Sie fliegt mit bis zu 30 Knoten oder gut 55 km/h über die Wellen, ohne dass die Passagiere an Bord seekrank werden. Und das zu Betriebskosten, die um die 90 Prozent geringer sind als bei einer dieselbetriebenen Fähre: Das vollelektrische Tragflächenboot Candela P-12 hat das Zeug, dem öffentlichen Nahverkehr auf dem Wasser einen kräftigen Schub zu geben. In der Schärenlandschaft vor Stockholm, aber auch in anderen europäischen Städten: Vor drei Jahren sorgte der schwedische Bootsbauer mit Testfahrten zwischen Köln und Düsseldorf bereits für Aufsehen und Diskussionen über eine Schnellbootverbindung zwischen den beiden Städten.
„Die P-12 ist eine Plattform, die eine breites Spektrum von Kunden ansprechen wird“, ist Candela-Chef Gustav Hasselskog überzeugt. „Egal, ob es sich um öffentliche Verkehrsmittel, VIP-Dienste oder Privatkunden handelt – unser Konzept wird den Personentransport auf dem Wasser revolutionieren.“ Nach ausgiebigen und erfolgreichen Tests auf der Strecke zwischen dem Zentrum von Stockholm und der Schlafstadt Ekerö am Mälarsee – auf der sich die Fahrzeit von 55 auf 25 Minuten mehr als halbierte – hat das Unternehmen jetzt die Serienproduktion der zwölf Meter langen Elektro-Fähre aufgenommen. Ein erstes Exemplar soll Anfang kommenden Jahres im regulären Fährdienst in der schwedischen Hauptstadt eingesetzt werden. Dort werden im öffentlichen Nahverkehr jährlich über sechs Millionen Fahrten noch mit dieselgetriebenen Booten durchgeführt.
Insgesamt sechs Jahre Entwicklungsarbeit stecken in dem innovativen Schiffsantrieb. Vor allem die Entwicklung der Tragflächen-Technik kostete viel Zeit. Die sogenannten Aero- oder Hydrofoils kennt man von Rennyachten und dem Americas Cup, inzwischen aber auch aus dem Freizeitsport: E-Foils – bis zu 50 km/h schnelle Surfbretter mit Elektroantrieb, die sich während der Fahrt aus dem Wasser heben – sind der letzte Schrei nicht nur in Kalifornien oder Florida. Auch auf dem Mittellandkanal wurden schon Exemplare gesichtet.
Stückpreis von 1,7 Millionen Euro
Candela nutzt die Technik bereits bei seinen Sportbooten vom Typ C8. Über 150 Exemplare des 8,50 Meter langen Typs wurden inzwischen gebaut und weltweit vertrieben. Ausgestattet mit einem 68 kWh großen Lithium-Ionen-Akku von Northvolt und einem Elektromotor mit einer Spitzenleistung von 70 kW, zu Preisen ab 330.000 Euro.
Mit der P-12 steht nun das erste Tragflächenboot für professionelle Einsätze in den Startlöchern. Zum Stückpreis von 1,7 Millionen Euro und – logischerweise – einem deutlich stärkeren Antrieb. Zwei sogenannte C-Pods mit einer Spitzenleistung von 340 kW treiben die komplett aus Kunststoff gebaute Personen- und Fahrradfähre an und heben sie in voller Fahrt bis zu drei Meter aus dem Wasser. Eine Art Flight Controler reguliert den Einsatz der Tragflächen in Abhängigkeit von den Wellenhöhen und Windgeschwindigkeiten. Die Antriebsenergie liefert ein großer Akkublock, der 252 kWh Strom speichert. Geladen werden kann dieser kurzzeitig mit bis zu 175 kW Gleichstrom – oder über Nacht mit Wechselstrom an einer 22 kW-Ladesäule.
Eine Person reicht für den Betrieb
Bei Candela ist man überzeugt von der Konstruktion und wirbt mit der Reduktion nicht nur der CO2-Emissionen durch den Elektroantrieb, sondern auch mit deutlich niedrigeren Betriebskosten im Vergleich zu dieselgetriebenen Booten gleicher Größenordnung. Nicht nur, weil der Elektroantrieb kaum Wartung benötigt. Auch die Personalkosten seien deutlich geringer als bei konventionellen Fähren: Dank einer smarten Bugklappe, die das Boot selbständig an der Kaimauer fixiert, kann die Candela-Lösung mit nur einer Person betrieben werden.
„Mit der P-12 bieten wir nicht nur eine schnellere und komfortable elektrische Alternative zu den mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Booten“, wirbt Erik Eklund, der für das Profi-Programm verantwortliche Candela-Direktor. „Wir zeigen Reedereien auch einen Weg auf, den Wechsel zu einem nachhaltigen Schiffsantrieb mit Kostenvorteilen zu verknüpfen.“ Das sei ein entscheidender Schritt hin zu sauberen Seen und Küstengewässern. Mal schauen, wann die ersten Boote des Typs auch hierzulande auftauchen.