Das Zischen irritiert. Wie ein Turbo-Gebläse zieht irgendwo etwas Luft an. Und zwar viel. Die Turbinen heulen, die Luft wird gierig durch Kanäle gezogen, es entsteht ein Unterdruck. Kannten wir bisher nur von Staubsaugern. Nicht von Autos.
Das ist nicht die einzige Besonderheit des BMW Vision Dynamic X (VDX)-Prototypen – intern „The Beast“ genannt. Der Ableger der „Neuen Klasse“ nutzt die Karosserie des kommenden BMW i3, nur dass die Karosserie hier noch tiefer über dem Asphalt kauert und breite Spoiler vorne wie hinten die Aerodynamik nochmals verbessern. Schon im Stand wird klar: Dieses Auto ist extrem.

Das maximale Drehmoment liegt bei Prototypen bei etwa 18.000 Newtonmeter. Dass der Stromer ohne große Spoiler auskommt, liegt unter anderem an fünf Impeller-Gebläsen, die Luft vom Boden saugen und das Fahrzeug so auf die Fahrbahn pressen.
Wie auch die fünf Impeller-Gebläse. Zwei sitzen vorne im Fahrzeug, drei im Heck. Sie saugen förmlich Luft vom Boden, um sie über einen Kanal nach oben abzugeben. Dadurch entsteht mehr Downforce, ohne einen überdimensionierten Heckspoiler zu integrieren. Zwischen 1,2 und 1,5 Tonnen Abtrieb sollen in der höchsten Stufe möglichst sein – und das Fahrzeug förmlich an die Straße saugen.
Nur vier Steuergeräte für den Antrieb
Alles an dem Prototypen ist neu. Neben der Aerodynamik auch die Elektronik. Mit der „Dynamic Performance Control“ regelt eines der nur vier (!) Steuergeräte E-Motor und Leistungssteuerung. Das „Superbrain“ arbeitet bis zu 1.000-mal in der Sekunde und sorgt für einen besonders effizienten Einsatz der E-Maschine. Bis kurz vor dem ABS-Regelbereich kann die Maschine rekuperieren, holt sich damit die maximale Menge an Strom in den Akku zurück. Weniger Steuergeräte bedeuten auch weniger Kabelbäume und bedeuten weniger Gewicht.

Lediglich vier Steuergeräte genügen im Prototypen des BMW i3, um die Leistung der vier Elektromotoren zu regeln.
Der Vierpunkt-Gurt sitzt stramm, als Rennfahrer Jens Klingmann das Zeichen zum Losfahren gibt. Der Sicherheit dient auch ein integrierter Überrollkäfig. Die leichten Türen aus Carbon fallen hell klingend ins Schloss. Nichts erinnert im Innenraum an eine gemütliche Limousine – es ist vielmehr ein Racer vom Allerfeinsten. Carbon wohin das Auge blickt, nur die notwendigsten Schalter zum Fahren und ein kleines Lenkrad für den Piloten.
Serienversion des i3 kommt mit bis zu vier E-Motoren
„Die Strecke ist noch etwas feucht, daher lasse ich es erst mal etwas ruhiger angehen“, sagt Klingmann. Was ein Rennfahrer unter „ruhig“ versteht, wird aber schon in der ersten Kurve klar. Er fliegt in die Links-Rechts-Kombination des Testcenters in Spartanburg, bremst scharf ab, dreht lässig am Lenkrad und beschleunigt im leichten Drift durch die Kurve. Agil und extrem präzise nennt der Rennfahrer das Fahrverhalten, fast schon wie bei einem Rennwagen, nur eben als Limousine und mit etwas mehr Komfort.

Autor Fabian Hoberg am BMW Vision Dynamic X. In Spartanburg durfte er als Beifahrer eine Runde mit dem „Biest“ drehen. Fotos: BMW
„Dank der Elektronik, den vier Motoren und der aktiven Aerodynamik fährt ‚The Beast‘ präziser als ein M2 oder M3, vor allem die Querdynamik hat einen bedeutenden Schritt gemacht. Ein GT3-Rennwagen arbeitet zwar noch direkter, aber das ist eben ein Rennwagen und kein Straßenauto“, erklärt Jens Klingmann.
Wie gewohnt geizt BMW nicht mit der Motorleistung, besonders nicht bei einem Prototypen. Die genaue Leistung will uns Christian Thalmeier, Entwicklungsleiter BMW Dynamic Performance Control, zwar nicht verraten, doch die vier Motoren dürften insgesamt knapp an einen vierstelligen PS-Bereich kommen und um die 18.000 (!) Newtonmeter Drehmoment entwickeln – das ist kurz vor Asphaltfräse. „Alles ist noch in der Entwicklungsphase. Beim Serienauto können Kunden zwischen einem und vier Motoren wählen. Die Leistung wird aber auf jeden Fall reichen“, grinst er.
„Heart of Joy“ für maximale Leistung
Thalmeier feilt seit fast 25 Jahren am Fahrwerk von morgen. „Doch der Schritt ist gewaltig. Mit der neuen Elektro-Architektur und den Steuergeräten wie dem ‚Heart of joy‘, seinen extrem schnellen Rechenwegen quetschen wir das Maximale aus dem Antrieb“, erklärt der Ingenieur.

