten.

Nur 40 Kilometer im E-Modus

Sollten auch Teilzeitstromer in den Genuss der Umweltprämie kommen? Der Bundesverband Fuhrparkmanagement findet: nein. E-Mobilität

Das andere ist die Erwartungshaltung des Bentley-Fahrers. Mag beim Porsche das Zuschalten des Verbrenners noch als sportliches Potenzial durchgehen, erwartet man beim Briten ein allzeit souveränes Fahrverhalten. Dieses Selbstverständnis steht auch im Lastenheft ganz oben. Den W12-Motor zu elektrifizieren wäre ein Luxuszeichen gewesen, ein V8-Triebwerk angemessen gewesen. So ist es der V6 TFSI geworden, der im Miller-Zyklus agiert – und der ist einfach zu schwach für das Dickschiff.

Dennoch muss man sich die Frage stellen: Wenn selbst in einer Luxuslimousine kein Powerhybrid möglich ist – wo dann? Eine Mitschuld am schwachen Auftritt trägt auch die Batterie: Statt 17.3 kWh wie im Bentayga hat die im Flying Spur lediglich eine Nettokapazität von 14.1 kWh. „Einen größeren Akku bekomme ich nicht unter“, klagt Chefingenieur Steve Jones. Und ein schwererer Achtzylindermotor würde die rein elektrische Reichweite von 40 Kilometern (laut WLTP-Norm) noch weiter schrumpfen lassen. So einfach ist das.

British Racing Green
Autor Wolfgang Gomoll am Steuer des neuen Bentley Flying Spur Hybrid. Foto: Bentley

Offizielle Angaben des Herstellers zur „Fuel Economy“ stehen noch aus. Aber solange die Batterie über ausreichend Energie verfügt, sind die Verbrauchswerte laut Bordcomputer durchaus beeindruckend. Beim Mix aus Stadtfahrt und Autobahn, auf der wir nie schneller als 130 km/h unterwegs waren, zeigte sein Display einen Durchschnittsverbrauch von nur 3,35 Litern auf 100 Kilometer an. Sobald sich der Ladezustand der Batterie dem vorgegebenen Ende zuneigt und der Sechszylinder die Regie übernimmt, steigt der Verbrauch auf 10,3 l/km. Das ist immer noch sehr ordentlich, selbst wenn man die verbrauchte Strommenge hinzurechnet.

Maximale Ladeleistung von 7,2 kW

Das liegt auch daran, dass die E-Maschine rekuperiert und sich wann immer es geht, sich am Vortrieb beteiligt. Für die Eiligen seien hier noch die Sprintwerte genannt: Aus dem Stand erreicht der Flying Spur nach 4,3 Sekunden Landstraßentempo und ist bis zu 285 km/h schnell. Dann ist der Akku allerdings schneller leer, als der Bordcomputer rechnen kann. An einer Wallbox ist der Akku übrigens aufgrund der maximalen Ladeleistung von 7,2 kW nach 2,5 Stunden wieder voll – das ist auch nicht gerade eine Glanzleistung. Andere Plug-in-Hybride können dreiphasig laden, Modelle von Mercedes sogar an einem Schnelllader Gleichstrom ziehen – aber da ist die Batterie auch größer.

Bei ebenem Asphalt entspricht der Komfort des elektrifizierten Flying Spur genau den Erwartungen. Doch bei schlechten Straßen erweist sich die Kombination des Fahrzeuggewichts und der mächtigen 22-Zoll-Räder trotz des Dreikammer-Luftfederfahrwerks als nicht optimal. Lange Wellen verarbeitet der Flying Spur ganz entspannt, doch Querrinnen und Schlaglöcher steckt das Reifen-Dämpfer-System bei Weitem nicht so gut weg, was auch die Passagiere spüren. Und das bei einem Fahrzeugpreis von wenigstens 210.630 Euro. Unser Testwagen in der auffälligen Lackierung „Azure Blue“ brachte es sogar auf 267.820 Euro.

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