Als die ersten neuzeitlichen „Pedelecs“ mit Lithium-Ionen-Akku in den 1990er Jahren auf den Markt kamen, ging es primär um Leistung und Reichweite: Die meist älteren Käufer der Fahrräder mit elektrischer Trittunterstützung wollten möglichst ohne Schweißausbrüche und Muskelkrämpfe ans Ziel kommen. Auch dann, wenn das Gelände bergiger und die Tour über mehr Kilometer ging als sonst üblich. Entsprechend schwer fielen die E-Bikes damals aus und entsprechend heftig fiel der Spott der „Bio-Biker“ aus – der Radfahrer, die Reichweite und Leistung allein nach Muskelkraft und Kondition bemaßen.
Doch seitdem hat sich die Szene deutlich geändert. Die Vorzüge des „künstlichen Rückenwinds“ haben längst auch jüngere Personengruppen für sich entdeckt. Und die Komponentenhersteller haben die Antriebe immer weiter optimiert und praktisch für jeden Zweiradtyp nutzbar gemacht. Nicht nur für Trekking- und Citybikes, sondern auch (und vor allem) für Mountainbikes, Gravelbikes und Cargobikes. Selbst Jugendräder mit elektrischer Trittunterstützung sind inzwischen verfügbar. Entsprechend dynamisch hat sich das Geschäft mit E-Bikes in den zurückliegenden Jahren entwickelt. Vor allem in Deutschland, dem weltgrößten (!) Markt für Pedelecs mit einem Absatzvolumen von 2,2 Millionen Einheiten im vergangenen Jahr. Und nach den Schätzungen des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) dürften in diesem Jahr erstmals mehr E-Bikes als „Bio-Bikes“ verkauft werden.
„Die Erfolgsgeschichte des Pedelecs setzt sich fort“, freut sich dementsprechend Claus Fleischer, der Geschäftsführer von Bosch eBike Systems. „Nachdem inzwischen die meisten Fahrradgattungen elektrifiziert sind, werden einzelne Kategorien nun noch diverser.“ Der neueste Trend sind „Light e-Bikes“, Pedelecs mit geringem Gewicht, hoher Agilität und reduzierter Trittunterstützung. Die Antriebseinheiten fordern stärker den Fahrer und seine Muskeln – ohne ihn zu überfordern oder gar den Fahrspaß zu mindern.
Leichtgewicht mit Spitzenleistung von 600 Watt
So präsentiert Marktführer Bosch eBike Systems auf der Eurobike, der weltgrößten Fahrradmesse in Frankfurt, mit der so genannten Performance Line SX eine neue Antriebseinheit, die „maximale Unterstützung auf kleinstem Raum für sportives und urbanes E-Biken“ verspricht. Mit dem Mountainbike ebenso wie mit dem Gravelbike oder auch dem Citybike.
Der Motor, die so genannte „Drive Unit“ wiegt dank eines Gehäuses aus Magnesium lediglich zwei Kilogramm, liefert aber eine Spitzenleistung von 600 Watt (und eine Dauerleistung von 250 Watt) bei einem maximalen Drehmoment von 55 Newtonmetern. Der Motor ist damit fast ein Kilogramm leichter als die bekannte Bosch Performance Line CX und geht wenigstens genauso kraftvoll zu Werke wie vergleichbare Antriebssysteme von Fazua (55 bzw. 60 Nm) und Spezialized (55 Nm).
Dazu passend hat Bosch einen neuen, kompakten wie leichten Akku entwickelt, der sich wunderbar in den Rahmen des Fahrrads integrieren lässt. Mit einer Speicherkapazität von 400 Wattstunden und einem Gewicht von ebenfalls nur knapp zwei Kilogramm. Wem das nicht reichen sollte, kann im Flaschenhalter seines Fahrrads einen „PowerMore“ genannten Range Extender montieren, der zusätzliche 250 Wattstunden Strom speichern kann. Die Reichweite steigt darüber um über 60 Prozent – bei sparsamem Einsatz des Motors in einer möglichst niedrigen Unterstützungsstufe.
Fahrrad wird zum Teil des Netzwerks
Denn fleißig kurbeln muss man natürlich auch auf dem E-Bike: Die höchste Unterstützung erfährt nur, wer eine hohe Eigenleistung investiert und über die Gangschaltung eine hohe Trittfrequenz realisiert. Um das Optimale an dem Antrieb herauszuholen, hat Bosch ein smartes System entwickelt, das über eine Smartphone-App eine Anpassung des Antriebs auf die persönlichen Vorlieben und den individuellen Fitnessgrad erlaubt: „Connectivity“ wird nicht nur beim Elektroauto, sondern inzwischen auch beim E-Bike groß geschrieben.
Wie Fleischer bei der Präsentation des neuen Antriebs auf dem Großen Feldberg im Taunus ausführte, gibt es Bemühungen, das Fahrrad in der Stadt auch digital mit der Verkehrsinfrastruktur zu vernetzen: E-Bikes könnte an andere Verkehrsteilnehmer ihren Standort senden, um beispielsweise Fahrer von Bussen oder Lastzügen zu warnen, wenn sich das Fahrrad im toten Winkel befindet.
Verblüffend niedriges Geräuschniveau
Aber für den Chef von Bosch eBike Systems sind Fahrräder „in erster Linie Fun“ – und Transportmittel nur an zweiter Stelle. Und um den Spaß am elektrifizierten, aber trotzdem möglichst natürlichen Radeln zu steigern, arbeiten seine Ingenieure emsig daran, die Antriebe weiter zu optimieren. Zum Beispiel in punkto Geräuschentwicklung. Im „Turbo“-Modus kann so eine „Drive Unit“ schon einmal kräftig brummen. Der neue Performance Line SX-Antrieb schlägt auch in der Beziehung ein neues Kapitel auf, wie eine erste kurze Testfahrt über den Mountainbike-Trail am Großen Feldberg belegte: Bergauf war der Mittelmotor kaum zu vernehmen. Zudem wurde der Trittwiderstand jenseits der gesetzlich festgelegten 25-km/h-Grenze deutlich reduziert: Die Muskelkraft kommt voll und ganz dem Vortrieb zugute.
Wir freuen uns deshalb schon auf die erste größere Ausfahrt auf einem eMTB mit dem neuen Antrieb. Im Herbst sollen die ersten Exemplare ausgeliefert werden.