Der Langstrecken-Spezialist ist von dem BMW-Prototypen schwer angetan: „Dank der Elektronik, den vier Motoren und der aktiven Aerodynamik fährt ‚The Beast‘ präziser als ein M2 oder M3, vor allem die Querdynamik hat einen bedeutenden Schritt gemacht.“
Es sei nicht nur die immense Leistung der E-Maschinen, sondern die Vernetzung der Systeme untereinander und die intelligente Antriebssteuerung „Heart of joy“. Antrieb, Bremsen, Laden, Rekuperation und Teilfunktionen der Lenkung arbeiten auf einem Steuergerät zusammen. Bis zu 1.000-mal arbeitet das Steuergerät pro Sekunde, lässt dabei ein Maximum an Rekuperation zu. „Bis kurz vor dem ABS-Regelbereich gewinnen wir damit Energie, dafür haben wir das ABS auch das erste Mal selbst entwickelt. Wir wollten keine Kompromisse eingehen“, erklärt er. Bis zu 25 Prozent Effizienzsteigerung verspricht sich BMW.
„Wir bringen Antrieb und Bremse zusammen“
Das System arbeitet rund zehnmal schneller bei den Fahrdynamikfunktionen als bei bisherigen Fahrzeugen. Selbst in Kurven rekuperiert der Prototyp bis an die maximale Grenze, ohne dass das Heck ausbricht oder zumindest kurz wackelt. „Wir bringen Antrieb und Bremse erstmals zusammen. Das Auto erweitert damit die Grenzen der Physik“, sagt er. Drei Jahre entwickelten Thalmeier und sein Team am passenden Set-up. Es ist das erste Mal, das Antriebs- und Fahrdynamikfunktionen in einer Einheit integriert sind.

Der BMW-Prototyp „Vision Dynamic X“ nimmt eine M-Version des i3 der sogenannten Neuen Klasse vorweg. Vier Elektromotoren treiben hier die Räder an. Mit fünf Impeller-Gebläsen saugt sich die Limousine gewissermaßen an die Fahrbahn.
Für etwa 98 Prozent der Fahrer eines i3 oder iX3 – den beiden ersten Modellen der sogenannten Neuen Klasse – wird sich das Bremsen bei der Rekuperation später normal anfühlen. Sofern sie nicht per One-Pedal-Drive unterwegs sind und das Bremspedal benutzen, bremsen sie in normalen Fahrsituationen mit dem E-Motor und nicht mit der konventionellen Reibbremse. Erst in Notsituationen wird diese aktiviert.
15 Kilometer mehr Reichweite durch smarte Rekuperation
Alleine diese konsequente Nutzung der Rekuperation sorge für einen Reichweitengewinn von 15 Kilometer pro Akkuladung. Auch das Anfahren am Berg mit einer Hill-Control wird künftig durch den E-Motor erleichtert und nicht mehr über eine Bremse. Weiterer Vorteil: Das Bremsen durch Rekuperation wird die komfortabelste Art anzuhalten. „Die e-Maschine quietscht, rubbelt oder ruckelt nicht, sondern bremst ganz geschmeidig ab“, sagt Thalmeier.
Wenn es der Fahrer denn will. Rennfahrer Klingmann mag es lieber schnell, was in diesem Fall auch ruppig bedeutet. Auch ohne die Impeller-Turbinen saust ‚The Beast‘ über die Prüfstrecke, lässt die Passagiere trotz festem Anschnallgurt hin und her bewegen. Das Zischen klingt zwar noch in den Ohren, doch das hochfrequente Summen der E-Maschinen durchdringt den ganzen Innenraum. Mit dem aktiven Fahrwerk und einer schnelleren Vernetzung wechselt der BMW die Kurvenseiten wie auf Schienen, Abrollen oder Wankbewegung lassen Fahrwerk und Karosserie nicht zu. Ob das so auch Ende des Jahres in Serie kommt? Die Beteiligten schauen bei der Frage betreten weg.

Das neue Cockpit-Design, das BMW zusammen mit Harman entwickelt hat, besteht aus einem großen Zentralbildschirm nach Tesla-Art sowie einem schmalen Informationsband unter der Windschutzscheibe, auf die der Fahrer seine favorisierten Apps übertragen kann.
Sicher scheint bisher nur das neue Innenraumkonzept zu sein. Den Innenraum des ersten Serien-BMWs der Neuen Klasse erhält das neue iDrive mit „Panoramic Vision“ und 3D-Head-up-Display in der Frontscheibe. Dabei werden Infos am unteren schwarzen Rand der Windschutzscheibe projiziert. Alle wichtigen Fahrinfos liegen vor dem Fahrer, sechs weitere Widgets lassen sich nach Belieben daneben integrieren. Optional gibt es noch ein Head-up-Display in 3D.
Das mittlere Display liegt näher am Fahrer, über das Multifunktionslenkrad lassen sich die meisten Funktionen verstellen. Der Personal Assist, eine Zeichnung in der Grafik eines Aliens, kommuniziert bei Sprachbefehlen mit dem Fahrer, dreht bei Ansprache seine Augen zum Piloten. Dafür fällt der gewohnte iDrive-Regler in der Mittelkonsole weg. Was irgendwie weniger irritierend ist als das Zischen der aktiven Aerodynamik.